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IDAS: Stärkung der Durchsetzungs- und Überlebensfähigkeit von U-Booten

Beim Thema IDAS (Interactive Defence and Attack system for Submarines) sieht alles nach einem Revival des Projektes aus. Aber de facto handelt es sich gar nicht um eine Reaktivierung. Denn IDAS wurde stetig entwickelt, es fehlte nur die öffentliche Aufmerksamkeit. Dies hat sich durch die Aufnahme in das „100 Milliarden Sondervermögen“ schlagartig geändert. An dieser Stelle soll beleuchtet werden, was der aktuelle Sachstand des Projektes ist und wie die Zukunft aussieht. In der Bundeswehr wird das System auch als Lenkflugkörpersystem See/Luft U211A (LFK Sys See/Luft U212A) bezeichnet. Die Auswahlentscheidung fand bereits Anfang 2019 statt.
Der IDAS-Effektor
Der IDAS-Effektor
Foto: Diehl Defence

IDAS ist ein Vorhaben des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw), basierend auf den Fähigkeitsforderungen der Deutschen Marine. Die Marine will mit IDAS einen mehrrollenfähigen Flugkörper entwickeln, der von einem getauchten U-Boot aus gegen eine Vielzahl von Zielen und Bedrohungen eingesetzt werden kann. Hauptaufgabe ist die Verteidigungsfähigkeit/Bekämpfung von Hubschraubern, die mit Tauchsonaren (Dip-Sonaren) zur U-Boot-Jagd (ASW) eingesetzt werden. Dabei kann der IDAS-Effektor auch präzise gegen Drohnen, See- und Landziele – wie Boote und kleine Schiffe sowie küstennahe Landziele – wirken. Die Reichweite soll bei rund 20 km liegen.

Die Marine schreibt in ihrem Internetauftritt zu IDAS: „Ziel dieses rein nationalen Projekts ist nunmehr die Integration eines vom U-Boot zu startenden Lenkflugkörper-Systems, das die Besatzung im getauchten Zustand zur Selbstverteidigung gegen U-Jagd-Hubschrauber befähigen soll. Die Kernfähigkeiten dieses neuartigen Systems sind die Unterwasserstartfähigkeit des Flugkörpers und dessen interaktive Kontrolle und Steuerung während des gesamten Flugs durch den Bediener. Dazu besteht auch während des Fluges über einen Lichtwellenleiter eine Datenverbindung zwischen Lenkflugkörper (LFK) und U-Boot. Die Identifikation des angreifenden Hubschraubers erfolgt durch das Sonar des U-Boots. Anschließend werden die Zieldaten auf der Lage- und Bedienkonsole dargestellt. […] Die Zielbekämpfung erfolgt am Ende des Einsatzes durch Auslösen des Gefechtskopfs mit entsprechender Splitterwirkung.“ Ziele können dank des passiven Infrarotsuchkopfes zudem auch autonom bekämpft, bzw. ein Zielwechsel- oder Missionsabbruch durchgeführt werden. Die Technologie dazu kommt komplett aus dem Hause Diehl, dabei greift der Hersteller auf bereits im Einsatz befindlichen Technologien – IRIS-T SL/SLM zurück. Für IDAS hat das Unternehmen einen speziellen Gefechtskopf entwickelt, der auch gegen leicht gepanzerte Luftfahrzeuge optimiert ist. Zudem muss das U-Boot zum IDAS-Einsatz weder auftauchen, noch seine Masten mit Sensoren an die Wasseroberfläche bringen, was das Risiko einer gegnerischen Aufklärung erhöht. Das U-Boot kann beim Einsatz deutlich unterhalb der Sehrohrtiefe bleiben.

