Es ist ein deutliches Signal an die Ukraine sowie auch an Russland: Deutschland will Kiew auch langfristig mit Waffen unterstützen und hat dazu im Haushaltsausschuss am 29. März insgesamt rund 12 Milliarden Euro zusätzlich für die nächsten neun bis zehn Jahre freigegeben. Ein Großteil des Geldes, etwa 8 Milliarden, soll dabei in die direkte Unterstützung der Ukraine mit Material und Waffen gehen. Weitere knapp 4 Milliarden dienen insbesondere der Wiederbeschaffung dessen, was die Bundeswehr an die Ukraine abgegeben hat.
Seit mehr als einem Jahr unterstützt Deutschland die Ukraine im Krieg gegen Russland mit Geld, Gerät und Material, und will es auch weiter tun. Die damit verbundenen Ausgaben für die Beschaffung von Rüstungsgütern direkt für die Ukraine, aber auch für die Ersatzbeschaffung von Waffen und Material aus den Beständen der Bundeswehr, müssen im Haushalt hinterlegt sein.
Im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages wurde daher am Mittwoch zur Freigabe von zusätzlichen Mitteln in Höhe von rund zwölf Milliarden Euro zur Ertüchtigung der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland debattiert. Verteidigungsminister Boris Pistorius, der auch an der Sitzung teilgenommen hatte, freute sich im Anschluss darüber, dass der Ausschuss „den Weg frei gemacht“ habe für die kurzfristig erstellte Vorlage. Die deutliche Aufstockung soll dabei nicht nur für das laufende Jahr gelten, sondern auch den Zeitraum bis 2032 abdecken.
Aufschlüsselung der rund 12 zusätzlichen Milliarden für Wehrmittel
Der Mehrbedarf teilt sich dabei wie folgt auf: Etwa 3,2 Milliarden fallen in direkter Folge des Ukrainekrieges noch im Haushalt 2023 als zusätzliche Ausgaben an, die überplanmäßig zu decken sind. Zudem werden ebenfalls überplanmäßige Verpflichtungsermächtigungen für die nächsten neun Jahre in Höhe von rund 8,8 Milliarden berücksichtigt. So können noch in diesem Jahr entsprechende Verträge geschlossen werden, deren Leistungen erst in den kommenden Jahren erfüllt werden.
Laut Pistorius sind knapp vier dieser zwölf Milliarden Euro für die Wiederbeschaffung von Material vorgesehen, das die Bundeswehr an die ukrainischen Streitkräfte abgegeben hat und abgibt. Davon entfallen etwa 3,4 Milliarden auf Verpflichtungsermächtigungen und 400 Millionen auf aktuelle Beschaffungen. Der größere Anteil, rund acht Milliarden werde dem Minister zufolge über die nächsten Jahre in Waffen- und Materiallieferungen für die Ukraine fließen. Ziel sei es, zu zeigen, „dass wir langfristig an der Seite der Ukraine stehen im Kampf gegen Putin“.
Ertüchtigungsinitiative der Regierung als Basis für Abgaben an die Ukraine
Die Unterstützung der Ukraine erfolgt dabei auf der Basis der Ertüchtigungsinitiative der Bundesregierung: Die Bundesregierung prüft im Rahmen dieser, ob und wie sie die durch die Ukraine angemeldeten Bedarfe decken kann. Möglich sei laut BMVg, wie im vergangenen Herbst im Falle der Panzerhaubitzen PhZ 2000 geschehen, eine direkte Abgabe aus Beständen der Bundeswehr oder eine unmittelbare Lieferung durch die Industrie mit einer entsprechenden Finanzierungszusage der Bundesregierung.
Zusätzliche Mittel müssen noch an anderer Stelle eingespart werden
Die bisher im Einzelplan 60 für das laufende Jahr eingeplanten 2,2 Milliarden Euro für die militärische Ertüchtigung von Partnerstaaten, im Wesentlichen aktuell für die Ukraine, werden damit also um circa eine Milliarde aufgestockt. Diese Mittel müssen nun laut Pistorius im Bundeshaushalt an anderer Stelle eingespart werden. Wo dies erfolgen soll, müsse aber noch erarbeitet werden.
Geplantes Material für die Wiederbeschaffung
Zum Material, das wiederbeschafft werden soll, zählte der Minister unter anderem Panzerhaubitzen, Panzer und Munition. Der Vertrag für die ersten 10 der 14 an die Ukraine abgegebenen Panzerhaubitzen 2000 wurde noch am selben Tag durch das BAAINBw und Krauss-Maffei Wegmann in Berlin unterzeichnet.
