Ein starkes Marinearsenal – So geht Zeitenwende

Das Marinearsenal (MArs) setzte sich in seiner mehr als 60-jährigen Geschichte fortwährend mit Strukturveränderungen und Aufgabendiskussionen auseinander. Diese strukturellen Veränderungen der Vergangenheit betrafen aber nie den eigentlichen Kernauftrag des Marinearsenals als den kompetenten und verlässlichen Partner der Deutschen Marine. Das Marinearsenal wird auch zukünftig weltweit und jederzeit alle Einheiten der Deutschen Marine mit den erforderlichen Instandhaltungsleistungen unterstützen. So stellen wir gemeinsam mit unseren Partnern innerhalb und außerhalb der Bundeswehr heute und auch zukünftig die materielle Einsatzbereitschaft der Flotte sicher.
(Dieser Beitrag erschien zuerst im cpmFORUM 5/23)
Abbau eines Marineleichtgeschützes der Korvette LUDWIGSHAFEN AM RHEIN am Standort Kiel-Ellerbek des Marinearsenals.
Abbau eines Marineleichtgeschützes der Korvette LUDWIGSHAFEN AM RHEIN am Standort Kiel-Ellerbek des Marinearsenals.
Foto: Susanne Krause-Weers / Marinearsenal

Die aktuellen sicherheitspolitischen Realitäten in Europa und die konsequente Ausrichtung unserer Streitkräfte auf die Landes- und Bündnisverteidigung müssen auch Auswirkungen auf das Marinearsenal haben.

Mit seinem Zielbild Marine 2035+ definiert der Inspekteur der Deutschen Marine u. a. die Operationsgebiete und die materielle Ausstattung der Marine mit Seekriegsmitteln. Der Blick auf diese künftige Ausrüstungsplanung der Deutschen Marine, die allein im Überwasserbereich die Bereitstellung von 50 seegehenden Einheiten im Rahmen ihrer Bündnisverpflichtung und ihrer nationalen Vorgaben im Planungshorizont bis zum Jahr 2032 vorsieht, zeigte sehr deutlich, dass nur mit einer signifikanten Stärkung der personellen, materiellen und infrastrukturellen Ausstattung des Marinearsenals die gebotene Balance zwischen dem Auftrag der Dienststelle Marinearsenal und den dafür erforderlichen Ressourcen wieder hergestellt werden kann.

In seiner Grundsatzrede vom 27.06.2022 stellte der Inspekteur unter anderem fest: „Um es klar auszusprechen: Ohne eine substanzielle Stärkung des Marinearsenals ist ein Turnaround in der dauerhaften Einsatzfähigkeit der Marine nicht möglich. Eben diesen Wendepunkt braucht die Deutsche Marine aber so schnell wie möglich.“

Fregatte HAMBUNG im Dock B des Marinearsenals in Wilhelmshaven.
Fregatte HAMBUNG im Dock B des Marinearsenals in Wilhelmshaven.
Foto: Susanne Krause-Weers / Marinearsenal

Vor diesem Hintergrund definierte das Bundesverteidigungsministerium in einem Dokument mit dem Titel „Konzeptionelle Ableitung des Bedarfs zur Stärkung des Marinearsenals“ wesentliche Anforderungen an die technisch-logistische Unterstützung und Instandhaltung deutscher und verbündeter Seestreitkräfte in Krise oder Krieg. Diesen Anforderungen hat sich das Marinearsenal zu stellen und diese sind bereits in Friedenszeiten geografisch, infrastrukturell, personell und materiell vorzuhalten.

Welche wesentlichen Anforderungen sind das:

  • Gesicherte, schnelle, unbürokratische und vollumfängliche Verfügbarkeit technisch-logistischer Unterstützung, einschließlich entsprechender Infrastruktur und Kräfte im deutschen Nord- und Ostseeraum;
  • Fachlich gesicherte Instandhaltungsfähigkeiten und -kapazitäten in Bezug auf alle an Bord deutscher Marineeinheiten, genutzten Anlagen und Geräte;
  • Möglichst gesicherte Verfügbarkeit von Instandhaltungsleistungen in allen Operationsgebieten als Komplementärlösung aus Leistungen regionaler Partner (Host Nation Support, Stützpunkte, Werften, Docks) und aus Deutschland ergänzter Instandhaltungsfachkompetenz. Das gilt gleichermaßen im Umkehrschluss auch für die Unterstützung der in deutschen Küstengewässern operierenden verbündeten Marinen.
Luftbild Marinearsenal Wilhelmshaven. Foto: Julia Kelm / MarKdo, PrSt EinsFltl 2 ASt Nordholz
Luftbild Marinearsenal Wilhelmshaven.
Foto: Julia Kelm / MarKdo, PrSt EinsFltl 2 ASt Nordholz

Während für das Marinearsenal in Friedenszeiten planmäßige Instandsetzungen der seegehenden Marineeinheiten im Vordergrund stehen, wären das in Krise oder Krieg im Handlungsschwerpunkt Bedarfs- oder Gefechtsschadeninstandsetzungen.

