Es klingt wenig spektakulär, was in diesen Tagen unter dem Stichwort Digitalisierung Landbasierte Operationen (D-LBO) durch den Haushaltsausschuss geht. Dennoch ist die Umrüstung der Fahrzeuge inklusive der Adapterplatte im Grunde das wichtigste Vorhaben, der bisherige Show-Stopper und das unrühmlichste Kapitel in Bezug auf die Digitalisierung des deutschen Heeres. Und es ist ein Beispiel, wie wenige Bedenkenträger eine so enorm wichtige Fähigkeit verhindern konnten – aus Angst vor dem Scheitern.
Wenn die Umrüstung der Fahrzeuge des Heeres auf D-LBO nicht funktioniert, wenn die Systeme zu lange stehen, wenn die einzelnen Elemente sich gegenseitig stören, dann gibt es kein wirkliches Heer mehr. Dann stehen die Hälfte der Waffensysteme. Dann ist von Kampfkraft nicht mehr zu reden. Diese Angst trieb seltsame Blüten.
Startschuss zur Digitalisierung der Landstreitkräfte
Am 6. Dezember 2018 gab der damalige Inspekteur Heer, General a.D. Jörg Vollmer, an der Offizierschule des Heeres in Dresden den Startschuss zur Digitalisierung der Landstreitkräfte. Es wurde eine Abteilung D-LBO im Kommando Heer eingerichtet, unter deren Federführung Versuche zur Integration der Funkgeräte und Kommunikationsmittel in bestehende Fahrzeugplattformen stattfand. Mit viel Ingenieurskunst und Pragmatismus seitens der Heeressoldaten. Der Erfolg dieser Vernetzung sprach für sich, das Ergebnis ging als D-LBO basic in das Rennen um die Beschaffung.
Und dann passierte es. Der erfolgreiche Einbau darf so nicht sein, nicht für das deutsche Heer. Statt einer Beschaffung begann das Kapitel der Adapterplatte, das sich seitdem – gemeinsam mit dem eigens für die Bundeswehr entwickelten Tactical Core – über mehrere Jahre zieht. Allerdings nur für das Heer. Der Sanitätsdienst durfte bereits D-LBO basic inklusive Grundplatte einbauen und fuhr mit einem solchermaßen digitalisierten beweglichen Arzttrupp – einem Eagle 6×6 von General Dynamics European Land Systems (GDELS) – in diesem Jahr auf der Berliner Luftfahrtausstellung ILA.
Über 13.000 Plattformen erhalten D-LBO
„Die Integration D-LBO basic in die vorgesehenen rund 200 Plattformtypen und rund 13.000 Plattformen umfasst vom gewöhnlichen Unterstützungsfahrzeug bis zum Kampfpanzer LEOPARD 2 eine Plattformflotte, für die kein standardisiertes, einfaches „Plug and Play Prinzip“ anwendbar ist“, beschrieb das BMVg im Oktober 2023 in seinem Bericht zum Rüstungsprogramm Digitalisierung Landbasierter Operationen (D-LBO).
