Sabotage oder Unfall? Russlands Schattenflotte im Scheinwerferlicht

Nach einem weiteren Vorfall, bei dem ein Unterseekabel in der Ostsee beschädigt wurde, steht ein russischer Öltanker im Zentrum internationaler Ermittlungen. Der Verdacht: Die Sabotage des Stromkabels, welches Finnland und Estland miteinander verbindet, soll von einem Schiff zerstört worden sein, welches zur russischen Schattenflotte gehören soll. Die sich häufenden Vorfälle werfen Fragen zur Sicherheit kritischer Infrastrukturen auf – mitten in einer geopolitisch angespannten Lage.

Auch der Tanker Eagle S könnte zur russischen Schattenflotte gehören und steht im Verdacht, Sabotage in der Ostsee verübt zu haben.
Auch der Tanker Eagle S könnte zur russischen Schattenflotte gehören und steht im Verdacht, Sabotage in der Ostsee verübt zu haben.
Illustration: KI-generiert

In der Ostsee hat ein Vorfall im Bereich der kritischen Infrastruktur zu erheblichen Spannungen geführt. Die finnischen Behörden untersuchen den möglichen Zusammenhang zwischen einem russischen Öltanker, der unter der Flagge der Cookinseln fährt, und einem schwerwiegenden Schaden am Estlink-2-Unterseekabel. Dieses Kabel ist von zentraler Bedeutung für die Sicherung der Stromversorgung zwischen Finnland und Estland.

Laut den bisherigen Ermittlungen könnte der Schaden durch einen Anker verursacht worden sein, der von dem Tanker „Eagle S“ herabgelassen wurde. Der Tanker transportiert mutmaßlich russisches Öl und gehört möglicherweise zur sogenannten russischen „Schattenflotte“ – einem Netzwerk von Schiffen, das westliche Sanktionen umgehen soll.

Schattenflotte zunehmend auf dem Radar

Als Schattenflotte Russlands werden Schiffe bezeichnet, die dazu dienen, internationale Sanktionen zu umgehen, indem sie ihre Aktivitäten – hauptsächlich der Export fossiler Brennstoffe – verschleiern. Die Schiffe der Schattenflotte schalten oft ihre Ortungssysteme ab, wechseln regelmäßig die Flagge oder laden ihre Güter in internationalen Gewässern um. Mit falschen Dokumenten und anderen Täuschungsmethoden wird die Herkunft der Waren verschleiert, um Sanktionen zu umgehen und Handel auf internationalen Märkten zu ermöglichen.

Schiff der finnischen Küstenwache vor dem gestoppten Tanker Eagle S, der vermutlich zur russischen Schattenflotte gehört.
Schiff der finnischen Küstenwache vor dem gestoppten Tanker Eagle S, der vermutlich zur russischen Schattenflotte gehört.
Foto: Finnische Polizei

Die Schattenflotte, die aus zahlreichen älteren, oft schlecht gewarteten Schiffen bestehen soll, birgt zudem hohe Risiken für Umwelt und Sicherheit, auch weil das Umladen von Rohöl auf hoher See deutlich risikobehafteter ist. Die Financial Times berichtete, dass Putins Schattenflotte bereits im Jahr 2022 um 100 weitere, teils schrottreifer Schiffe angewachsen sei, darunter bis zu 29 Supertanker – sogenannte VLCCs (Very Large Crude Carriers), die jeweils mehr als 2 Millionen Barrel transportieren können.

In jüngster Zeit macht die russische Schattenflotte nicht nur durch die Umgehung von Sanktionen von sich reden, sondern auch als potenzieller Gefahr für Sabotageakte wie die Beschädigung von Unterseekabeln und Pipelines. Die internationale Gemeinschaft versucht, durch strengere Überwachungsmaßnahmen und Sanktionen die Aktivitäten dieser Flotten einzudämmen, was jedoch angesichts der Größe und Mobilität dieser Schiffe eine Herausforderung bleibt.

„Eagle S“ – Finnland entert Schiff der Schattenflotte

Neben dem am ersten Weihnachtsfeiertag durchtrennten Stromkabel waren bereits vor einem Monat Schäden an Telekommunikationskabeln festgestellt worden. Zwei wurden vollständig durchtrennt, was die Kommunikation zwischen den Anrainern der Ostsee erheblich beeinträchtigt. Bei dem Vorfall in schwedischen Hoheitsgewässern war das unter chinesischer Flagge fahrende Frachtschiff „Yi Peng 3“ verdächtigt worden. Amerikanische Dienste sprachen anschließend von einem möglichen Unfall, während Experten in Europa eine Sabotage nicht ausschließen konnten.

Der jetzt als Mitglied der Schattenflotte verdächtigte Tanker „Eagle S“ wurde von Finnland vorerst gestoppt. Die Behörden haben bereits die Besatzung befragt und Beweise an Bord sichergestellt. Derzeit befindet sich das Schiff vor der Halbinsel Porkkala, rund 30 Kilometer westlich der finnischen Hauptstadt Helsinki.

Die EML Raju (P6732) aus Estland wird in der Ostsee zum Schutz des Baltikums eingesetzt.
Die EML Raju (P6732) aus Estland wird in der Ostsee zum Schutz des Baltikums eingesetzt.
Foto: X / Hanno Pevkur

Finnlands Präsident Alexander Stubb verurteilte die mutmaßliche Sabotage scharf und rief zur Stärkung der Sicherheit kritischer Unterwasserinfrastrukturen auf. „Wir haben beschlossen, unsere Marine in die Nähe von Estlink 1 zu schicken“, verkündete dementsprechend der estnische Verteidigungsminister Hanno Pevkur heute Morgen auf X.

(Noch) keine ernsthaften Schäden

Zwar melden die Behörden aller betroffenen Staaten bisher stets, dass keine ernsthaften Ausfälle und Beeinträchtigungen für die Bevölkerungen der Ostsee-Anrainer zu erwarten seien, doch wird ihre zunehmende Häufigkeit zu einem Problem. Auch im aktuellen Fall dürften die Reparaturen am beschädigten Stromkabel mehrere Monate dauern.

Manche Beobachter gehen zudem davon aus, dass die Sabotagen – die nicht nur in der Ostsee, sondern in ganz Europa zunehmen – als Testfeld für Russlands hybriden Krieg gegen den Westen dienen und bei Bedarf noch intensiviert werden könnten.

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