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DSEI: Renaissance der Panzer-Abwehr-Richtmine PARM

Die TDW Gesellschaft für verteidigungstechnische Wirksysteme mbH am Standort Schrobenhausen ist eine 100%tige Tochter der MBDA Deutschland und das Kompetenzzentrum für Wirksysteme. Sie ist mit ihren Lösungen – vor allem den Wirkladungen und Gefechtsköpfen – u.a. in den Waffensystemen RIM-116 Rolling Airframe Missile (RAM), Mistral, Brimstone, Joint Strike Missile (JSM), Naval Strike Missile (NSM), SPEAR, Enforcer Familie (in der Bundeswehr als Leichtes Wirkmittel 1800+), PARS 3LR, RIM-162 Evolved Sea Sparrow Missile (ESSM), Leichtgewichtstorpedo STING RAY, Schwergewichtstorpedo Spearfish, Common Anti-Air Modular Missile (CAMM) oder AIM-9 Sidewinder beteiligt.
Die DM22 PARM – hier als DM58 – wird durch die Bundeswehr auch bei der enhanced Forward Presence Battlegroup in Litauen mitgeführt.
Foto: cpm GmbH/André Forkert

Das aktuell vielleicht interessanteste Projekt ist aufgrund der Rückbesinnung auf die Landes- und Bündnisverteidigung ist aber wohl die PARM (Panzer-Abwehr-Richtmine). Die DM12 PARM 1 wurde in den 1980er-Jahren als „Off-Route“-Mine entwickelt und 1988 zugelassen. 1991 ging sie in die Nutzung bei der Bundeswehr über. Bis heute befindet sich die DM-12 PARM 1 im Bestand der Bundeswehr. Die aktuelle Version der Bundeswehr ist die Panzerabwehrrichtmine DM22. Diese unterscheidet sich von der DM12 (heute Depotreserve) durch eine Wirkzeitbegrenzung – seit 2012. Eine Weiterentwicklung (PARM 2) wurde aufgrund des Endes des Kalten Krieges in den 1990er Jahren eingestellt. Welche Bedeutung dieses Wirksystem auch heute noch hat, zeigt die Lieferung von rund 2.600 Stück an die Ukraine. Mit der DM58 gibt es noch eine Variante für den Ausbildungsbetrieb.

Auf der Rüstungsmesse DSEI 2021 zeigte TDW die PARM DM 22 erstmals wieder nach Jahrzehnten öffentlich und bewarb sie. Auch dieses ist ein Nachweis für das gesteigerte Interesse und den Bedarf der westlichen Staaten nach entsprechenden Wirksystemen. Alle sind bestrebt ihre Panzerabwehrfähigkeit schnell zu erhöhen. Die Panzer-Abwehr-Richtmine soll bei der Bundeswehr wieder beschafft werden, eine entsprechende 25-Millionen-Vorlage liegt bereits vor. Parallel zur obsoleszenzbereinigten Version arbeitet TDW an der Weiterentwicklung für eine Variante, die dann auch moderne Sensoren integrieren kann. Damit findet die Reaktivierung der Industrialisierung der PARM 2 statt. Diese ist dank moderner Sensoren zur Zieldiskriminierung befähigt. Ja nach Kundenwunsch z.B. durch einen passiven IR-Sensor. Demnächst sind bereits entsprechende Schießvorführungen mit internationalen Kunden sowie der Bundeswehr geplant. Denn gerade zeigen auch mehrere europäische Staaten großes Interesse, u.a. aus dem Baltikum. TDW betrachtet dabei verschiedenste Sensorhersteller, die alle über eine Sensor-Schnittstelle angeschlossen werden können.

Die DM22 PARM auf der DSEI lässt schon einige Weiterentwicklungen erahnen.
Foto: cpm GmbH/André Forkert

Die PARM

Die DM12/22 PARM ist eine autonome und sensorausgelöste Richtmine, die Wege, Gräben oder andere Engstellen überwachen und sperren kann. Sie wird auf einem kleinen Dreibein am Rand aufgestellt. Der integrierte 40 m lange Lichtwellenleiter wird über den Weg gelegt und löst beim Überrollen das System aus. Das rückstoßfreie Geschoss mit Hohlladung kann auch gegen stark gepanzerte Fahrzeuge (z.B. Kampfpanzer) mit Reaktivschutz wirken. Dank der Länge des Lichtwellenleiters ergibt sich eine Wirkentfernung von 2 bis 40 m, auch wenn der Geschosskopf eine deutlich größere Reichweite besitzt. Außer dem Lichtwellenleiter wird als Auslösesensor auch ein passiver Infrarotsensor (SPIR) mit einer Reichweite von 60 m angeboten. Die PARM-Sensorik kann auch Fahrzeuge zählen, um nach Vorgabe dann das X-te Fahrzeug zu zerstören und nicht immer gleich auf das erste reagieren zu müssen. Der Gefechtskopf hat eine Wirkladung von 1,4 kg und ein Kaliber von 128 mm. Laut Herstellerangaben können mehr als 600 mm RHA durchschlagen werden.

Die DM12/22 PARM wurde komplett im Hause TDW, beziehungsweise der Vorgängerfirma Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB), entwickelt und produziert. Das Eigengewicht liegt bei rund 10 kg. Sie ist in der Ukraine im Einsatz.