Um diesen Instandhaltungsbedarf der Deutschen Marine zukünftig zuverlässig, durchhaltefähig und redundant decken zu können, war und ist die Schaffung einer grundlegenden Eigenbefähigung des Marinearsenals im gesamten Instandhaltungsleistungsspektrum unter den neuen sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen unabdingbar.

In der Konsequenz werden damit folgende Instandhaltungsfähigkeiten und -kapazitäten des Marinearsenals benötigt:

  • Instandsetzungsfähigkeiten im Nordseebereich mit mindestens zwei Dockplätzen für große seegehende Einheiten,
  • zusätzliche Instandhaltungsfähigkeiten im Ostseebereich mit mindestens drei Dockplätzen für zwei mittlere und eine kleine seegehende Einheit,
  • Wiederaufbau der Fähigkeiten in der schiffstechnischen Instandhaltung sowie
  • Erweiterung der im Marinearsenal vorhandenen Instandhaltungsfähigkeiten und -kapazitäten waffensystemspezifischer Anlagen und Geräte.

Als sich Anfang des Jahres 2022 mit der Insolvenz der MV Werften in Mecklenburg-Vorpommern die einmalige Gelegenheit ergab, mit der Übernahme des mobilen und immobilen Anlagevermögens des Unternehmens am Standort Rostock eine Trendwende in der Entwicklung der materiellen, personellen und infrastrukturellen Voraussetzungen für die Gewährleistung des Auftrages des MArs einzuleiten, ergriffen das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, die Fachaufsicht im Bundesministerium der Verteidigung und die Marine zusammen diese einzigartige Möglichkeit.

Durch eine enorme gemeinsame Willens- und Kraftanstrengung von Bundeswehr, Politik und Gewerkschaften gelang es, in einer für viele Beteiligte auch im Rückblick unglaublichen und nicht für möglich gehaltenen Geschwindigkeit den Erwerb des mobilen und immobilen Anlagevermögens der MV Werften am Standort Rostock und die Errichtung einer weiteren Liegenschaft als Marinearsenal Warnowwerft erfolgreich zu realisieren. Die erfolgreiche Umsetzung dieses Projektes zeigte auf, wozu die Bundeswehr in der Lage ist. Es ist zudem auch das erste erfolgreiche Projekt der Zeitenwende. So geht Zeitenwende, so geht Stärkung des Marinearsenals!

Blick in die Waffenwerkstatt des Marinearsenals in Wilhelmshaven.
Blick in die Waffenwerkstatt des Marinearsenals in Wilhelmshaven.
Foto: Susanne Krause-Weers / Marinearsenal

Diese Stärkung des Leistungsportfolios des Marinearsenals folgt dabei einem komplementären Ansatz. Konkret bedeutet dies, dass die ausgezeichneten Fähigkeiten, die das Marinearsenal bereits an seinen traditionellen Standorten in Wilhelmshaven und Kiel im Bereich der Materialerhaltung von Waffensystemen und notwendiger Basisdienste anbietet, erhalten, gestärkt und – eben um die Wahrnehmung von Aufgaben in der Instandhaltung der Schiffstechnik (Hauptbauabschnitte 1-4) – am Standort Rostock sinnvoll ergänzt werden.

In Wilhelmshaven sind neben der Dienststellenleitung und wesentlichen administrativen Anteilen auch die produktiven Elemente zur Instandhaltung waffensystemspezifischer Anlagen und Geräte aller in der Nordsee stationierten seegehenden Einheiten der Deutschen Marine beheimatet. Hier liegt der personelle Schwerpunkt des Marinearsenals. Die Herausforderungen der kommenden Jahre in Wilhelmshaven sind ganz eindeutig die Sanierung der landseitigen Infrastruktur (zum Beispiel Werkhallen) und der Neubau eines komplett überdachten Trockendocks. Mit diesem Trockendock und dem bereits vorhandenen Schwimmdock verfügt das Marinearsenal im Nordseebereich zukünftig über zwei eigene Dockkapazitäten.

