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Gerichtsverfahren zur Digitalisierung Landbasierte Operationen (D-LBO)

Die Ausstattung der Bundeswehr mit modernen Kommunikationsmitteln ist sicherlich weder eine besonders ruhmreiche Geschichte, noch ein Beispiel für schnelle Vergaben. Schließlich zieht sich eine wichtige Säule der Digitalisierung Landbasierter Operationen (D-LBO) – die softwaredefinierten Fahrzeugfunkgeräte (SVFuA) – bereits seit rund 15 Jahren hin. Wobei der Beschaffer durch ausgedehnte Beschaffungspausen seinen Teil zu dem Ewigkeitsprojekt beitrug.
Kommunikation und Digitalisierung erfordern Funkgeräte, die den militärischen Anforderungen der Bundeswehr entsprechen. Ob die entsprechende Vergabe rechtens war, entscheidet aktuell das Oberlandesgericht Düsseldorf.
Foto: Rohde & Schwarz

Doch die Zeitenwende hat sich ausgewirkt und der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages gab im Dezember 2022 Mittel im Wert von rund 1,3 Milliarden Euro zur Beschaffung der Funkgeräte frei, die Vergabe bzw. deren Unterlagen wurden eingestuft.

Thomas Wiegold berichtete seinerzeit aus den vertraulichen Unterlagen: „Im Rahmen des so genannten Programms Digitalisierung landbasierter Operationen (D-LBO) gab der Haushaltsausschuss einen Rahmenvertrag mit einem Volumen von knapp 2,9 Milliarden Euro frei. Darin sind für die nächsten 15 Jahre feste Aufträge in Höhe von 1,35 Milliarden Euro für zunächst rund 20.000 Funkgeräte vorgesehen, die die Führung von Landoperationen sicherstellen sollen. Der Vertrag erlaubt die spätere Bestellung von rund 14.000 Funkgeräten, die vor allem für Gefechtsstände vorgesehen sind und deshalb die Kosten auf knapp 1,52 Milliarden Euro erhöhen. Formal ist der Auftrag ein Änderungsvertrag zu bereits bestehenden Vereinbarungen mit dem Münchner Unternehmen Rohde & Schwarz. Damit wird aus Sicht des Ministeriums für diese Beschaffung keine neue europaweite Ausschreibung erforderlich, die den Zeitplan für die Beschaffung infrage gestellt hätte.“

Klage gegen Vergabe ohne Ausschreibung

Gegen die direkte Vergabe an Rohde & Schwarz klagt das Unternehmen Thales, das unter anderem die französischen Streitkräfte mit Funkgeräten ausstattet, mittlerweile in zweiter Instanz. Der Anwalt von Thales, Dr. Jan Byok von der Kanzlei Bird & Bird, bezeichnete bei seinem Plädoyer während der heutigen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf die Vergabe als industriepolitischen Schachzug, um einen deutschen Champion im Bereich der Funkgeräte aufzubauen. Ausnahmeregelungen im Vergaberecht müssten zudem immer auch unter der Betrachtung der Verhältnismäßigkeit stehen – und die sei bei der geschehenen Vergabe mit ihrer jahrzehntelangen Bindung und einem mehrere Milliarden Euro großen Auftrag nicht gegeben.

„Der Auftraggeber hat keine europaweite Markterkundung durchgeführt“, nannte Dr. Byok ein weiteres Ergebnis seiner Aktenprüfung. „Eine vernünftige, konstruktive Suche nach einer Ersatzlösung hat nach unserer Einschätzung nicht stattgefunden.“

Zeitenwende in der Beschaffung

Die heutige Sitzung am Oberlandesgericht Düsseldorf zog sich auch aufgrund der Einstufung der Dokumente in die Länge. Dabei machte die Vorsitzende Richterin, Dr. Christiane Maiman, frühzeitig deutlich, dass es dem Gericht nicht um technische Diskussionen, wie etwa den Einbau der Funkgeräte in Fahrzeuge, sondern um eine reine Betrachtung anhand des Vergaberechts gehe. Gleichzeitig betonte Dr. Maiman, dass der Ukraine-Krieg auch für die Vergabe von militärischen Systemen eine Zeitenwende eingeläutet habe: „Wir sehen schon, dass hier beachtliche Sicherheitsinteressen in die Waagschale geworfen werden“, sagte Dr. Maiman. „Es hat sich einiges geändert seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine.“