Das Verteidigungsministerium äußerte in dem Bericht selbstkritisch: „Dies erfordert Musterintegrationen für alle Plattformtypen durch die Industrie. Erst nach Abschluss der Musterintegrationen wird der Gesamtaufwand feststehen. Diese Komplexität war erkannt, wurde jedoch unterschätzt, auch weil die Abstimmung aller beteiligten Akteure (BMVg, Bundeswehr und Industrie) nicht ausreichend war und nicht alle
Beteiligten das gleiche Lagebild haben. Die bisherige Einbettung des Projektes in die Aufbauorganisation der Bundeswehr war nicht ausreichend. Die übergreifende Koordination und Kommunikation der betroffenen Stellen und Bereiche erfolgte nicht im erforderlichen Umfang.“
Der lange Weg zum Ziel
Den weiteren langen Weg von D-LBO zeigt das BMVg in seinem Bericht ebenfalls auf: „Für die Realisierung der Ausstattungsvariante D-LBO basic sind Musterintegrationen der Führungsfunkgeräte in rund 200 verschiedene Plattformtypen notwendig. Sie bilden die Voraussetzung für die Serienintegration.“
Auch den Bedenken wird auf diesem langen Weg Rechnung getragen, wie aus den Zeilen des Verteidigungsministeriums zu lesen ist: „Eine Musterintegration ist die prototypische Realisierung einer Modifikation an einem Musterstück. Im Zuge der Musterintegration wird eine Bauanleitung für die Umrüstung der Serie erarbeitet. Dies schließt das Erstellen der hierfür erforderlichen Dokumentation ein. Zudem ist nachzuweisen, dass die originären Funktionalitäten (wie z.B. die Schutzwirkung von gepanzerten Plattformen) und die Betriebssicherheit des Wehrmaterials erhalten bleiben (z.B. die elektromagnetische Verträglichkeit in der Wechselwirkung mit der Waffenanlage und sonstiger Elektronik). Im Zuge der Musterintegration auftretende technische Probleme werden bewertet, ein Lösungsansatz wird festgelegt. Die Musterintegration muss durch die Industrie erfolgen, da nur hier das Know-how zum technischen Design und zu den Wechselwirkungen mit anderen eingebauten Systemen vorliegt.“
ARGE D-LBO
Hierfür gründeten KMW (mittlerweile KNDS Deutschland) und Rheinmetall die ARGE D-LBO. Diese unterstützt die Bundeswehr bei der Integration der Funksysteme in die Fahrzeuge. Und deren endgültiges Angebot wird jetzt im Haushaltsausschuss behandelt.
Da es im Grunde keine wirklichen Alternativen gibt – schließlich müsste auch jedes andere Funkgerät den Berg der eingangs erwähnten Bedenken überwinden – ist mit einer Zustimmung durch die Parlamentarier zu rechnen. Damit die Digitalisierung des Heeres endlich flächendeckend gelingt. Schließlich beweist die Ukraine in ihrem Freiheitskampf jeden Tag, wie wichtig eine mobile, durchgängige Führungsfähigkeit ist. Und doch hat D-LBO bisher deutlich weniger Schwung aufgenommen als viele andere Projekte. Es muss einfach zu perfekt, zu sicher und zu umfassend sein.
Zeitplan für die Digitalisierung
Das aktuelle Ziel ist weiterhin, dass die Division 2025 als erster Verband des Heeres D-LBO besitzt. Viel Zeit bleibt dafür nicht mehr. „Die Musterintegrationen haben je nach Plattformtyp einen Zeitbedarf zwischen 6 und 18 Monaten“, benannte das BMVg den notwendigen Zeitansatz in seinem Rüstungsbericht.
„Der Gesamtvertrag mit der ARGE D-LBO zur Muster- und Serienintegration über alle 13.000 Plattformen sollte möglichst bis Ende 2023 abgeschlossen werden. In der Folge sollten im Laufe des Jahres 2024 bis in das Jahr 2025 hinein (je nach plattformindividuellem Integrationsaufwand) die Musterintegrationen für alle rund 200 Plattformtypen erfolgen. Hieran sollten sich schrittweise die Serienintegrationen mit Beginn des Jahres 2025 anschließen. Die Zeitdauer für die Umrüstung der Masse der Plattformflotten über die rund 13.000 Plattformen war bis zum Jahr 2030 vorgesehen“, berichtet das Verteidigungsministerium. „Nachdem die Bereitstellung einer Division der Landstreitkräfte einschließlich entsprechender unterstützender Fähigkeiten aus anderen militärischen Organisationsbereichen von 2027 auf 2025 vorgezogen worden war, wurden die Zeitlinien so gestrafft, dass möglichst viele Truppenteile dieser Division im Jahr 2025 umgerüstet verfügbar sind.“
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