Sachstand des Projektes

Beim IDAS-Flugkörper handelt es sich ein komplett neues Technologiefeld. Auch deshalb wird dieses Konzept als revolutionär eingestuft. Er muss können:

  • Reichweite über 15km
  • Ausstoß aus einem getauchten U-Boot unterhalb Periskoptiefe und über das Torpedorohr
  • Fortbewegung (Flug) unter Wasser
  • Interaktive Kommunikation zwischen Effektor und Operator über die gesamte Flugzeit
  • Durchstoßen der Wasseroberfläche
  • Fortbewegung in der Luft
  • Nutzung der vorhandenen Torpedotransport- und Stauhardware an Bord
  • Tiefe Integration in Uboot-Neubauprojekten, ebenso wie flache Integration in bereits in Dienst gestellte Uboote möglich
  • Einsatz gegen Luftziele sowie andere Objekte zu See und Land

Die hierfür benötigten Technologien mussten erst einmal im Rahmen von Forschung & Technologie (F&T) entwickelt und bewertet werden. Das BAAINBw hat dazu die beiden Firmen Diehl Defence und ThyssenKrupp Marine Systems (tkMS) über F&T-Studien beauftragt, diese Technologien über mehrere Jahre zu erarbeiten. Dabei sind neben den Finanzmitteln des öffentlichen Auftraggebers auch erhebliche Eigenmittel der beiden Industriepartner in das Projekt geflossen.

Im Grundsatz bedeutet dies, die jeweiligen Einzeltechnologien mussten in einem soweit fortschrittlichen Maße vorangetrieben werden, dass sie zum einen beherrschbar und zum anderen sofort in eine risikominimierte Entwicklung überführbar sind. Dies wurde in den vergangenen Jahren umgesetzt. Bis Ende 2023 wird jetzt eine letzte und umfangreiche F&T-Studie abgeschlossen. Diese soll die letzten technologischen Herausforderungen in der Vorphase der Entwicklung bewerten und mögliche Lösungsansätze erarbeiten. Danach kann die volle (Serien-)Entwicklung und Qualifikation eingestiegen werden.

IDAS befindet sich genau in dieser Phase, die Ende 2023 dann die F&T-Phase abschließt. Die Planung sieht die unmittelbare (volle) Entwicklung ab Anfang 2024 vor. Und genau diese anstehende Entwicklungs- und Qualifikationsphase von IDAS wurde im Sondervermögen eingeplant. Dies führte zur aktuellen und erneuten Aufmerksamkeit des Projektes.

Unterschiedliche Aussagen gibt es zum Stand der Finanzierung der anstehenden Phase. Aus gut unterrichteten Kreisen ist zu hören, dass IDAS in der Erstfassung des Sondervermögens als Projekt mit Finanzierungszusage gelistet war. Nach der Anpassung ist IDAS immer noch Bestandteil des Sondervermögens, aber ohne die Finanzierungszusage. Diese soll erst im Rahmen der Vertragsverhandlungen über die Entwicklungs- und Qualifikationsphase zeitnah erfolgen. Aktuell läuft die Phase Angebotsaufforderung. Danach kann die Beauftragung durch das BAAINBw und damit die Entwicklung erfolgen.

Konkret heißt das, alle notwendigen, technologischen Anteile von IDAS sind bereits erarbeitet. Im Einzelnen werden beherrscht:

  • Die Beladung des Flugkörpers in ein Ausstoßgerät und die Beladung eines Ausstoßgerätes an Bord eines Ubootes
  • Die Kommunikation mit dem Flugkörper von einem Bediengerät an Bord
  • Der Ausstoß eines Flugkörpers
  • Der Flug eines Flugkörpers sowohl unter Wasser, beim Durchbrechen der Wasseroberfläche als auch durch die Luft
  • Diese Fähigkeiten konnten in mehreren vorangegangenen Studien bereits demonstriert werden. Als nächstes folgt die klassische Entwicklung und die Durchführung der Qualifizierung, die diese Technologien in ein Gesamtsystem zusammenführen, die Nutzung in der vollen Umweltumgebung nachweisen und sie für die operative Verwendung durch die Deutsche Marine nutzbar machen.

    Jetzt folgt die klassische Entwicklung, die diese Technologien in ein Gesamtsystem zusammenführen, und die Nutzung in der vollen Umweltumgebung nachweisen und qualifizieren. Dabei spielen Themen eine Rolle wie Lagerung unter Wasser (im U-Boot und Torpedorohr) ohne Korrosion, Aushalten des Drucks unter Wasser sowie Nachweis der durchgängigen Übertragung des Infrarot-Sucherbildes über den Lichtwellenleiter zwischen Flugkörper und U-Boot. So muss der Flugkörper lange Zeit auch im gefluteten oder (wieder) entwässerten Torpedorohr – immerhin eine feuchte Salzwasserumgebung – funktionsfähig gelagert werden können, ohne Schaden zu nehmen. Hinzu kommt noch die schlagartige Beschleunigung des Flugkörpers in der Luft zur Stabilisierung der Fluglage, und nicht zuletzt, das genaue Treffen des Luftziels. Und das unter allen Umwelt- und Vibrationsbedingungen. Auch muss die geforderte Lebensdauer des Flugkörpers nachgewiesen werden.

