Herr Leicht, welche Schwerpunkte setzt Thales Deutschland zur diesjährigen Enforce Tac?
In einem Satz zusammengefasst zeigen wir auf der diesjährigen Enforce Tac alles, was es Streitkräften, Polizeieinheiten und BOS-Akteuren ermöglicht, sich den entscheidenden Vorteil zu verschaffen, die gesamte Entscheidungskette abzudecken – von der Bedrohungserkennung bis zur Neutralisierung und von der Missionsvorbereitung bis zur Nachanalyse. Einen besonderen Schwerpunkt setzen wir hier in Nürnberg auf das Thema Kleinwaffen-Schießausbildung und hier speziell auf das taktische Training mit dem Ausbildungsziel, den Umgang mit der dienstlichen Schusswaffe in Stresssituationen zu verbessern.
Zur Überwachung von Räumen und zur Aufklärung zeigen Sie am Stand sowie bei Polaris das tragbare Infanterieradar Ground Observer 12 (GO12). Auf dem KSK-Symposium Rüstung hatten Sie das GO12 auf dem UGV THeMIS von Milrem bzw. KNDS gezeigt. Was kann dieses und warum jetzt in Kooperation mit dem Polaris 4×4?
Das GO12 ist ein sehr kompaktes, leichtes und taktisch einsetzbares Bodenüberwachungsradar, welches u.a. speziell zur Verwendung durch Vorgeschobene Beobachter und zur Steilfeuerlenkung entwickelt, getestet und zertifiziert wurde. Ein typisches Anwendungsfeld ist die Detektion von tieffliegenden Luftzielen, Feuerstellungen sowie feindlicher EloKa. Das GO12 ist bei diversen Streitkräften erfolgreich im Einsatz und „combat proven“.
Durch die geringen Anforderungen bezüglich Platz und Stromversorgung eignet sich das GO12 perfekt für eine Verbringung auf einem unbemannten Landfahrzeug (UGV) oder auch dem Polaris 4×4 und ist somit auch für leichte Kräfte ein unkomplizierter Begleiter zur wetterunabhängigen Weitbereichsaufklärung.
Anhand dieses Beispiels wird deutlich, dass ein fester Fahrzeugeinbau nicht erforderlich ist. Vielmehr kann das GO12 problemlos auf verschiedenen Plattformen transportiert und bei Bedarf eingerüstet werden. Auch eine Verbringung zu Fuß über weite Strecken ist mit zwei Soldatinnen oder Soldaten problemlos möglich. Der Aufbau des Geräts bis hin zur Betriebsbereitschaft kann dann in rund fünf Minuten erfolgen.
Letztes Jahr hatten Sie das Waffenzielgerät XTRAIM als Serienmodell erstmals gezeigt. Was hat sich seitdem getan, in Bezug auf Neukunden, Anpassungen oder Weiterentwicklungen?
XTRAIM ist ein leistungsstarkes, innovatives und qualifiziertes Waffenzielgerät. Aktuell haben wir davon über tausend Exemplare an unsere Kunden ausgeliefert und das Feedback der Nutzer ist durchweg sehr positiv ausgefallen. Deshalb haben wir unsere Produktionskapazitäten erheblich verstärkt, um die Produktionsraten in einem ersten Schritt zu verdoppeln und dann zu vervierfachen, damit wir die Nachfrage unserer aktuellen und zukünftigen Kunden bedienen können.
Thales zeigt zur Messe in Nürnberg auch immer den aktuellsten Sachstand aus dem Bereich Training & Simulation. Was sind hier die neuesten Technologien und welche Entwicklungen können die Nutzer kurz- und mittelfristig erwarten? Spielt KI dabei eine Rolle?
Wir zeigen hier in Nürnberg den neuesten Stand im Bereich Training & Simulation: Tactical Engagement Analysis (TEA). Diese revolutionäre Technologie nutzt Künstliche Intelligenz (KI), um das Schussverhalten, taktische Entscheidungen und individuelle Leistungsdaten in Echtzeit zu reflektieren und zu analysieren.
Während TEA aktuell bereits objektive, datenbasierte Analysen liefert, geht die Entwicklung weiter in Richtung Human Performance Optimization (HPO). „Train smarter – not harder“ ist hier das Leitprinzip: Statt bloßer Wiederholung sorgt TEA für ein gezieltes, individuell abgestimmtes Training mit maximalem Lerneffekt.
Kurzfristig erhalten Anwender detaillierte und objektivierte Trainingsdaten, die es ermöglichen, Stärken gezielt auszubauen und Defizite effizient zu adressieren.
Neben der individuellen Leistungsoptimierung spielt auch die Flexibilität der Trainingsumgebung eine entscheidende Rolle. Moderne Einsatzkräfte müssen sich auf unterschiedlichste Szenarien vorbereiten – und das oft in Umgebungen, in denen herkömmliches Schießtraining nicht möglich ist.
