Die Reserve im Wandel der Sicherheitspolitik

Der Bedarf an grundlegenden Veränderungen im Verteidigungsbereich wird immer offenkundiger. Angesichts der zunehmend dynamischen Entwicklungen in sicherheitspolitischen Herausforderungen wird die Bundeswehr in den kommenden Jahren eine höhere Flexibilität und Reaktionsfähigkeit benötigen. Dies betrifft das gesamte Einsatzspektrum, wodurch die Reserve eine wichtige Rolle bei der Unterstützung und Ergänzung der aktiven Truppen in verschiedenen Einsatzbereichen einnimmt.
Die Ausbildung der Reserve ist von großer Bedeutung.
Die Ausbildung der Reserve ist von großer Bedeutung.
Foto: Bundeswehr / Haiko Hertes

„Die Rückbesinnung Deutschlands auf die Landes- und Bündnisverteidigung infolge der veränderten sicherheits- politischen Lage erfordert eine motivierte, fortlaufend ausgebildete und in die Truppe integrierte Reserve“, ist im diesjährigen Bericht der Wehrbeauftragten zu lesen. „Sie bildet somit einen unverzichtbaren Pfeiler der Bundeswehr und gewährleistet im Ernstfall einen schnellen und bedarfsgerechten Aufwuchs der Streitkräfte.“ Doch dies wird sich mit der absehbar neuen Struktur der Bundeswehr ändern.

Aktuelle Struktur der Reserve bei der Bundeswehr

Die Reserve ist ein wichtiger Bestandteil der Landesverteidigung.

Bei ihrem Einsatz bei der Bundeswehr werden Reservistinnen und Reservisten in drei Kategorien unterteilt: die Truppenreserve, die Territoriale Reserve und die Allgemeine Reserve. Die Truppenreserve verstärkt die aktive Truppe in verschiedenen Bereichen wie dem Heer, der Luftwaffe, der Marine, dem Sanitätsdienst, der Streitkräftebasis und dem Cyber- und Informationsraum. Innerhalb dieser Einheiten gibt es spezifische Dienstposten, die ausschließlich von Reservistinnen und Reservisten besetzt werden. Die Territoriale Reserve unterstützt die zivil-militärische Zusammenarbeit im Auftrag der Bundeswehr, insbesondere im Bereich Heimat- und Katastrophenschutz. Auch hier sind Dienstposten für die Reserve vorgesehen.

Während ihrer Übungen trainieren die Heimatschutzkräfte verschiedene Fähigkeiten, darunter allgemeine infanteristische Verhaltensweisen wie Objektschutz, Handlungen an Kontrollpunkten und die Durchführung von Patrouillen. Zusätzlich üben sie regelmäßig grundlegende militärische Fähigkeiten wie Schießen, ABC-Schutz und Erste Hilfe, ähnlich wie aktive Soldaten. Die Aufgaben der Heimatschutzkräfte umfassen Schutz- und Sicherungsaufgaben sowie den Objektschutz im Kontext von Landes- und Bündnisverteidigung. Sie kommen insbesondere dann zum Einsatz, wenn reguläre Einheiten der Bundeswehr anderweitig gebunden sind. Zusätzlich übernehmen sie Aufgaben im Bereich der subsidiären Katastrophenhilfe.

Die überwiegende Mehrheit der Dienstleistenden in der Territorialreserve ist langfristig beordert und durch spezifische Ausbildungen qualifiziert. Sie sind den Landeskommandos unterstellt, wobei in Bayern ein solches Landeskommando durch einen von drei Regionalstäben vertreten wird. Gelegentlich werden sie auch direkt in den Landeskommandos eingesetzt.

Mit der Regimentsstruktur sind die Heimatschutzkräfte unter einheitlicher Führung reaktionsschneller und können durch gemeinsame Ausbildungen und Übungen ihre Fähigkeiten verbessern. Insgesamt sind sechs Heimatschutzregimenter in Deutschland geplant, die den jeweiligen Landeskommandos unterstellt sind. Diese Einheiten werden unterstützt von Heimatschutzkompanien, die je nach Bedarf einem Heimatschutzregiment oder einem Landeskommando unterstehen.