In Kiel wird das Marinearsenal auch zukünftig die Instandhaltungsfähigkeiten für Uboote und Minenabwehreinheiten der Deutschen Marine konzentrieren und zielgerichtet weiter ausbauen. Das betrifft zum Beispiel verschiedenste Instandhaltungsfähigkeiten und -kapazitäten im Rahmen des Kooperationsprojektes U212 CD. Für die Korvetten K130 des zweiten Loses schaffen wir in Kiel aktuell die personellen und materiellen Voraussetzungen zur Instandhaltung ausgewählter waffensystemspezifischer Anlagen und Geräte wie zum Beispiel das Geschütz 76 mm SUPER RAPID. Der Standort Kiel soll perspektivisch durch eine eigene Schwimmdockkapazität ergänzt werden.

Marinearsenal Warnowwerft: Blick vom Bockkran in das Dock.
Marinearsenal Warnowwerft: Blick vom Bockkran in das Dock.
Foto: Susanne Krause-Weers / Marinearsenal

Die Standorte des Marinearsenals in Rostock und in Kiel werden sich im Schwerpunkt auf die Betreuung aller Einheiten der Deutschen Marine in der Ostsee konzentrieren. Erklärtes Ziel ist es, an den Korvetten K130 (erstes Los und zweites Los) und den Tendern der Klasse 404 Eigeninstandsetzungen durchzuführen. Wie bereits in Wilhelmshaven wird auch hier das Marinearsenal in der Rolle eines Generalunternehmens Instandhaltungsleistungen in Form verschiedenster Arbeitspakete an gewerbliche Unternehmen vergeben. Hier sprechen wir neben großen Unternehmen gezielt auch klein- und mittelständische Unternehmen an.

Darüber hinaus werden die Fähigkeiten des im Bereich der Sofortinstandsetzung in den sogenannten Hauptbauabschnitten (EBA) 1 bis 4 nach dem Marinebaugruppenverzeichnis auf- und ausgebaut. Gemeint sind damit die Ausrüstung und Einrichtung von Schiffen, ihre Antriebsanlagen, elektrische Anlagen und Schiffsbetriebsanlagen. Diese Instandhaltungsfähigkeiten und -kapazitäten, die an den anderen Standorten des Marinearsenals aktuell nicht ausgebildet sind, werden den Standort Rostock in der Zukunft auszeichnen und es erlauben, der Deutschen Marine auch kurzfristig Reparaturleistungen anzubieten. Sei es direkt vor Ort oder bei Bedarf auch weltweit.

Das Marinearsenal kann dabei unter anderem auf die ausgezeichnete fachliche Expertise des Bestandspersonals an den bisherigen Traditionsstandorten und der vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der ehemaligen MV Werften zurückgreifen, die sich im Zuge des Personalbesetzungsverfahrens in den vergangenen Monaten erfolgreich auf die neu geschaffenen Dienstposten beworben haben.

All diese positiven Entwicklungen des Marinearsenals müssen sich bereits heute und in der Zukunft an den Aspekten demografischer Veränderungen und des Fachkräftemangels messen. Das Marinearsenal engagiert sich deshalb mit drei Ausbildungswerkstätten, 108 Ausbildungsplätzen in sechs Berufen und bildet sehr erfolgreich den eigenen Nachwuchs aus. Die gewerbliche Ausbildung im Marinearsenal hat sich an unseren traditionellen Standorten in Wilhelmshaven und Kiel zu einem echten Markennamen von außergewöhnlicher Qualität entwickelt.

Diese Tradition und diesen sehr erfolgreichen Weg werden wir an unserem neuen Standort in Rostock ab September 2023 mit zunächst jeweils sechs Ausbildungsplätzen in den Berufen des/der Industriemechanikers/in und Anlagenmechanikers/in pro Jahr fortsetzen. Ein Jahr später soll das Ausbildungsangebot dann mit weiteren vier Ausbildungsplätzen pro Jahr um den Beruf zum/zur Elektroniker/-in für Geräte und Systeme ergänzt werden. Zusätzlich kooperieren wir sehr erfolgreich mit der Jadehochschule in Wilhelmshaven im Bereich der akademischen Ausbildung. Hier bieten wir gemeinsam zwei technische Studienrichtungen mit integrierter Laufbahnausbildung für den gehobenen technischen Dienst an.

So gestalten wir die Zeitenwende im Marinearsenal!

Dipl.­ Ing. Rainer Sacher,
Leitender Direktor Marinearsenal Wilhelmshafen

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