DM22 PARM mit einem Mock-Up als optischen Sensor. Dieser muss im Grunde klein, leicht, wirkungsvoll und kosteneffektiv sein, bei wenig Energieaufnahme.
Foto: cpm GmbH/André Forkert

Weiterentwicklung angedacht

Aufgrund des erneuten Bedarfs ist die PARM für viele westliche Streitkräfte aktuell von erhöhtem Interesse und die TDW strebt eine Neuauflage an. Vor einer schnellen Beschaffung muss bei der DM22 PARM jedoch zunächst eine Obsoleszenzbeseitigung durchgeführt werden. Dieses würde aber keinen Einfluss auf eine erhöhte Leistungsfähigkeit haben. Prinzip und Wirkung blieben gleich.

Die TDW geht davon aus, dass die DM22 PARM erhebliches Weiterentwicklungspotenzial hat. Angedacht werden vor allem alternative Auslösesensoren. Als Grundlage dient die in den 1990er Jahren entwickelte und zertifizierte PARM 2. Sie wurde jedoch nie eingeführt, verfügt aber bereits über eine Diskriminierungsfähigkeit, kann Fahrzeugsignaturen erkennen und löst nur gegen entsprechende „Feindfahrzeuge“ aus. Das ist jedoch einfacher gesagt als am Ende umgesetzt, denn auch heute nutzen noch einige westliche/verbündete Nationen russische Fahrzeugmodelle, so ist eine einfache Freund-Feind-Identifizierung nicht ganz einfach.

Auch ist eine „Fernbedienbarkeit“ angedacht. So lässt sich die PARM 2 aus der Ferne aktivieren und deaktivieren (sichern), auch mehrfach. So können eigene Kräfte passieren und gegnerische aufgehalten werden. Das bedeutet aber einen erheblichen Eingriff in die Steuerung. Auch dieses soll dieses Jahr noch umgesetzt und probegeschossen werden.

Als Beispiel wie so ein weiterentwickelter Sensor aussieht kann das Forschungsprojekt der Firma VECTED dienen. Die Auswerteelektronik wird durch VECTED in Deutschland selbst gebaut und programmiert. Je nach Wirkentfernung des Waffensystems kann dank einer kleineren oder größeren Linse der Sensor in der Entwicklung angepasst werden. Der Linsendurchmesser hat damit auch Einfluss auf den Erfassungswinkel. Bei der PARM würde dieser vermutlich zwischen 20 und 30 mm betragen und kaum größer als ein Fingernagel sein. VECTED will hier einen entsprechenden Wärmebildkanal nutzen. Dieser funktioniert bei Tag und Nacht, auch bei Sichteinschränkungen wie Nebel, Rauch oder Regen. Zudem wird ein Entfernungsmesser integriert. Die Messung der Entfernung erfolgt jedoch nicht über einen aktiven Laser, sondern emissionslos über die Optik. Dabei unterstützt Künstliche Intelligenz (KI). Diese berechnet die Entfernung aufgrund der Größe des vorher erkannten Objektes. Über die KI kann auch eine Freund-Feind-Erkennung erfolgen. Problematisch ist an dieser Stelle noch die Freund-Feind Kennung von typidentischen Fahrzeugen die von beiden Seiten eingesetzt werden. Die KI ist fest im Sensor verbaut und benötigt wenig Raum. Dennoch bedeutet ein „intelligenterer“ Sensor grundsätzlich eine höhere Stromaufnahme und damit eine kürzerer Wirk-/Stehzeit des Waffensystems bei gleicher Batterieleistung. Also muss auch diese entsprechend angepasst werden oder über zusätzliche Sensoren nachgedacht werden, die das System bei Annäherung von Fahrzeugen „aufwecken“. VECTED lernt die KI mit gerenderten auf physikalischen Simulationen erzeugten Realbildern der Fahrzeuge an, damit können auch Wärmebildsignaturen erkannt werden.

Ein limitierender Faktor für einen „intelligenten“ Sensor ist sicherlich auch der Preis. Einmal im Verhältnis zum Gesamt-Waffensystem, aber auch im Hinblick auf Zerstörung oder Zurücklassen des Sensors nach Verschuß. Gegen eine Zerstörung/Beschädigung könnte der Sensor auf einem eigenen Stativ platziert werden, aber auch dann ist es taktisch kaum sinnvoll eine bemannte Rückführung durchzuführen. Hier würde jedes Mal mindestens ein Zug Infanteristen gebunden werden. Die PARM ist gerade zur Überwachung und Sperrung von Räumen geeignet, in denen keine eigenen Truppen vorhanden sind.

Bei der Entwicklung der PARM „neue Generation“ sowie eines entsprechenden Sensors sind daher neben dem Preis als limitierender Faktor auch lange Steh-/Bereitschaftszeiten anzustreben. Daher müsste ein solcher optischer Sensor mit einem Sensor (akustische oder Radar) kombiniert werden, den das Waffensystem erst aufwachen lässt, wenn ein Fahrzeug in der Nähe ist. Beim Einsatz in urbanen Räumen mit vielen Fahrzeugen, Artilleriefeuer und anderen Geräuschfaktoren ist aber auch ein akustischer Sensor kaum von Vorteil. Und ein Radar ist wiederrum nicht emissionsfrei. Viele der heute möglichen Optionen müssen sich daher in der Entwicklungs- und Testphase erst noch ihre taktische Tauglichkeit und Sinnhaftigkeit nachweisen.

Autor: André Forkert, cpm GmbH

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