Abschreckung und Verteidigung – das ist der derzeitige Auftrag der Panzergrenadierbrigade 41 „Vorpommern“ in Litauen. Basierend auf einer binationalen Vereinbarung steht sie als Verstärkungsbrigade im Rahmen der sogenannten enhanced Vigilance Activities (eVA) der NATO an der Seite der litauischen Streitkräfte. Dazu betreibt die Brigade seit September vergangenen Jahres in Rukla einen dauerhaft stationierten, vorgeschobenen Gefechtsstand. Nun erfolgte abermals die Aktivierung und Verlegung eines Gefechtsverbandes der eVA-Brigade in die baltische Republik.
Aus der Ferne ist leises Motorbrummen zu vernehmen, das stetig lauter wird. Starkes Schneegestöber liegt über dem Truppenübungsplatz Pabradé, rund 60 Kilometer nordöstlich der litauischen Hauptstadt und nur wenige Kilometer von der Grenze zu Belarus entfernt und verwehrt für einige Minuten die Sicht. Dann klart es wieder auf und am Waldrand sind nun vier Schützenpanzer Marder zu erkennen. Sie gehören zum Gefechtsverband Jägerbataillon 413. Dieser setzt sich zusammen aus dem Jägerbataillon 413 als Kernelement, verstärkt durch einen Panzergrenadierzug mit Schützenpanzern Marder des Panzergrenadierbataillon 401 sowie Kräften des Versorgungsbataillons 142 aus Hagenow, Pionieren vom Panzerpionierbataillon 803 in Havelberg und Aufklärern des Aufklärungsbataillon 6 aus Eutin.
Bild 1: Der GTK Boxer in der Variante als Gruppentransportfahrzeug (GTFz) ist das Gefechtsfahrzeug des Jägerbataillon 413. Ein Jägerzug verfügt über vier GTFz, von denen jeweils zwei mit dem schweren MG und zwei mit der HK GMW 40mm bestückt sind.
Bild 2: Wappen der eVA-Brigade Litauen. Aufnäher auf der Uniform des Chief of Defence (CHoD) der Republik Litauen, Generalleutnant Valdemaras Rupšys.
Bild 3: Ein Panzergrenadierzug mit Schützenpanzer Marder 1A3 des Panzergrenadierbataillon 401 verstärkt das Jägerbataillon 413 in der Übung auf dem Truppenübungsplatz Pabradé.
Fotos: Carsten Vennemann
Angriff eines Jägerzugs, unterstützt durch Panzergrenadiere
Mit ihren Schützenpanzern unterstützen die Panzergrenadiere den Angriff eines Jägerzugs, der den Gegner aus anderer Richtung mit Gepanzerten Transportfahrzeugen Boxer angreift. Gemeinsam sollen sie gegnerische Kräfte bekämpfen und einen Geländeabschnitt für sich gewinnen. Zusätzliche Unterstützung erhalten sie von einem Mörserzug des Mechanisierten Infanteriebataillons „Großherzogin Biruté“ des litauischen Heeres.
Die Schützenpanzer Marder stoßen in aufgelockerter Formation weiter vor, bis das Spitzenfahrzeug auf eine Sperre aufläuft. Ausweichen unter Feuerkampf, neu ansetzen und den Gegner aus anderer Position erneut bekämpfen. Auch der Jägerzug hat den Feuerkampf aufgenommen. Minutenlang ist das Rattern der Maschinengewehre zu hören. Dann Stille! Der Gegner ist geschlagen, das Gelände genommen. Übungsziel erreicht!
Gefechtsübungen wie diese, aufmerksam vom litauischen Chief of Defence, Generalleutnant Valdemaras Rupšys beobachtet, sind jedoch nur eine Facette der Übung GRIFFIN LIGHTNING.
Nach Alarmierung schnell verlegen
GRIFFIN LIGHTNING besteht aus den Phasen Alarmierung, Verlegung, Ausbildung/Übung und der Rückverlegung nach Deutschland. Dabei liegt der Übungsschwerpunkt eindeutig auf der schnellen Verlegung, dem Deployment des Gefechtsverbandes nach Litauen. Das entspricht auch der Vorstellung des litauischen Chief of Defence. „Ich habe keinerlei Zweifel daran, dass die deutsche eVA-Brigade ihren Gefechtsauftrag erfüllen kann. Der wichtigste Punkt ist jedoch die Schnelligkeit der Verlegung. Daher sollte der Schwerpunkt der Ausbildung auf die Planung und Durchführung der Verlegung ausgerichtet sein“, so Generalleutnant Rupšys.
Verkehrsträgermix für den Transport nach Litauen
Vier Tage nach Alarmierung der German enhanced Vigilance Activity Brigade in Lithuania (DEU eVA Bde LTU) am 17. Februar begann die Verlegung des Gefechtsverbandes mit seinen rund 600 Soldaten und 200 Fahrzeugen aus den jeweiligen Standorten in Norddeutschland nach Litauen.
