Die ersten Schuhersteller nutzen das Material bereits und stellten zur Enforce Tac 2025 die ersten Kampfstiefel vor. Wir sprachen zur Einführung mit Martin Pfister, Produktspezialist Defense Footwear und Projektleiter bei W. L. Gore & Associates GmbH.

Herr Pfister, Gore möchte mit dem EXTRAGUARD Obermaterial eine Revolution auf den Markt bringen, worin sehen Sie die Revolution?

Mit GORE-TEX EXTRAGUARD für Kampfstiefel bieten wir erstmals eine Obermaterialtechnologie im Schuhbereich an – also nicht nur ein wasserdichtes Laminat für das Innere des Schuhs. Die neue Technologie für Schaftmaterialien macht Stiefel leicht und sorgt für eine niedrige Wasseraufnahme. Stiefel bleiben so auch bei extremer Nässe und im Dauereinsatz leicht. Die EXTRAGUARD Technologie ist hoch atmungsaktiv und flammhemmend.

Sie besteht aus einem mehrlagigen Faserverbundwerkstoff. Er ist aufgebaut aus einer hoch abriebfesten und flammhemmenden äußeren Schutzschicht, einer Funktionsschicht für mechanischen Schutz sowie einer Konstruktionsinnenlage mit geringer Wasseraufnahme. Dieses Obermaterial wird mit dem innenliegenden, wasserdichten und atmungsaktiven GORE-TEX Bootie im Stiefel kombiniert.

Viele Kampfstiefel sind heute aus einem Leder- und Textilmix, um sie leichter zu gestalten. Was spare ich bei der EXTRAGUARD Obermaterialtechnologie an Gewicht gegenüber einem klassischen Lederstiefel ein?

Die EXTRAGUARD Obermaterialtechnologie für Kampfstiefel verbindet erstmals die Vorteile eines robusten Obermaterials mit denen eines leichten, flexiblen und atmungsaktiven Textils. Das Material ist im trockenen Zustand 40 Prozent leichter als gleich starkes und trockenes Leder – und bleibt auch bei langanhaltender Nässe leicht und trocknet deutlich schneller. Außerdem können mit EXTRAGUARD hochatmungsaktive Stiefel mit weniger Nähten und damit verbesserter Haltbarkeit hergestellt werden.

Leder mit textilen Verstärkungen z. B. aus Cordura ist zwar leichter als das vom spezifischen Gewicht her schwerere Leder, aber die zusätzlichen textilen Fenster bedeuten mehr Nähte und damit Schwachstellen am Stiefel. Mit zunehmender Produktlebensdauer nutzt sich aber auch die wasserabweisende Imprägnierung der Leder-Textilkombination ab und das Obermaterial wird immer schwerer, je länger die Stiefel der Nässe ausgesetzt sind. Die Rücktrocknung dauert dann oft viele Stunden. Müssen die Stiefel in nassem Zustand wieder getragen werden, kann das dem Körper Wärme entziehen – kalte Füße sind die Folge.

Die EXTRAGUARD Technologie ist ein neues, industrielles Obermaterial mit mehreren Schichten. Wie ist dieses Material genau aufgebaut?

Das EXTRAGUARD Material ist ein mehrlagiger Verbundwerkstoff. Im Laschen- und Zungenbereich, in welchem ein dünneres, geschmeidigeres Material gefordert ist, werden für den Schaft drei Lagen, für das Quartier vier Lagen verwendet. Die äußerste Lage ist dabei immer eine hoch abriebfeste Polyamid-Mikrofaser.

In Bereichen, in denen eine hohe Durchstossfestigkeit und Stabilität gefordert ist, wird zusätzlich eine robuste Verstärkungsschicht aus Hochleistungsvliesstoff eingearbeitet. Je nach Anforderung hinsichtlich Stabilität und Einsatzspektrum kann deren Dicke variieren. Auf der Innenseite kommt eine wasserabweisende Funktionslage mit einem Schutzgitter zum Einsatz.

Ihr Material soll deutlich weniger Wasser aufnehmen und schneller wieder durchtrocknen als ein Stiefel aus Leder oder einem Leder-/Textilmix. Wie funktioniert das und welche Vorteile für Soldaten sehen Sie darin?

Die Nahtversiegelung des Obermaterials nach außen verhindert das Eindringen von Feuchtigkeit durch die Nähte in Schuh und Zwischenräume. Dadurch bleiben auch die verwendeten Verstärkungsmaterialien oder Polsterschäume zwischen Obermaterial und Futter trocken. Weniger Wasser im System bedeutet automatisch eine schnellere Rücktrocknung. Die Schuhe sind somit schneller wieder einsatzbereit.

Der innenliegende Bootie sorgt zudem für die dauerhafte Wasserdichtigkeit des Stiefels – eben auch dann, wenn beispielsweise die wasserabweisende Imprägnierung abgenutzt oder das Obermaterial mit der Zeit beschädigt sein sollte. Die bewährten GORE-TEX Laminate sind durch den Einsatz von schnelltrocknenden Kunstfasern wie Polyester auch auf schnellste Rücktrocknung ausgelegt.

Durch die Atmungsaktivität kann gleichzeitig Schwitzfeuchtigkeit nach außen abgegeben werden. Da sich so weniger Feuchtigkeit im Gesamtsystem befindet, wird auch die Wärmeableitung reduziert und die Füße bleiben länger warm, ohne dass voluminöse und schwere Isolationsschichten eingebaut werden müssen. Insgesamt bleiben die Füße so auch bei Nässe und Kälte trocken und warm.

Heute nutzen viele Streitkräfte universelle oder multifunktionale Kampfstiefel, die für alle Klima- und Wetterbedingungen sowie Geländeherausforderungen geeignet sind. Trifft das auch auf Stiefel mit der EXTRAGUARD Obermaterialtechnologie zu?

Absolut: Wir haben Tragetests in Bereichen von -30°C bis +30°C durchgeführt und je nach Stiefelspezifikation und Ausführung lässt sich festhalten, dass sich EXTRAGUARD in allen Bereichen bewährt hat. Sogar in Temperaturbereichen unter -40°C wurden robustere Ausführungen getestet. Derzeit denken wir auch darüber nach, wie das Material auch in Wüstenstiefeln für heiße und trockene Einsatzgebiete zum Einsatz kommen kann.

Müssen Stiefel mit EXTRAGUARD Material eingelaufen werden?

Die Antwort ist ein ganz klares Nein: Nach zahlreichen Tragetest durch unterschiedliche Militäreinheiten haben wir stets das Feedback „instant fit“ erhalten – sprich: Der Stiefel passt vom ersten Tragemoment an und muss nicht eingelaufen werden, um beispielsweise weicher zu werden. Gleichzeitig ergaben weitere Langzeittragetests, dass das Material über die Zeit weder an Passform noch an Dimensionsstabilität verliert.

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