    Zukünftige Nutzung

    IDAS wird in Zukunft grundsätzlich von allen U-Booten mit einem Torpedorohr im Kaliber 533 mm aus eingesetzt werden. Die offene Frage ist, inwieweit kann/soll IDAS in das U-Boot und sein Führungs- und Waffeneinsatzsysteme (FüWES) integriert werden? Alternativ kann es auch als Stand-Alone Lösung genutzt werden. Vorgesehen ist zunächst die Integration/Verwendung in den U-Boot-Flotten der Deutschen Marine sowie des Herstellers tkMS. Hier natürlich besonders im Hinblick auf das Projekt U212 Common Design (CD), wobei davon auszugehen ist, dass eine vollumfängliche Integration vorgesehen ist. Dabei ist die volle Integration vorgesehen. Da es sich bei U212CD um ein deutsch-norwegisches Projekt handelt, könnte Norwegen auch für IDAS der erste Exportkunde sein. Bereits 2016 wurde IDAS bei Tests vom norwegischen U-Boot HNoMS UREDD ausgestoßen. Das IDAS-System wird für die weltweite Vermarktung der tkMS-U-Boote eine hohe Bedeutung haben, da es sich um ein absolutes Alleinstellungsmerkmal handelt. Erstmalig überhaupt können sich U-Boote dank des Systems gegen Bedrohungen aus der Luft schützen und wehren.

    In einem Ausstoßgerät können mehrere Lenkflugkörper aufgenommen werden, wobei diese sowohl neben- als auch hintereinander gelagert sind. Der Lenkflugkörper hat eine Länge von 2.800 mm bei einem Durchmesser von 180 mm. Das Gewicht liegt bei über 100 kg. Der Raketenantrieb kann den Effektor auf über 200 m/s beschleunigen.

Beladen des U33 für Teste. Gut zu erkennen sind das IDAS-Ausstoßgerät sowie die Lagerung der vier Effektoren je Container neben- bzw. hintereinander.
Beladen des U33 für Teste. Gut zu erkennen sind das IDAS-Ausstoßgerät sowie die Lagerung der vier Effektoren je Container neben- bzw. hintereinander.
Foto: tkMS
  • Zu Beginn des Projektes wurden bereits Gespräche über mögliche Kooperationen mit weiteren Industriepartner – unter anderem Kongsberg – oder Staaten geführt. Am Ende entschied man sich aber für ein rein nationales Projekt. Damit lagen die Festlegung der Fähigkeitsforderungen und Entscheidungen ausschließlich in einer Hand. Dies sollte auch Verzögerungen verhindern. Dieses Vorgehen schließt aber natürlich einen Export nach Abschluss des Projektes und Belieferung des Erstnutzers Deutschland nicht aus.

    Obwohl ein rein deutsches Projekt, stammt der zweistufige Feststoffantrieb des Flugkörpers von NAMMO aus Norwegen. NAMMO fungiert hier jedoch rein als Unterauftragnehmer und liefert nur die Triebwerkstechnologie zu.

    Die Entwicklung und Qualifikation soll Anfang 2024 beginnen, und bis 2031 abgeschlossen sein. Im Anschluss wäre eine Nutzung ab 2030 möglich. Immer unter der Voraussetzung einer verzugslosen und zeitgerechten Beauftragung sowohl der Phase Entwicklung, Integration und später dann auch Beschaffung. Dazu müssten die entsprechenden Verhandlungen für den Entwicklungsvertrag zeitnah zwischen dem Konsortium und dem öffentlichen Auftraggeber beginnen, mit einer entsprechenden 25-Millionen-Vorlage im deutschen Bundestag in der ersten Jahreshälfte 2024. Erst danach kann der Vertragsabschluss und der Start der nächsten Phase beginnen.

Grafische Darstellung des operativen Konzeptes von IDAS. (Grafik: tkMS)
Grafische Darstellung des operativen Konzeptes von IDAS.
Grafik: tkMS

Andre Forkert

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