W. L. Gore & Associates ist ein technologieorientiertes Unternehmen, das im Bereich von Militär und Polizei vor allem für Textiltechnologien bekannt ist. Gores Textiltechnologien basieren auf den dünnen, leichten und strapazierfähigen Membranen, auch als Gore-Tex Membrane bekannt. Auf der Enforce Tac 2024 zeigte das Unternehmen seine Technologien im Bereich Defence und Police. Wir sprachen auf der Messe mit Thomas M. Meyer, Key Account Manager bei der W. L. Gore & Associates GmbH.
Gore liefert für den militärischen Einsatz seit Jahrzehnten einen vielseitigen Schutz für den ganzen Körper der Einsatzkräfte, inklusive Bekleidung, Schuhen und Handschuhen. Das Unternehmen gibt an, dass seine Technologien auf maximalen Schutz bei extremen Bedingungen ausgelegt sind. Darüber hinaus werden Funktionsbekleidungen für Feuerwehrleute, Rettungsdienste, Polizei und private Sicherheitsdienste angeboten.
Welche Technologielösungen, und vor allem welche Neuheiten stellt Gore auf der Enforce Tac vor?
Thomas M. Meyer: Wir stellen Technologien für Kampfstiefel sowie Militärbekleidung vor. Die EXTRAGUARD Obermaterialtechnologie für Kampfstiefel vereint erstmals die Vorteile eines robusten Obermaterials mit denen von leichten, flexiblen und atmungsaktiven Textilien. Das Material ist im Trockenzustand 40 Prozent leichter als gleich starkes und trockenes Leder – und bleibt auch bei langanhaltender Nässe leicht und trocknet erheblich schneller.
Zudem zeigt Gore Bekleidungstechnologien für das Militär in einem modularen Konzept mit maßgeschneiderten Materialien für Klima- und Temperaturbereiche von -50 °C bis +50 °C. Wir präsentieren die GORE-TEX Stretch Technologie, eine Kombination aus robustem, atmungsaktivem Hardshell-Material und Stretch-Komponenten. Sie ist die erste Textiltechnologie für das Militär, die thermische Belastungen reduziert und gleichzeitig maximale Bewegungsfreiheit ermöglicht. Und militärischen Einsatzkräften, die der Gefahr von Stichflammen ausgesetzt sind, bietet die PYRAD Technologie Schutz vor kurzzeitiger Hitze und Flammen.
Hitze und Stichflammen waren in Einsätzen in Afghanistan aufgrund der IED-Anschläge ein großes Thema. Heute hat die Landes- und Bündnisverteidigung wieder Relevanz. Ist das Thema dennoch relevant?
Absolut. Der Krieg in der Ukraine zeigt uns sehr eindrücklich, dass neben dem ballistischen Schutz der Schutz vor Hitze und Flammen immer wichtiger wird. Dort sind die ukrainischen Streitkräfte massiv Artilleriefeuer ausgesetzt, was zu viel mehr Blast-Wirkungen als bei IED-Anschlägen führt. Und bei Brandbomben mit weißem Phosphor entstehen schwerste Brandverletzungen. Hier ist Bekleidung mit Schutz vor Hitze und Flammen überlebensnotwendig, und diesen Schutz bietet unsere PYRAD Technologie.
Auch die GORE-TEX Stretch Technologie wurde bereits vor ein paar Jahren im Hinblick auf die Bewegungsfreiheit von Polizeiuniformen vorgestellt. Wie sind die Erfahrungen der Einsatzkräfte und wo sehen Sie Einsatzoptionen im Bereich des Militärs?
Im Einsatz müssen Soldatinnen und Soldaten rennen, klettern, kriechen, schießen – bei jedem Wetter und oft auf beengtem Raum. Schutz vor Überhitzung bei gleichzeitig hoher Bewegungsfreiheit ist mit klassischen Lösungen jedoch nicht zu erreichen. Die GORE-TEX Stretch-Technologie bietet nun genau diese Kombination, indem die elastischen Komponenten des Stoffes geschützt zwischen einer dehnbaren ePTFE-Membran und dem robusten Oberflächenmaterial aus Polyamid integriert sind.
So entsteht ein Material mit bis zu 20 Prozent Elastizität, das sehr gut für Kleidung mit körpernahen Schnitten geeignet ist. Durch die engere Passform werden wiederum Luftkammern zwischen Körper und Kleidung reduziert und die Atmungsaktivität im Vergleich zu bisheriger militärischer Einsatzkleidung um bis zu 25 Prozent verbessert.
Die EXTRAGUARD Obermaterialtechnologie für militärische Kampfstiefel ist die Neuheit auf der Messe. Was unterscheidet die EXTRAGUARD Membran von den bisherigen Membranen für Schuhe?