„Unter Nutzung des sogenannten Verkehrsträgermix haben wir dieses Mal im Schwerpunkt die Straßenverlegung über 1.220 Kilometer mit allen Radfahrzeugen durch Polen durchgeführt. Wir haben die Fähre für den Transport des Versorgungspaketes und der Kettenfahrzeuge genutzt und im Lufttransport das Personal von Deutschland nach Kaunas geflogen.“
Brigadegeneral Christian Nawrat, Kommandeur der Panzergrenadierbrigade 41 „Vorpommern“
Unter Friedensbedingungen und den damit verbundenen behördlichen Auflagen in Deutschland wie auch in Polen und Litauen, benötigten die Kräfte im Landmarsch vier Tage, um ihren Stationierungsraum auf dem Truppenübungsplatz Pabradé zu erreichen. „Insgesamt verlief die Verlegung recht schnell“, zeigt sich Nawrat zufrieden.
Bereits im Oktober letzten Jahres führte die eVA-Brigade mit FAST GRIFFIN die erste Übung in Litauen durch. Damals verlegte das Jägerbataillon 413 mit 200 Soldaten und 50 Fahrzeugen, darunter auch GTK Boxer, auf dem Seeweg über Kiel nach Klaipeda. Im Anschluss folgte eine zweiwöchige Übung mit litauischen Einheiten in Rukla.
Generalleutnant Valdemaras Rupšys, Chief of Defence der Republik Litauen, und Brigadegeneral Christian Nawrat, Kommandeur der Panzergrenadierbrigade 41 aus Neubrandenburg beim Pressestatement nach dem 3. Übungstag von Griffin Lightning auf der Training Area in Pabrade.
Fotos: Wibke Pfeiffer und Carsten Vennemann
Integration in nationale Verteidigungsplanung
Die Entscheidung zur Bereitstellung einer deutschen Brigade wurde im Juni letzten Jahres beim Treffen zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz und dem litauischen Präsidenten Gitanas Nausėda getroffen. Beide Staatsmänner erklärten gemeinsam, dass „Deutschland bereit ist, eine robuste und gefechtsbereite Brigade in Litauen anzuführen, zur Abschreckung und Verteidigung gegen russische Aggression. Diese Brigade, angeführt durch ein permanent disloziertes vorgeschobenes Element eines Brigadestabes in Litauen, wird aus deutschen Kampftruppen bestehen, die eigens diesem Zweck dienen und möglicherweise um multinationale Beiträge ergänzt werden; dadurch entsteht ein starker, zweckgebundener Kampfverband, der schnell disloziert und eingesetzt werden kann. Diese Truppen werden in ein intensives und umfassendes Übungsprogramm mit regionalem Schwerpunkt eingebunden, an dem auch die rotierenden Truppen und die litauischen Streitkräfte teilnehmen, um Interoperabilität, Geschlossenheit, Wirksamkeit im Einsatz und die Fähigkeit zur schnellen Verstärkung zu verbessern und zu gewährleisten“.
Das steht im Einklang mit den Beschlüssen des danach folgenden NATO-Gipfeltreffens in Madrid, auf dem sich die NATO ein neues strategisches Konzept gegeben hat. Mit dem auf dem Gipfel beschlossenen New Force Model (NFM) wird die NATO eine neue Struktur bilden, um schneller und effizienter reagieren zu können. Im Rahmen regionaler Zuordnungen werden im Voraus bestimmten Ländern und Territorien Verbände zugewiesen, die in ihren jeweiligen Heimatländern stationiert bleiben und bei Bedarf in ihr jeweiliges Gebiet verlegen, für dessen Schutz sie verantwortlich sind.
Der von Deutschland eingerichtete vorgeschobene Brigadegefechtsstand in Litauen ist ein Beispiel dafür, wie diese neue Verteidigungsstruktur funktionieren kann. Über das Forward Command Element, dem ständig präsenten vorgeschobenen Gefechtsstand, bringt sich die Brigade in die Operationsplanung zur litauischen Landesverteidigung ein. Eigene operative Planungen werden mit denen der NATO und Litauens abgestimmt. So ist sichergestellt, dass die eVA-Brigade in die nationale Verteidigungsplanung Litauens eingebunden ist, sie im Ernstfall einen sinnvollen Beitrag zur Verteidigung der baltischen Republik leisten kann.
Bis zum Jahresende in der Verantwortung
Die Panzergrenadierbrigade 41 „Vorpommern“ wird den Verpflichtungen als DEU eVA Bde LTU bis zum Jahresende nachkommen und Litauen als verlässlicher Partner im Rahmen der Landesverteidigung zur Seite stehen. In dieser Zeit wird es nicht nur weitere Übungen in Litauen geben. Auch der Planungsprozess sowie die Integration in die litauischen Streitkräfte und Verbesserung des gemeinsamen Ausbildungsstandes werden weiter vorangetrieben. Ab dem 1. Januar nächsten Jahres führt dann die Panzerbrigade 21 „Lipperland“ den Auftrag als eVA-Brigade auf Basis der bis dahin gewonnenen Erfahrungen und Ergebnisse in der Zusammenarbeit beider Länder fort.
Autor: Carsten Vennemann