Seetransport – Chancen, Möglichkeiten und Hindernisse

Der militärische Seetransport ist ein fundamentaler Bestandteil der Verteidigungs- und Sicherheitsstrategien vieler Länder und spielen trotz der technologischen Fortschritte anderer Verkehrsträger seit Jahrtausenden eine entscheidende Rolle für militärische Operationen weltweit. Im folgenden Beitrag von Korvettenkapitän Florian Neumann vom Logistikzentrum der Bundeswehr widmen wir uns intensiver diesem Thema.

Seetransport mit einer RoRo-Fähre im (Re)-Deployment. Foto: Bundeswehr / Haehnel
Seetransport mit einer RoRo-Fähre im (Re)-Deployment.
Foto: Bundeswehr / Haehnel

In einer Welt, in der die globale Sicherheitslage ständig im Wandel ist, bieten Seetransporte den Streitkräften die Flexibilität und Reichweite, die sie benötigen, um effektiv zu agieren. Dabei ermöglichen sie den sicheren und effizienten Transport von Truppen, Ausrüstung, Versorgungsgütern und humanitären Hilfsgütern über die Ozeane und Meere der Welt. Die Bedeutung dieser Transporte erstreckt sich über rein militärische Aspekte hinaus und hat Auswirkungen auf Diplomatie, internationale Beziehungen, Wirtschaft, Technologieentwicklung und Umweltschutz. In diesem Artikel werden die Chancen, Möglichkeiten und Hindernisse bei der Durchführung militärischer Transporte auf dem Seeweg betrachtet.

Chancen

Seetransporte bieten mit ihrem enormen Transportvolumen die Möglichkeit, eine große Anzahl an Truppen, Fahrzeugen, Helikoptern und Ausrüstung gleichzeitig zu transportieren, was für größere und effiziente Verlegungen in Krisen- und Einsatzgebiete oder zu Übungsmissionen unerlässlich ist. Die Unterstützung der Übung Pacific Skies mit einem RoRo-Schiff durch die Streitkräftebasis über den Zeitraum von sechs Monaten 2024 ist dafür ein hervorragendes Beispiel und macht den gewachsenen Bedarf an Seetransport mehr als deutlich.

Verschiedene Seetransportoptionen bieten eine Flexibilität, die den Streitkräften eine breit gefächerte Auswahl zur lageangepassten und wirksamen Reaktion auf operative Forderungen und deren individuelle Verlegeerfordernisse bietet. Mit einer Vielzahl primär durch Charterverträge zur Verfügung stehender Schiffstypen von Containerschiffen bis zu RoRo-Schiffen (RoRo = Roll on/Roll off) können die Streitkräfte die am besten geeigneten Seetransportmittel für ihre Bedürfnisse auswählen. Diese Flexibilität erleichtert nicht nur den Transport von militärischem Material, sondern beispielsweise auch von humanitären Hilfsgütern und anderen wichtigen Ressourcen.

Mit dem Zugang zu Ozeanen und Meeren erweist sich der Seetransport, kombiniert mit vor- und nachlaufenden Transporten, insbesondere bei internationalen Einsätzen und Bündnisoperationen als essenzieller Bestandteil einer umfassenden Transportplanung für große Truppenkörper. Durch eine multimodale Kombination verschiedener Verkehrsträger mit dem Seetransport können Transportketten optimiert, der Aufwand gesenkt und Umweltauswirkungen reduziert werden.

Dies erfordert jedoch eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern und eine harmonisierte Logistikplanung. Einige Dienstleister bieten die Abdeckung mehrerer oder aller Bestandteile der multimodalen Transportkette inklusive der Abwicklung an den Übergangspunkten aus einer Hand an, was zu einer friktionsfreien und ressourcenschonenden eigenen Transportabwicklung beiträgt. Auch die Nutzung vertraglich gesicherter moderner und multimodaler Umschlagterminals trägt dazu bei, die Effizienz der so geplanten Seetransporte zu erhöhen und die Flexibilität für die Bedarfsträger zu verbessern.