Mit GORE-TEX EXTRAGUARD-bieten wir erstmals auch eine Obermaterialtechnologie im Schuhbereich an, also nicht nur eine Membrane im Inneren des Schuhs. Die neue Obermaterialtechnologie macht Stiefel sehr robust, dauerhaft wasserdicht, atmungsaktiv und flammhemmend. Sie besteht aus drei Lagen: einer hoch abriebfesten und flammhemmenden äußeren Schutzschicht, einer Funktionsschicht für physischen Schutz sowie einer Konstruktionsinnenlage mit geringer Wasseraufnahme.
Dieses Obermaterial wird mit dem innenliegenden, wasserdichten und atmungsaktiven GORE-TEX Bootie in den Stiefel integriert, den man aus GORE-TEX Schuhen kennt. Dieser innenliegende Bootie sorgt für dauerhafte Wasserdichtigkeit des Stiefels, wenn beispielsweise die wasserabweisende Imprägnierung abgenutzt oder das Obermaterial beschädigt sein sollte.
Sie sagen das diese Membran die Vorteile eines robusten Obermaterials mit denen von leichten, flexiblen und atmungsaktiven Textilien vereint. Erklären Sie uns die Technologie bitte einmal etwas näher, denn Membrane sind doch in der Regel im Schuhinneren und nicht auf der Außenseite verarbeitet, oder?
Richtig, im Schuh befinden sich zwei Membranen: Außen im Obermaterial und innen im Bootie. Sie bietet sozusagen einen doppelten Boden, wenn das Obermaterial beschädigt wird. So bleibt der Fuß dauerhaft trocken.
Die Lösung richtet sich vor allem an die Schuhbekleidung der Infanterie und Spezialkräfte. Mit Blick auf veränderte Einsatzräume wie die Arktis oder Nord-Ost-Europa, wie sind die Fähigkeitsforderungen des Militärs an Schuhlösungen, aber auch an die Oberbekleidung?
Unsere Soldatinnen und Soldaten werden zum Schutz der NATO-Ost- und Nordostflanke sowie der arktischen Regionen wieder vermehrt in kalten und nass-kalten Klimazonen operieren. Bei diesen extremen Klimaverhältnissen ist der Wetter- und Kälteschutz von Bekleidung und Schuhen ganz besonders wichtig. Die EXTRAGUARD Obermaterialtechnologie ist für diese Bedingungen prädestiniert, da die Stiefel auch in widrigsten Umgebungen leicht bleiben, kaum Wasser aufnehmen und schnell rücktrocknen.
Die Füße bleiben so dauerhaft trocken, es bilden sich keine Kältebrücken. Bei der Oberbekleidung gilt angesichts höchst unterschiedlichen Einsatzszenarien das Primat der Flexibilität: Bekleidungssysteme mit Schichten, die in unterschiedlichen Temperaturbereichen miteinander kombiniert werden können, von der Arktis bis zur Wüste. Mit der Nordic Combat Uniform hat die nordische Verteidigungskooperation NORDEFCO beispielsweise ein modernes, funktionelles und flexibles Kampfuniform-System beschafft, um die militärischen Anforderungen unter den anspruchsvollen klimatischen Bedingungen in Skandinavien zu erfüllen können. Hier ist Gore Entwicklungspartner und liefert Technologien.
Gibt es Unterschiede bei den Fähigkeitsforderungen der Ausrüstung, ob es sich um reguläre Truppen oder Spezialkräfte handelt?
Spezialkräfte bewältigen besonders anspruchsvolle Missionen, teilweise in extremen Klimazonen. Hier sind maximale Bewegungsfreiheit und thermischer Komfort missionskritisch. Zudem benötigen sie aufgrund der großen Bandbreite von Einsatzszenarien eine breitgefächerte Ausrüstung. Bei regulären Truppen gewinnt Bewegungsfreiheit zwar ebenfalls an Bedeutung, hier liegt das Hauptaugenmerk jedoch auf höchstmöglichem Schutz. Hinzu kommt, dass sich die Einsatzszenarien im Zuge der Zeitenwende deutlich verändern. Der Schutz vor Hitze und Flammen, aber auch vor Kälte und Nässe stehen angesichts der neuen Bedrohungslage bei allen Truppenteilen hoch auf der Agenda.
Welche Entwicklungen können wir mittel- oder langfristig im Bereich der Textilien erwarten?
Die neuen Materialien, beispielsweise unsere GORE-TEX Stretch Technologie, vereinen Schutz und Bewegungsfreiheit auf nicht gekanntem Niveau. Diese Entwicklung wird sich weiter fortsetzen. Zudem sind die Textiltechnologien nach wie vor langlebig und robust, was Bekleidung nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch nachhaltiger macht. Drittens werden immer mehr Funktionalitäten in Textilien vereint, beispielsweise beim Flammschutz. Und zuletzt gewinnt die Tarnfähigkeit als Reaktion auf immer ausgefeiltere Aufklärungstechnologien, beispielsweise durch Drohnen, weiterhin an Bedeutung.
Das Interview führte André Forkert
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