Die Allgemeine Reserve umfasst alle Reservistinnen und Reservisten, denen kein spezifischer Dienstposten zugewiesen ist. Diese können, sofern wehrrechtlich verfügbar, nach Bedarf und Verfügbarkeit Dienst in der Bundeswehr leisten. Insgesamt sind etwa 34.000 Reservisten der Truppen- und Territorialreserve zugeordnet, während der Allgemeinen Reserve etwa 930.000 Reservisten angehören. Jede Reservistin und jeder Reservist ist grundsätzlich einer dieser Kategorien zugeordnet, wobei ein Wechsel je nach individuellen Lebensumständen jederzeit möglich ist.

Die Reservisten organisieren sich auch in Reservistenverbände, Reservistenarbeitsgemeinschaften und Reservistenkameradschaften. Jedes dieser Elemente hat eine individuelle Funktion in der Organisation, Ausbildung und Betreuung der Reservisten. Sie tragen dazu bei, eine rasche Einsatzbereitschaft und Mobilmachung sicherzustellen. Der Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr bietet Unterstützung, Beratung und Weiterbildung für seine Mitglieder an. Der Verband fördert die Kameradschaft unter den Reservisten und engagiert sich in sicherheitspolitischen Diskussionen. Dabei bilden die rund 2.400 lokalen Reservistenkameradschaften (RK) die wichtigste Organisationsebene im Verband.

Die Reservistenarbeitsgemeinschaften sind organisierte Zusammenschlüsse von Reservisten der Deutschen Bundeswehr, die sich auf spezifische thematische oder fachliche Bereiche konzentrieren. Im Gegensatz zu Reservistenkameradschaften, deren Hauptziel die Förderung von Kameradschaft ist, widmen sich Reservistenarbeitsgemeinschaften der praktischen Arbeit und der Weiterentwicklung von Fähigkeiten oder Aufgabenfeldern. Sie organisieren beispielsweise Ausbildungsprogramme, vertiefen Fachwissen in spezifischen Fachgebieten. Diese Arbeitsgemeinschaften bieten den Mitgliedern die Möglichkeit, aktiv an der Reservearbeit teilzunehmen und ihre Kompetenzen in einem bestimmten Bereich zu erweitern.

Die bisherige Organisation der Reservistenangelegenheiten (ResAngel) in der Bundeswehr umfasst alle Aspekte der Führung, des Einsatzes, der Betreuung und der Ausbildung von Reservisten. Jede Dienststelle bis hinunter zur Bataillonsebene hat einen Beauftragten für Reservistenangelegenheiten (BResAngel). Der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr fungiert als Beauftragter für Reservistenangelegenheiten der Bundeswehr (BResAngelBw) und gibt Richtlinien für die Reservistenarbeit vor.

Ein Kompetenzzentrum für Reservistenangelegenheiten der Bundeswehr (KompZResAngelBw) im Streitkräfteamt koordiniert die Reservistenangelegenheiten und gewährleistet eine einheitliche Ausbildung der Reserve. Die Abteilung Personal im Bundesministerium der Verteidigung und das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr sind für die Personalverwaltung und -entwicklung der Reservisten sowie für Wehrersatzangelegenheiten zuständig. Eine neue Grundbeorderung soll sicherstellen, dass ausscheidende Soldaten der Bundeswehr für einen Zeitraum von sechs Jahren in die Reserve eingeteilt werden, um im Bedarfsfall schnell mobilisierbar zu sein.

Herausforderungen laut Wehrbericht

Die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Dr. Eva Högl, hat am 14. März ihren Jahresbericht für 2023 vorgestellt. Der Bericht verdeutlicht die zentralen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Reserve der Bundeswehr. Trotz ihrer essenziellen Rolle für die Einsatzbereitschaft standen im vergangenen Berichtsjahr diverse Probleme im Fokus.

So zeigt sich, dass die Bedürfnisse und Rahmenbedingungen für Reservistinnen und Reservisten nicht immer angemessen berücksichtigt werden. Insbesondere bei der Grundbeorderung gibt es weiterhin erhebliche Defizite. Von den grundsätzlich geeigneten Personen wurden nur etwa ein Drittel tatsächlich grundbeordert, was als unbefriedigend eingestuft wird. Die Bundeswehr erkennt an, dass die Bearbeitungszeiten und Prozesse verbessert werden müssen, um den Bedürfnissen der Reserve gerecht zu werden.

Des Weiteren mahnt die Wehrbeauftragte eine beschleunigte Personalgewinnung an. Lange Verfahrensdauern von der Bewerbung bis zur Einstellung stellen eine Hürde dar und können zu Frustration führen. Die Möglichkeit einer kurzfristigen Heranziehung zu Dienstleistungen wird ebenfalls als verbesserungswürdig angesehen, da in einigen Fällen dringender Bedarf besteht, aber die Umsetzung verzögert wird.