DasLogistikbataillon163verlädtinEmdenFahrzeuge der Gebirgsjägerbrigade 23 auf das Roll-on/Roll-off-Schiff Finlandia Seaways für die Übung Nordic Response im Rahmen der Übungsreihe QUADRIGA. Foto: Bundeswehr / Christoph Vietzke
DasLogistikbataillon163verlädtinEmdenFahrzeuge der Gebirgsjägerbrigade 23 auf das Roll-on/Roll-off-Schiff Finlandia Seaways für die Übung Nordic Response im Rahmen der Übungsreihe QUADRIGA.
Foto: Bundeswehr / Christoph Vietzke

Militärische Seetransporte bieten auch eine einzigartige Plattform zur Stärkung internationaler Zusammenarbeit. Durch multinationale gemeinsame Verlegungen zu und Durchführung von Übungen und Einsätzen können Länder ihr Vertrauen zueinander stärken, logistische Prozesse untereinander abstimmen, voneinander lernen und effektivere Partnerschaften aufbauen.

Diese Zusammenarbeit wird zusätzlich durch die Mitgliedschaft Deutschlands im Movement Coordination Center Europe (MCCE) gefördert, indem die verschiedenen Operationen und Verlegungen der einzelnen Mitgliedsnationen transparent untereinander kommuniziert werden, um Synergieeffekte zu nutzen, indem eventuelle freie Kapazitäten des eingesetzten Transportraumes untereinander vermittelt und effizient genutzt werden können.

Die Umweltfreundlichkeit von Seetransporten ist eine oft übersehene Chance zur Verbesserung des ökologischen Fußabdruckes. Im Vergleich zu anderen Transportmitteln wie Flugzeugen oder Lastkraftwagen sind Seetransporte bereits von Natur aus effizienter und umweltfreundlicher, da sie weniger Energie verbrauchen und weniger Emissionen pro transportierter Einheit erzeugen.

Die derzeitige Entwicklung von umweltfreundlichen Antriebssystemen, wie z. B. LNG (Flüssigerdgas) oder Elektroantrieben, reduziert den CO2-Ausstoß weiterhin und trägt zur Reduzierung der Umweltauswirkungen von Schiffen bei. Diese Umweltfreundlichkeit stellt daher eine Chance dar, das Ansehen in der Öffentlichkeit bei der Verlegung großer Truppenteile zu verbessern.

Möglichkeiten

Die bereits angesprochenen enormen Transportkapazitäten von Seeschiffen ermöglichen es, im Rahmen des Deployment und Redeployment ganze (Einsatz-) Verbände geschlossen an ihren jeweiligen Bestimmungsort zu verbringen. Der dabei entstehende Aufwand ist aufgrund des großen Mengengerüstes, welches gleichzeitig transportiert wird, im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern deutlich geringer. Neben der Kosteneffizienz ist der Seetransport dann insbesondere im Vergleich zur knappen Ressource Lufttransport auch zeitlich eine valide Option.

Im Rahmen militärischer Evakuierungsoperationen (MilEvacOp) können Seeschiffe so eine wichtige Rolle spielen. Außer dem naheliegenden Zweck zur physischen Verlegung der Einsatzkräfte, ergeben sich darüber hinaus noch weitere Nutzungsoptionen. Zum einen sind Schiffe in der Lage, zu evakuierende Personen in großer Anzahl aufzunehmen und zu versorgen, zum anderen können sie auch als mobile Einsatzplattform für spezialisierte Kräfte und Spezialkräfte zum Einsatz kommen.

Als Beispiel für die Nutzung von Seetransporten kann in diesem Zusammenhang die Durchführung des Redeployment der Einsatzkräfte der militärischen Evakuierungsoperation SUDAN genannt werden. Der Einsatzverband MilEvacOp SUDAN war auf einer militärischen Basis in Jordanien stationiert und sollte nach erfolgreicher Auftragserfüllung zu den jeweiligen Heimatstandorten zurückverlegt werden.

