Die Koalition stellte heute ihren Entwurf eines neuen Wehrdienstgesetzes vor. Mit dabei: Die Andeutung der Wiedereinführung der Wehrpflicht, wenn auch nicht direkt und nicht für alle. Als erster Schritt ist die verpflichtende Musterung für alle 18-jährigen Männer enthalten. Und als nächster Schritt wurde bereits die Bedarfswehrpflicht in den Raum gestellt. Diese wäre durch den Bundestag zu beschließen, sollten sich nicht genügend Freiwillige zum Dienst an der Waffe melden.
Die Bundeswehr muss sich fast verdoppeln, um den heutigen Anforderungen gerecht werden zu können, um die notwendige Abschreckung gegenüber dem immer aggressiver auftretenden Russland leisten zu können. So hatte der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Carsten Breuer, bereits mehrfach erklärt: „Für unsere Zusagen gegenüber der NATO und die Umsetzung des OPLAN Deutschland benötigen wir insgesamt etwa 460.000 Soldatinnen und Soldaten. Derzeit liegt die Sollstärke der Bundeswehr bei rund 200.000 aktiven militärischen Dienstposten. Hinzu kommen 60.000 grundbeordete Reservistinnen und Reservisten, macht 260.000. Die Differenz werden wir in den kommenden Jahren maßgeblich über den neuen Wehrdienst gewinnen.“
Die Wehrpflicht im Losverfahren
Im Gegensatz zu früheren Entwürfen steht im neuen Wehrdienstgesetz nun eine verpflichtende Musterung für alle Männer ab 18 Jahren. Sollten sich danach nicht genügend Menschen freiwillig für die Ableistung von sechs Monaten Dienst für Deutschland entscheiden, steht der Begriff der „Bedarfswehrpflicht“ im Raum, mit welcher das Defizit durch junge Männer gefüllt würde, die durch das Losverfahren bestimmt werden.
„Der Bundestag entscheidet durch Gesetz über die Einsetzung einer Bedarfswehrpflicht, insbesondere wenn die verteidigungspolitische Lage oder die Personallage der Streitkräfte dies erforderlich macht. Sie dient der Schließung möglicher Lücken zwischen dem Bedarf der Streitkräfte und der tatsächlichen Zahl an Freiwilligen,“ zitiert die Bild aus dem Beschluss. „Einen Automatismus zur Aktivierung der Wehrpflicht wird es nicht geben.“
Dauer und Ausrichtung des Wehrdienstes
Die Dauer des neuen Wehrdienstes soll sechs Monate betragen und die jungen Menschen vor allem dazu befähigen, ihren Dienst im Heimatschutz zu leisten. Sie werden also nicht bei den Panzergrenadieren oder Artilleristen ausgebildet, sondern für den Einsatz als Reservisten im Heimatschutz vorbereitet.
Hierfür erlernen sie im dreimonatigen Grundmodul wie man Liegenschaften und Gelände sichert bzw. kontrolliert sowie die Gefechtsführung. Der Umgang mit Pistole und Gewehr gehört ebenso zum Grundmodul wie die Drohnenabwehr sowie grundlegende medizinische Kenntnisse. Nach diesen drei Monaten geht es dann in die Teilstreitkräfte. Hier hofft die Bundeswehr, dass genügend Wehrpflichtige für die Bundeswehr begeistert werden können, um dann als Soldaten auf Zeit für bis zu 25 Jahre in der Truppe zu bleiben.
Keine gefühlten Frauen in der Wehrpflicht
Auch wenn unter dem Begriff der „Bedarfswehrpflicht“ eine Rückkehr zur Wehrpflicht angedeutet wurde, konnte sich der Deutsche Bundestag weiterhin nicht auf eine Änderung des Grundgesetzes einigen, welche zur Einführung der Wehrpflicht auch für Frauen notwendig wäre. Eine Änderung des Grundgesetzes bzw. dessen Artikel 12a – der seinerzeit von einem fast ausschließlich männlich besetztem Parlament ins Grundgesetz diktiert wurde – erfordert dabei eine Zwei-Drittel-Mehrheit im deutschen Bundestag. Und bis zu einer Abschaffung des Artikels 12a dürfen Frauen nicht zum Dienst an der Waffe verpflichtet werden.
Ein Schlupfloch für Männer könnte demnach das im April 2024 für Deutschland erlassene „Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag“ (SBGG) bieten. Paragraph 9 des SBGG lautet: „Die rechtliche Zuordnung einer Person zum männlichen Geschlecht bleibt, soweit es den Dienst mit der Waffe auf Grundlage des Artikels 12a des Grundgesetzes und hierauf beruhender Gesetze betrifft, für die Dauer des Spannungs- oder Verteidigungsfalls nach Artikel 80a des Grundgesetzes bestehen, wenn in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit diesem die Änderung des Geschlechtseintrags von „männlich“ zu „weiblich“ oder „divers“ oder die Streichung der Angabe zum Geschlecht erklärt wird. Der zeitliche Zusammenhang ist unmittelbar ab einem Zeitpunkt von zwei Monaten vor Feststellung des Spannungs- oder Verteidigungsfalls sowie während desselben gegeben.“
Wer also über zwei Monate vor der Erklärung des Spannungsfalles sein Geschlecht im Personensachstandsregister von männlich zu weiblich oder divers geändert hat, bleibt von der Wehrpflicht ebenso ausgeschlossen wie alle biologisch eindeutig definierten Frauen.
Die Befragung der jungen Menschen
Doch auch vom Prinzip des Fragebogens, welchen die früheren Versionen des neuen Wehrdienstes vorsahen, weicht die jetzige Entscheidung nicht ab. Alle jungen Menschen sollen einen Online-Fragebogen ausfüllen, für Männer ist das Ausfüllen verpflichtend, für Frauen freiwillig, sodass alle diese Menschen zumindest in einer Datenbank erfasst sind, auf welche die Bundeswehr im Ernstfall zugreifen kann. Alle Männer, die nach dem 1. Januar 2008 geboren sind, sollen dann zudem ab dem Juli 2027 einer verpflichtenden Musterung unterzogen werden, so die bisher aus dem BMVg kommunizierten Planungen.
„Deutschland und Europa stehen unter Druck – politisch, militärisch, wirtschaftlich. Unser Auftrag ist deshalb klarer denn je: Wir müssen unsere Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit stärken – jetzt, entschlossen und ohne Zögern –, weil es sonst niemand für uns tun wird“, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius erst gestern anlässlich des 70-jährigen Geburtstages der Bundeswehr. „Deshalb richten wir die Bundeswehr konsequent auf Landes- und Bündnisverteidigung aus. Deshalb arbeiten wir hart an weiteren Verbesserungen für eine angemessene Ausstattung und Infrastruktur der Bundeswehr. Und nicht zuletzt: Deshalb brauchen wir den neuen Wehrdienst.“
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