Loitering Ammunition ist eines der Topthemen. Auch immer mehr deutsche Firmen entwickeln eigene Lösungen, oder bieten in Kooperation mit ausländischen Herstellern Military-of-the-Shelf (MOTS) Systeme an, bzw. entwickeln diese weiter.
Auf der RÜ.NET2023 zeigte MBDA Deutschland jetzt erstmalig einen eigenen Ansatz. Dieser basiert auf der MOTS-Lösung ROTEM-L von IAI (Israel Aerospace Industries Ltd.), und geht auf eine Vereinbarung zu einer strategischen Partnerschaft zurück, die auf der Paris Air Show 2023 unterzeichnet wurde. „Loitering Munition ist bedeutend mit Blick auf die heutigen und zukünftigen Einsatzszenarien. Loitering Munition kann mit hoher Präzision unter Vermeidung von unbeabsichtigten Schäden eingesetzt werden. Sie verkürzt die Einsatzzeiten und kann somit im Ernstfall Leben retten“, so MBDA damals in einem Statement zur Partnerschaftsvereinbarung.
Die ROTEM-L ist eine Loitering Ammunition, die rein über ihren Splittervorrat (High Exploseive; HE) wirkt. Das ROTEM Aerial Vehicle (AV) ist eine taktische Munition, die auf einer leichten Multirotor-Plattform basiert und hervorragende Fähigkeiten gegen gegnerische Systeme mit geringer Signatur in komplexen Umgebungen bietet. Dieses leichte und kompakte AV kann in Sekundenschnelle zusammengebaut und von einem einzigen Soldaten bedient werden. Die AV ist in der Lage, tödliche Präzisionsschläge auf stationäre und mobile Ziele mit Abbruch-/Safe-Fähigkeit auszuführen und ist wiederherstellbar/rückrufbar. Dabei ist ROTEM eine äußerst vielseitige Plattform. Es kann Aufklärungs- (ISR-) und Angriffsmissionen auf Truppenebene mit einem Minimum an Planung und operativer Vorlaufzeit durch einen Bediener durchführen. Das Rucksacksystem ist ein taktisches Kit mit zwei AVs und allen Peripheriegeräten, so dass eine Einsatzeinheit es organisch als Teil ihrer Standardausrüstung mitführen kann. Die außergewöhnliche Schwebefähigkeit ermöglicht es der VTOL-Plattform, Ziele zu erkennen und innerhalb von Sekunden anzugreifen, was das ROTEM für seine Bediener zu einem entscheidenden Vorteil macht.
Das System bietet einen autonomen Flug, Zielerfassung und Zielbekämpfung mit Man-In-The-Loop sowie Präzisionsangriff basierend auf EO/IR-Echtzeit-HD-Video. Das Luftfahrzeug hat ein Gewicht von rund 5,8 kg (Gesamtsystem 16,7 kg) und bietet eine Einsatzdauer von 30 Minuten mit dem 1,2 kg Gefechtskopf, oder 45 Minuten mit der Aufklärungssensorik. Allerdings ist bei dieser Art der Loitering Ammunition vorgesehen, sie ins Einsatzgebiet fliegen zu lassen, dort auf einem Hausdach – oder ähnliches für die Beobachtung und Zielauswahl – zu „parken“, und von da den kurzen Angriffsflug durchzuführen. Damit verlängern sich die Verweilzeiten erheblich – auf rund 3 Stunden. Im Flug ist grundsätzlich auch ein Zielwechsel oder ein Missionsabbruch durch den Bediener möglich. Das System ist sehr leise und bietet einen 13fachen optischen/digitalen Zoom (EO@720p), kombiniert mit einem 2fach 640×480 IR-Zoom für Nachteinsätze. Die Zielgenauigkeit soll laut Hersteller unter 1 m liegen. Und die maximale Flugentfernung bei 10 km LOS.
Es ist der erste Schritt von MBDA. Allerdings gibt es eine ganze ROTEM-Familie, so ist die ROTEM-A zur Panzerabwehr ausgelegt und bietet zudem auch mehr Reichweite. Die ROTEM-A soll eine so hohe Agilität im Flug bieten, dass sie selbst für aktive Schutzsysteme nicht oder kaum zu bekämpfen ist. Dies muss aber noch durch eigenständige Teste nachgewiesen werden. Sie ist schon unter Serienvertrag, aber noch nicht in die Nutzung überführt. MBDA wird die IAI-Lösungen für den deutschen Markt als Vertriebspartner anbieten, und je nach Auftragsgröße auch die Anpassentwicklung, den Service oder sogar die komplette Herstellung in Schrobenhausen durchführen. Neben der ROTEM-Familie werden auch die HARPY, Mini-HARPY sowie die HAROP (elektrooptisches Präzisions-Waffensystem) in Zukunft angeboten. HARPY-NG ist ein System der dritten Generation zur Zerstörung feindlicher Radarstellungen, und die Mini-HARPY ein taktisches System mit Dreifachsensor (elektrooptische Tag- und Nachtsensoren und ein Anti-Radiation-Suchkopf). Und bei der Rotem-Familie handelt es sich um ein taktisches Vertical Takeoff and Landing (VTOL) Systeme. Damit kann MBDA ein vollumfängliches Effektorprogramm anbieten. Marktverfügbar und zum Teil bereits einsatzerprobt.
Autor: André Forkert, cpm GmbH