Deutsche Raketenabwehr nimmt konkrete Formen an

Schon länger zeigte die Bundesregierung Interesse das Raketenabwehrsystem ARROW 3 des israelischen Herstellers IAI (Israel Aerospace Industries Ltd.) zu beschaffen. Am Donnerstag, den 15. August, teilte das israelische Verteidigungsministerium mit, dass auch die Erlaubnis aus den USA dazu vorliegt. ARROW 3 ist eine israelisch-amerikanische Entwicklung und geht auf einen gemeinschaftlichen Beschluss zur Entwicklung eines Raketenabwehrsystems von 1996 zurück. Da neben IAI auch die israelischen Firmen Tadiran, Israel Military Industries (IMI), vor allem aber auch Raytheon und Boeing aus den USA an der Entwicklung beteiligt waren, unterliegt es ITAR (International Traffic in Arms Regulations) und den US-amerikanischen Exportrichtlinien. Deshalb muss auch die USA einer Weitergabe/Verkauf zustimmen.
Start einer Arrow 3 in Israel.
Foto: IAI

Mit der Zustimmung ist der Weg für die Beschaffung durch Deutschland frei. Im Raum steht eine Investition von rund 4 Milliarden Euro. Bereits im Juni dieses Jahrs hatte der Haushaltsausschuss des Bundestages 560 Millionen Euro als ersten Schritt genehmigt. Finanziert wird das System aus dem „Sondervermögen Bundeswehr“

ARROW 3 als Teil eines Gesamtsystems

ARROW 3 heißt auf Deutsch: „Pfeil 3“ und ist seit 2017 in Israel in Nutzung. Dort ist es ein wichtiger Baustein zu der Verteidigung des Landes. Es deckt den oberen Bereich der Luftverteidigung – in der Erdatmosphäre und oberhalb davon – ab. Zum Beispiel gegen ballistische Land- und Mittelstreckenraketen, ggf. mit Atomsprengköpfen. In Israel schaut man hier vor allem in Richtung Iran, in Deutschland in Richtung Russland. Das System gilt derzeit als das beste und leistungsfähigste der Welt. Anfliegende Bedrohungen können auf Distanzen von bis zu 2.400 km Reichweite und in Höhen von bis zu 100 km bekämpft werden. Der Inspekteur der Luftwaffe, General Ingo Gerhartz, sagte im israelischen Fernsehen: „Das System hat große Fähigkeiten – und es gibt die Bedrohung durch Langstreckenraketen. Wir haben uns verschiedene Systeme angeschaut. Wir haben uns für ARROW 3 entschieden.“

Die doppelstufige Feststoffrakete hat eine Länge von 7,5 m und ein Gefechtsgewicht von 2.000 kg. Die Rakete soll die anfliegende Bedrohung punktgenau treffen und dank des Splittergefechtskopfs zerstören. Dabei nutzt dieser einen Annäherungszünder. So kann ein Ziel auch bei einem knappen Vorbeiflug durch die Splitterwolke zerstört werden. Das Gesamtsystem besteht aus Führungsgefechtsstand, Radargeräten, Startgeräten und den Lenkflugkörpern. Es kann direkt mit Frühwarnsystemen, wie z.B. Satelliten verbunden werden auf Basis der entsprechenden Aufklärungsdaten die Abwehr einleiten.

In Israel wird das ARROW 3 System in den unteren Flugabwehrschichten durch die Systeme DAVID SLING sowie IRON DOME ergänzt und zu einem Gesamtsystem komplettiert. AROW 3 ist in Israel auf der Luftwaffenbasis Sdot Micha stationiert. 2021 bereits gaben die USA und Israel den Plan zur Entwicklung der ARROW 4-Abfangrakete bekannt. Diese wird die Fähigkeiten von ARROW 3 weiter verbessern, ist aber noch nicht verfügbar.

Drei Stationierungsorte in Deutschland

Die Bundesrepublik plant die Beschaffung von bis zu drei Systemen ARROW 3. Das erste soll nach Angaben der Luftwaffe auf dem Fliegerhorst Holzdorf in Sachsen-Anhalt stationiert werden. Hier sind bereits der Einsatzführungsbereich 3 der Luftwaffe sowie die Lufttransportgruppe des Hubschraubergeschwader 64 (HSG 64) beheimatet. Laut Luftwaffe sollen die beiden weiteren Systeme jeweils in Schleswig-Holstein und Bayern stationiert werden. Die genauen Stationierungsorte sind hier noch nicht endgültig festgelegt.

Mit diesen Stationierungen ist dann der Schutz der deutschen Bevölkerung möglich. Aber auch die der Partner und Verbündeten. Von Anfang an machte die Bundesregierung klar, dass die deutsche Initiative Teil eines europäischen Luftverteidigungsansatzes ist. Europäische Nachbarn und NATO-Verbündete im Reichweitenbereich des Systems treten ebenfalls unter diesen Schutzschirm. Zudem ist es möglich, dass sich die baltischen Länder, sowie Rumänien oder Polen mit ihren Luftverteidigungssystemen einbinden können, um so ein europäisches System aufzubauen. Und auch bei der Umsetzung ist die Bundesregierung ehrgeizig. Bereits 2025 soll das erste ARROW 3-System auf deutschem Boden einsatzbereit stehen und so zur Abschreckung beitragen.

Start einer Arrow 3 in Israel.
Foto: IAI

Kommentar der cpm-Redaktion

Mit der ESSI-Initiative hat die Bundesregierung Anfang dieses Jahres einen gesamteuropäischen Ansatz zur Luftverteidigung vorgeschlagen. Lange war spekuliert worden, wie dieser Ansatz aussehen könne. Luftverteidigung findet in vier Abfanghöhen statt. Während die Abfanghöhen (Tier) 1-3 durch bereits geplante oder vorhandene Systeme zumindest grundsätzlich abgedeckt waren, war die oberste Abfangschicht insbesondere gegen die Bedrohung ballistischer Flugkörper in Deutschland und Europa noch nicht ausreichend geschützt. Mit der Beschaffung von Arrow 3 gelingt es nun, einen Systemansatz zu realisieren, der nicht nur die Fähigkeitsdefizite der obersten Abfangschicht mildert, sondern auch Luftverteidigung in einem Gesamtsystemansatz als vernetzte Luftverteidigung – sowohl national als auch international im Bündnis – ermöglicht.

Newsbeitrag und Kommentar: cpm-Autorenteam

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ARROW 3BoeingEntwicklungIAIIsrael Aerospace Industries Ltd.RaytheonUSA
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