Dazu wurden für die Rückverlegung des Materials zwei Lösungsansätze, zum einen der militärische Lufttransport und zum anderen der strategische Seetransport unter Abstützung auf ein bereits gechartertes Roll-on/Roll-off-Schiff, entwickelt, wobei das zu verlegende Mengengerüst einige Dutzend Gefechtsfahrzeuge umfasste.

An Bord kommt es auf Sicherheit an. Soldaten beim Verzurren von Fahrzeugen für den Seetransport.
An Bord kommt es auf Sicherheit an. Soldaten beim Verzurren von Fahrzeugen für den Seetransport.
Foto: Bundeswehr / Haehnel

Zum Vergleich der beiden Lösungsansätze wurden die Faktoren Transportdauer und Transportkosten direkt miteinander verglichen. Die Transportdauer im Lufttransport wurde mit mehreren Tagen angegeben, wobei im direkten Vergleich dazu die Dauer eines strategischen Seetransportes mit mehreren Wochen kalkuliert wurde. Die Transportkosten, inklusive des benötigten Straßentransportes des Materials zum nächsten geeigneten Seehafen, beliefen sich auf ca. 1/3 der Kosten, die für die Durchführung des Lufttransportes kalkuliert wurden.

Die Nutzung des strategischen Seetransportes hat somit eine Ersparnis von ca. 2/3 der Transportkosten bei einer verlängerten Transportlaufzeit von einigen Tagen erzielt und ist somit ein Musterbeispiel für den effizienten Ressourceneinsatz von Seetransporten gegenüber anderen Verkehrsträgern bei entsprechend großen Mengengerüsten. Bei einer Rückverlegung ist Zeit nicht immer der entscheidende Faktor, und hier war der marginale Nachteil bewusst „eingepreist“.

Die Fähigkeit von Seeschiffen, flexibel und schnell auf humanitäre Krisen zu reagieren, macht sie zu einem unverzichtbaren Instrument für humanitäre Missionen. Sie können in kürzester Zeit in von Naturkatastrophen oder Konflikten betroffene Gebiete entsandt werden, um dringend benötigte Hilfe zu leisten. Dies umfasst die Bereitstellung von Nahrungsmitteln, Medikamenten, Trinkwasser und medizinischer Versorgung.

Zusätzlich zu den bereits genannten Einsatzmöglichkeiten von Seetransportschiffen, die sich auf den Transport von Truppen und deren Ausrüstung fokussieren, bieten Schiffe auch die Möglichkeit, logistische Unterstützung für bereits bestehende Operationen zu leisten. Dies umfasst den Transport von Nachschubgütern, Munition, Treibstoff und medizinischer Ausrüstung.

Die eingesetzten Schiffe können, wenn es die Bedrohungslage zulässt, darüber hinaus als eine Art „mobiles Depot“ fungieren, welches in einem Seegebiet nahe des Einsatzraumes vorstationiert wird. Die benötigten Versorgungsgüter können dem Bedarfsträger durch die deutlich verkürzten Nachschubwege somit innerhalb kürzester Zeit und mit minimalem Vorlauf zur Verfügung gestellt werden.

Hindernisse

Neben den vielen Vorteilen, die Seetransporte bieten, gibt es auch Herausforderungen, die beachtet und bewältigt werden müssen. Die Marktverfügbarkeit von Transportraum, im speziellen von Roll-on/Roll-off-Schiffen, auf dem Chartermarkt kann variieren und hängt von verschiedenen Faktoren ab wie zum Beispiel der aktuellen Nachfrage, den wirtschaftlichen Bedingungen, diversen politischen und sicherheitspolitischen Aspekten, weltweiten Handelsströmen und der Anzahl der verfügbaren Schiffe.

Generell gibt es verschiedene Typen von RoRo-Schiffen, von kleinen Fähren bis zu großen RoRo-Frachtschiffen, die für den Transport von Fahrzeugen, Containern und anderen rollenden Frachtgütern ausgelegt sind. Für den militärischen Gebrauch hat sich der Einsatz von „Medium sized“-Schiffen mit einer Transportkapazität von ca. 300 Fahrzeugen bewährt, da diese für nahezu jeden Einsatzraum geeignet sind.