Diesen Punkt betonte auch Dr. Matthias Christ von der Kanzlei KDU Krist Deller & Partner, der vor Gericht die Seite der Antragsgegnerin (den Bund) vertritt. Die Bundeswehr brauche diese Technologie und aufgrund von Umständen, die in den vertraulichen und geheimen Dokumenten deutlich dargelegt seien, könne nur ein einziges Unternehmen diesen Bedarf decken. „Das heißt, dass wenn dies hier in einem Scherbenhaufen endet, dann ist es dennoch ausgeschlossen, dass Systeme der Antragsteller als Ersatz beschafft werden“, sagte Dr. Christ. „Es ist ausgeschlossen, dass eine andere Technik gewählt werden kann.“

Die Vergabe sei alles andere als Willkür oder Industriepolitik, sondern von sehr nachvollziehbaren Sachgründen geprägt gewesen. Auch der Anwalt der beigeordneten Partei (Rohde & Schwarz), Uwe-Carsten Völlink von der Kanzlei Heussen, führte als Beispiel für ein technisches Alleinstellungsmerkmal seines Mandanten die Wellenformen an, deren Wissen und Rechte alleine bei Rohde & Schwarz lägen. Dr. Christ schloss dementsprechend: „Es steht felsenfest, dass die Antragstellerin keinen Auftrag erhalten wird.“

Juristische Beurteilung

Doch im Kern des Verfahrens steht die Einschätzung, ob Artikel 346 AEUV greift oder nicht. Die Vergabekammer des Bundeskartellamts – deren Entscheidung heute angefochten wurde – sagte Nein, brachte dafür aber den Paragraphen 12 VSVgV als Grund für die Entscheidung zugunsten des Bundes und seiner Vergabe an Rohde & Schwarz an.

Die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Düsseldorf folgte heute allerdings nicht dieser Einschätzung, da ihrem Verständnis nach der Artikel 346 im Zentrum der Betrachtung stehen müsse und es sich bei einem militärisch genutzten Führungsfunksystem zudem eindeutig um Kriegsmaterial im Sinne des Gesetzes handele. Aufgrund dieser Betrachtung – und der Betonung durch die Vorsitzende Richterin, dass der Angriff Russlands auf die Ukraine sehr viel geändert habe – entstand zumindest heute der Eindruck, dass das Gericht zugunsten des Bundes und Rohde & Schwarz entscheiden wird. Doch der verhandelnde Senat des Oberlandesgerichts Düsseldorf – bestehend aus der Vorsitzenden Richterin Dr. Christiane Maiman, Richter Mark Gmelin und Richterin Dr. Astrid Hanspach – weiß natürlich um die Bedeutung ihrer womöglich richtungsweisenden Entscheidung und nimmt sich Zeit für den endgültigen Entschluss.

Das Urteil wird am 1. Dezember 2023 um 10.00 Uhr am Oberlandesgericht Düsseldorf verkündet.

Hintergrund:

Artikel 346 AEUV:

Jeder Mitgliedstaat kann die Maßnahmen ergreifen, die seines Erachtens für die Wahrung seiner wesentlichen Sicherheitsinteressen erforderlich sind, soweit sie die Erzeugung von Waffen, Munition und Kriegsmaterial oder den Handel damit betreffen.

Paragraph 12 VSVgV:

Ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb ist zulässig (…) wenn die Fristen (…) die für das nicht offene Verfahren und das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb vorgeschrieben sind, nicht eingehalten werden können, weil dringliche Gründe im Zusammenhang mit einer Krise es nicht zulassen; (…) wenn zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Abgabe von Angeboten der Auftrag wegen seiner technischen Besonderheiten oder aufgrund des Schutzes von Ausschließlichkeitsrechten wie zum Beispiel des Patent- oder Urheberrechts nur von einem bestimmten Unternehmen durchgeführt werden kann.

Dorothee Frank

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