Ein entscheidender Vorteil von TEA: „No emission training in critical infrastructures“ – das System ermöglicht emissionsfreie, realitätsnahe Trainingseinheiten in sensiblen Umgebungen, wo der Einsatz scharfer oder gar Simulationsmunition nicht praktikabel ist. So können Anwender auch in kritischen Infrastrukturen wie Regierungsgebäuden, Flughäfen und Industrieanlagen, aber auch auf Fahrzeugen und Schiffen einsatznah trainieren, ohne Sicherheitsrisiken oder Umweltbelastungen zu verursachen.
Gleichzeitig folgt TEA dem „Plug & Train“-Prinzip: Die Technologie kann nahtlos in bestehende Trainingsumgebungen integriert werden, ohne aufwendige Infrastrukturmaßnahmen. Ob in festen Schießanlagen, mobilen Trainingszentren oder in komplexen urbanen Szenarien – TEA ist sofort einsatzbereit und skalierbar.
Mittelfristig werden die Daten weiter verknüpft und angereichert:
- Stress- und kognitive Belastungsanalysen durch Wearables, die Puls, Hautleitwert und Atembewegungen messen.
- Cognitive Shadowing: Eine fortschrittliche KI-Technologie, die nicht nur das Schuss- und Entscheidungsverhalten erfasst, sondern auch individuelle Denkmuster und Reaktionsweisen in verschiedenen Stresssituationen analysiert.
- Korrelation von physiologischen und taktischen Daten, um individuelle Leistungsfaktoren besser zu verstehen: Dank einer kognitiv-motorischen Trainingskomponente lassen sich kognitive, motorische und taktische Parameter erfassen und in Beziehung zu physiologischen Werten wie Herzfrequenz oder Hautleitwert setzen. So entsteht eine ganzheitliche Datengrundlage, um taktisches Verhalten und körperliche Belastbarkeit passgenau aufeinander abzustimmen und Trainingseinheiten optimal an individuelle Stärken und Schwächen anzupassen.
- KI-gestützte Optimierung der Ausbildungsinhalte auf Basis der physischen und mentalen Belastbarkeit der Trainierenden.
Durch die Kombination aus KI-gestützter Schussverhaltensanalyse, physiologischen Echtzeit-Daten, Cognitive Shadowing und einem flexiblen Plug & Train-Ansatz wird eine maßgeschneiderte, adaptive Ausbildung möglich – für eine noch realistischere, effizientere und nachhaltigere Einsatzvor- und nachbereitung.
Für die Infanterie und die Mittleren Kräfte ist Thales auch immer ein guter Anlaufpunkt, wenn es um das Thema Nachtsicht geht. Gibt es hier bei Ihnen Neuheiten oder Weiterentwicklungen?
Mit Produktneuheiten aus dem Bereich Optronics müssen Sie sich noch bis zur SOFINS Anfang April gedulden. Hier in Nürnberg zeigen wir Bewährtes und Einsatzerprobtes, wie unsere LUCIE II DIR oder unsere NELLIE. Zum ersten Mal mit im Gepäck auf der Enforce Tac haben wir aber die HELIE. Diese kompakte und leichte Brille ermöglicht es Kampfhubschrauberpilotinnen und -piloten, Missionen unter Level-5-Bedingungen durchzuführen, das sind zum Beispiel dunkle, bewölkte oder mondlose Nächte.
HELIE ist ein kampferprobtes Nachtsichtgerät, das nicht nur für militärische Einsätze, sondern auch für den zivilen Gebrauch zertifiziert ist, was seine hervorragende Zuverlässigkeit beweist. Im zivilen Bereich eignet sich HELIE besonders gut für die Seeüberwachung, für Polizei- und Zollmissionen sowie für Such- und Rettungsaktionen und medizinische Evakuierungen.
Sie haben einen angepassten Launcher im Gepäck. Dieser kommt vom Kampfhubschrauber TIGER und kann jetzt leichte und kleine Landfahrzeuge mit einer wirkungsvollen Bewaffnung bestücken. Was genau kann dieser?
Der hier am Stand gezeigte 70 mm-Raketenwerfer kann mit bis zu fünf un- bzw. lasergelenkten Raketen bestückt werden und somit Ziele in mehreren Kilometern Entfernung aus einer gedeckten Stellung heraus bekämpfen. Vor dem Abschuss einer lasergelenkten Rakete wird das Ziel zunächst mit Hilfe eines Laserzielmarkierers anvisiert.
Nach dem Abschuss wird der Suchkopf der Rakete aktiviert, empfängt den vom Zielmarkierer ausgesandten und am beleuchteten Ziel reflektierten Laserstrahl und lenkt sich anschließend selbst ins Ziel.
Wir zeigen hier auf der Enforce Tac in Kooperation mit Diederich Engineering Systems (D.E.S. Defense) eine beispielhafte Einrüstung eines Werfers auf einer leichten Landplattform und haben dafür einen Polaris Alpha D4 mit einem 2-fach Werfer von Thales ausgestattet. Damit können auch leichte Kräfte effektiv und über weite Strecken hinweg punktgenau wirken und sich im Anschluss daran sofort zurückziehen bzw. die Stellung wechseln.
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