In Zeiten hoher Nachfrage nach Seetransportdiensten oder während besonderer Ereignisse wie Naturkatastrophen oder geopolitischen Krisen kann es zu Engpässen bei der Verfügbarkeit von RoRo-Schiffen kommen. In solchen Zeiten können die Charterraten steigen und es kann schwieriger sein, ein geeignetes Schiff zu chartern.

Es ist daher unabdingbar, geeigneten Transportraum frühzeitig vertraglich zu binden und nutzbar zu machen. Darüber hinaus ist die gemeinsame Transportdurchführung mit Partner-Nationen anzustreben.

Ein Convoi von Panzerhaubitzen und Leopard 2 Panzern, die auf die Verladung warten
Ein Convoi von Panzerhaubitzen und Leopard 2 Panzern, die auf die Verladung warten
Foto: Bundeswehr

Die Sicherheit von Schiffen und Besatzungen ist ein weiteres zentrales Anliegen. Schiffe, die zum Transport militärischer Güter eingesetzt werden, sind in Abhängigkeit des zu befahrenden Seegebietes potenziellen Bedrohungen wie Piraterie, Terrorismus oder feindlichen Streitkräften ausgesetzt. Die Sicherstellung der Sicherheit von Schiffen und Besatzungen erfordert daher umfangreiche Maßnahmen und Vorbereitungen.

Dazu gehören unter anderem die Ausrüstung des Schiffes mit Defensivmaßnahmen wie beispielsweise Stacheldrahtbarrieren an Oberdeck und der Einbau von Panikräumen, aber auch der Einsatz von bewaffneten Kräften an Bord oder maritimer Geleitschutzkräfte, um auftretende Gefahren effektiv abwehren zu können. Die jeweiligen zu treffenden Maßnahmen leiten sich aus der zu erwartenden Gefahrensituation ab.

Auch die logistische Komplexität von Seetransporten sollte nicht unterschätzt werden. Die Planung und Durchführung von militärischen Seetransporten erfordert eine sorgfältige Koordination und Organisation. Dies umfasst die Auswahl und Bereitstellung geeigneter Schiffe, den Einsatz von Umschlagleitpersonal, die Koordination von Abfahrts- und Zielhäfen, die Sicherstellung von Fracht, Treibstoffversorgung, Vorräten und die Koordination mit anderen Teilen der Streitkräfte wie beispielsweise den mobilen Logistiktruppen der Streitkräftebasis, welche mit ihren Umschlagkompanien Land/See die benötigten Umschlagkräfte bereitstellen, und zivilen Organisationen.

Eine effektive Logistik ist entscheidend für den Erfolg jeder Seetransportoperation und erfordert eine fortlaufende Überwachung und Anpassung an sich ändernde Bedingungen.

Fazit

Transporte per See im Auftrag der Streitkräfte bieten eine Vielzahl von Chancen und Möglichkeiten, um effizient und flexibel agieren zu können. Sie ermöglichen es, große Mengen an Truppen und Ausrüstung regional bis global zu verlegen und unterstützen aktive Operationen sowie Missionen und humanitäre Hilfeleistung. Allerdings stellen sie auch Herausforderungen in Bezug auf Sicherheit und logistische Planung dar.

Trotz dieser Herausforderungen bleibt die Fähigkeit zum Seetransport eine unverzichtbare Komponente von modernen Streitkräften, die ständig weiterentwickelt und angepasst werden muss, um den sich ändernden geopolitischen und technologischen Rahmenbedingungen gerecht zu werden. Durch Investitionen in moderne Schiffstechnologien, Ausbildung und logistische Planung können die Streitkräfte die Vorteile des Seetransports weiterhin nutzen und ihre Fähigkeiten zur Bewältigung der vielfältigen Herausforderungen stärken, denen sie sich in der komplexen Sicherheitslandschaft gegenüber sehen.

 

Korvettenkapitän Florian Neumann,
Logistikzentrum der Bundeswehr

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