Aktuell verfügt die Bundeswehr noch nicht einmal über 50 radbasierte Lösungen. Vom Geschützten Berge-/Kranfahrzeug (GeschBKF) bestellte die Bundeswehr im Juni 2017 insgesamt 33 Stück bei Liebherr. Dieses Fahrzeug kann bis zu 40 Tonnen ungebremste Abschlepplast transportieren. Mit dem Teleskoparm ist allerdings kein Aufrichten eines umgestürzten Fahrzeugs möglich.
Das ebenfalls vorhandene Bergefahrzeug Bison kann den Transport von bis zu zehn Tonnen Last leisten, doch auch davon besitzt die Bundeswehr nur 12 Stück. Der Bergepanzer 3 Büffel ist wiederum auf Kette, könnte also nicht die notwendige Mobilität der Mittleren Kräfte leisten.
Es existieren also für die Mittleren Kräfte im Grunde nur die 33 Geschützten Berge-/Kranfahrzeuge (GeschBKF) und die 12 Bison, um die auch vom Inspekteur Heer geforderte Mobilität auf dem Gefechtsfeld mittragen zu können.
Bergefahrzeug auf Boxer-Basis von FFG
Die Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft (FFG) stellte im Jahr 2019 einen Boxer mit Bergemodul vor, womit der Boxer wieder einmal seine Flexibilität bewies. Schließlich ist das Hauptmerkmal des Boxers das einheitliche Fahrmodul, auf das unterschiedliche Missionsmodule aufgesetzt werden, wodurch er vom Radschützenpanzer über Artillerie bis zum Verwundetentransporter oder wie hier als Bergefahrzeuge alles abbilden kann.
Gleichzeitig ist der Boxer überaus performant. So erprobten die britischen Streitkräfte die Fähigkeiten des Boxers auf ihrem Testgelände. Dort überquerte er Gräben von bis zu 2,20 Metern und war zudem das allererste Fahrzeug, das jemals das senkrechte Hindernis von einem Meter überwinden konnte. All diese Vorteile für ein Bergefahrzeug zu nutzen, das dank Boxer-Basis perfekt in die Mittleren Kräfte passen würde, war also das Ziel der Entwicklung von FFG.
Einen Wehrmutstropfen gibt es allerdings: Der Bergeboxer könnte viel bergen, nur keine Boxer.
Bergung nur mit Abschleppvorrichtung
Der Boxer Bergemodul ist im Grunde ein Kompromiss der erforderlich wurde, da der Boxer für die Anforderungen eines Bergefahrzeugs nicht optimal ist. Die Seilwinde kann nur 200 kN ziehen, was in vielen, wenn nicht den meisten Fällen für das Bergen eines anderen Boxers nicht ausreichend sein wird. Schwere Bergevorgänge, die bei einem Boxer Zugkräfte von 500 oder 600 kN – teilweise sogar mehr – erreichen können, sind damit nicht möglich.
Auch etwas anspruchsvollere Bergevorgänge mit 300 oder 400 kN Zugkraft wären nur im doppelten Zug möglich, was aber die nutzbare Seillänge auf 30 Meter reduzieren würde.
Der integrierte Kran des Bergeboxers kann hierbei keine wesentliche Unterstützung leisten.
Das größte Manko beim Boxer Bergemodul ist allerdings, dass Fahrzeuge, die z.B. durch Schäden an den ersten beiden Achsen angehoben abtransportiert werden müssen, durch den Bergeboxer nicht transportiert werden können. Eine Hub-Abschleppvorrichtung ist aufgrund der zulässigen Achslasten nicht möglich.
Die Hubkraft des Kranes ist vielmehr mit ihren 20 Tonnen im Nahbereich dafür ausgelegt, ein Boxer-Modul zu heben und somit den Wechsel der Rollen des Boxer vor Ort zu ermöglich, so denn die Nation mehr Missionsmodule als Fahrzeugplattformen besitzt.
Bergefahrzeug auf Lkw-Basis von Rheinmetall
Eine andere Möglichkeit zur Unterstützung der Mittleren Kräfte wäre eine Bergelösung auf Lkw. Bei den Recovery Days präsentierte Rheinmetall ein solches Bergefahrzeug auf HX-Basis. Dieses würde zwar nicht die Verbindung bei Wartung und Ersatzteilen zu den anderen Boxern besitzen, dafür befinden sich aber insgesamt aktuell über 14.000 HX- und TG-Lkw von Rheinmetall unter Vertrag für die Bundeswehr. Weitere Nutzer des HX sind in Europa u.a. Österreich, Dänemark, Großbritannien, Norwegen und Schweden. Die Vorteile großer Stückzahlen blieben also erhalten.
Der HX Recovery bewies dann auch bei den verschiedenen Vorführungen in Wien seine Fähigkeiten (wir berichteten). Den Lkw gibt es mit geschützter und ungeschützter Kabine, die vom Nutzer sogar vor Ort getauscht werden können.
Der 540 PS Motor sorgt für die notwendige Power, ebenso wie die Rotzler-Winden in Verbindung mit dem Miller-Kran. Der HX Recovery war mit dieser Ausstattung sogar in der Lage, bei den Erprobungen durch Kanada einen 18 Tonnen Container, oder Boxer Module zu heben.
Weitere zusätzliche Fähigkeit des HX Recovery sind das Aufrichten und das Abschleppen von Fahrzeugen bis zu einem Gewicht über 40 Tonnen, beides wurde bei den Recovery Days eindrucksvoll und mit hoher Geschwindigkeit demonstriert.
Die Performance des Recovery-HX liegt also, zumindest im Bereich der Hauptanforderungen an ein Bergefahrzeug, deutlich über der eines Bergeboxer, und das zu einem Bruchteil des Preises, den die Bundeswehr für die Boxer-Variante ausgeben müsste. Das Gesamtsystem ist bereits in Streitkräften erprobt. So ist es in der 8×8 Variante bereits in Dänemark. Neuseeland und Singapur im Einsatz, in der 10×10 Variante in Australien und Norwegen.
Technische Daten des Boxer mit Bergemodul
Länge: 7,1 m
Breite: 3 m
Höhe: 2,45 m (ohne Waffenstation)
Gesamtgewicht: 38 t
Hubkraft (Kranarm): 20 t
Länge (Kranarm): 5,30 m
Max. Hubhöhe (Kranarm): 6,20 m
Zugkraft (Winde): 200 kN
Seillänge (Winde): 60 m
Technische Daten des HX Heavy Recovery 8×8
Länge: 10,9 m
Breite: 2,5 m
Höhe: 3,5 m
Gesamtgewicht: 38 t (ungeschützt), 41 t (geschützt)
Hubkraft (Kranarm): 18 t
Länge (Kranarm): 10 m
Max. Hubhöhe (Kranarm): 4,7 m
Zugkraft (Winde): 300 kN
Seillänge (Winde): 103 m
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