Reservisten in der neuen Struktur der Bundeswehr

Die neue Struktur ist das Resultat der Neuausrichtung der Streitkräfte auf ihren Kernbereich: Verteidigung. Der zentrale Ansatz besteht darin, kampfbereit zu sein, um eine effektive Abschreckung zu gewährleisten. Darin heißt es: „Die Bundeswehr als Ganzes muss auf Bedrohungen der äußeren Sicherheit zu jeder Zeit vorbereitet sein.“ Um Prozesse zu vereinfachen, soll statt des Einsatzführungskommandos für Auslandseinsätze und des Territorialen Führungskommandos für Inlandseinsätze ein gemeinsames Operatives Führungskommando der Bundeswehr (OpFüKdoBw) eingesetzt werden. Die Landeskommandos werden direkt diesem neuen obersten Führungskommando unterstellt. Das Ziel dieses neuen Führungskommandos ist es, sowohl national als auch international der Hauptansprechpartner zu sein und ein umfassendes zentrales Lagebild zu ermöglichen.

Dort, wo es sinnvoll ist, werden Aufgaben gebündelt und die dafür benötigten Ressourcen zusammengeführt. Eine Neuerung betrifft zukünftig die Heimatschutzkräfte, die ABC-Abwehr, das Feldjägerwesen und CIMIC, die im Heer zusammengeführt werden.

Die Landeskommandos werden in das OpFüKdoBw integriert. Sie fungieren als etablierte Ansprechpartner der Streitkräfte für die Landesregierungen in jedem Bundesland. Diese Verbindung hat sich bereits im Frieden bewährt und ist auch im Falle der Landes- und Bündnisverteidigung von hoher Bedeutung. Die Landeskommandos werden künftig als Bindeglied zum operativen Single Point of Contact – dem OpFüKdoBw – in den Ländern dienen und seine Präsenz vor Ort sicherstellen. Die Heimatschutzkräfte werden nach dem Prinzip „organize as you fight“ vollständig in den Zuständigkeitsbereich des Heeres verlagert, da ihr Einsatz im Ernstfall vorrangig auf dem Land erfolgt.

Ihre Aufgaben umfassen auch die Koordination der Personalgewinnung und Ausbildung von Reservistinnen und Reservisten. Verbandspräsident des Reservistenverbandes Prof. Dr. Patrick Sensburg äußerte gegenüber cpm Defence Network: „Aus unserer Sicht ist es nicht entscheidend zu welcher Teilstreitkraft oder zu welchem Organisationsbereich die Heimatschutzkräfte und Reserve zugeordnet werden. Wichtig ist vor allem, dass die Reserve weiter gestärkt und befähigt wird, die Truppe wirksam zu entlasten. Insbesondere im Hinblick auf die notwendige Aufwuchsfähigkeit, die eine starke Reserve gewährleisten muss, ist auch die Allgemeine Reserve nicht zu vernachlässigen. Weiterhin sollte der gute Schwung im Heimatschutz nicht durch eine Umstrukturierung gebremst werden.“

Aus dem Strukturbericht geht ebenfalls hervor, dass sich die Bundeswehr unabhängig von den zutreffenden politischen Entscheidungen über eine Wehr- oder Dienstpflicht mit Fragen des Wehrersatzes, der Wehrerfassung und Musterungsprozessen beschäftig.

Sensburg betont, dass die angestrebten Veränderungen ein Schritt in die richtige Richtung sind und Reservistinnen und Reservisten dabei helfen können, die Bedeutung von Wehrersatzstrukturen in Wirtschaft und Gesellschaft zu verdeutlichen. Der Reservistenverband engagiert sich laut Sensburg unter dem Leitgedanken der Kriegstüchtigkeit auch dafür, das gesellschaftliche Bewusstsein in dieser Hinsicht zu verändern. „Denn Verteidigung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dabei ist Wehrersatz nur ein Aspekt von vielen.“

Ein Ausblick auf die Zukunft der Bundeswehr und ihrer Reserve zeigt, dass die Anpassungsfähigkeit und Reaktionsbereitschaft der Streitkräfte von entscheidender Bedeutung sein werden. Angesichts der sich schnell verändernden sicherheitspolitischen Lage werden weitere Anpassungen und Reformen notwendig sein, um den Herausforderungen effektiv zu begegnen.

Christina Bornheim

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