Für die Bestellung der Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 A7 sei die Vertragsunterschrift – ursprünglich zum Jahresende vorgesehen – jetzt noch vor der Sommerpause geplant, so Pistorius weiter. Er habe hier nicht bis zum Jahresende warten wollen, das sei ihm zu langsam gewesen. Allerdings geht der Verteidigungsminister davon aus, dass die Produktion noch einmal rund 2 Jahre plus 2 Monate in Anspruch nehmen werde, bis man die Leopard-Panzer wieder in den Beständen habe.
Weitere 25-Mio-Euro-Vorlagen: ein i-MERZ und 227 CATV-Geländefahrzeuge
Ebenfalls freigegeben wurden im Rahmen der Beschlüsse vom 29. März zwei weitere 25-Millionen-Euro-Vorlagen für ein integriertes Marine-Einsatzrettungszentrum (i-MERZ) für den Einsatzgruppenversorger „Berlin“ mit einem Vertragswert von rund 42 Millionen Euro, sowie 227 neue Geländefahrzeuge mit Kosten von rund 919 Millionen Euro.
Die „Berlin“ erhalte damit laut BMVg ein baugleiches, fest in die Schiffsstruktur integriertes i-MERZ wie die „Frankfurt am Main“, da sich die aktuelle Containerbauweise des Marine-Einsatzrettungszentrums der „Berlin“ in den bisherigen Einsatzerfahrungen nicht bewährt habe.
Beschaffung der Überschneefahrzeuge auf Basis eines multinationalen Memorandums
Bei den Geländefahrzeugen handle es sich um sogenannte Collaborative All-Terrain Vehicles (CATV), Überschneefahrzeuge der neuen Generation, die nun gemeinsam mit Schweden als federführendem Projektpartner beschafft werden. Bis November 2025 sei die Auslieferung der ersten Exemplare geplant, bis 2030 sollen dann alle Fahrzeuge da sein. Diese Beschaffung wird aus dem Sondervermögen für die Bundeswehr finanziert, und erfolgt auf Basis eines „Memorandum of Understanding“ vom 5. März 2020 der Länder Schweden, Deutschland, dem Vereinigten Königreich Großbritannien sowie Nordirland zur multinationalen Zusammenarbeit.
Die CATVs dienten dem geschützten Transport von Personal und Material, insbesondere von Waffen, Munition, Versorgungsgütern und Spezialausrüstung, für eine taktische Mobilität in schwer befahrbaren bis hin zu hochgebirgigem Gelände. Ihr Einsatz ist vor allem für den Bereich der Landes- und Bündnisverteidigung, der nationalen Krisenintervention sowie für weltweite Spezialoperationen des Kommandos Spezialkräfte sowie zur internationalen Krisen- und Konfliktverhütung vorgesehen.
Bundestagsstimmen aus dem Verteidigungsausschuss zu den Beschlüssen des Haushaltsausschusses
Auf Nachfrage der cpm-Redaktion zu den Beschlüssen vom Mittwoch erklärte Joe Weingarten, SPD-Mitglied des Bundestages für den Wahlkreis Kreuznach und Mitglied im Verteidigungsausschuss, dass es richtig sei, die Ukraine-Hilfen massiv auszuweiten. Die nun neu beschlossenen 12 Milliarden betrügen dabei mehr als das Doppelte des ukrainischen Verteidigungshaushaltes aus dem Jahr 2021. Das sei sowohl politisch als auch militärisch geboten.
Dr. Joe Weingarten, SPD
„Für das ukrainische Volk wird eine Situation wie in den Minsker Verträgen nicht hinnehmbar sein, deshalb wird der Verteidigungskampf noch andauern. Aus diesem Grund müssen wir die Ukraine dauerhaft unterstützen. Wir haben das 12-Milliarden-Paket mit dem politischen Ziel gebilligt, um dauerhaft – gerade mit militärischer Unterstützung – an der Seite der Ukraine in ihrem Freiheitskampf zu stehen“, so Joe Weingarten weiter. „Russland darf mit seinen imperialen Bestrebungen nicht durchkommen. Spätestens jetzt muss auch allen Zweiflern klar sein, dass Deutschland zur Ukraine steht, dauerhaft.“ Die Hilfen für die Ukraine würden selbstverständlich weiter eng vom Verteidigungsausschuss begleitet.
Angesprochen auf die ebenfalls am Mittwoch bestätigte Personalentscheidung des Verteidigungsministers bezüglich des Amtes der Präsidentin des BAAINBws, erklärte Weingarten, er halte die Berufung von Annette Lehnigk-Emden an die Spitze des Amtes für vernünftig. „Ich durfte sie in den letzten Jahren als leidenschaftliche Frau mit kreativen Lösungen für komplexe Probleme kennenlernen. In ihrer Position als Vizepräsidentin haben wir immer sehr vertrauensvoll zusammengearbeitet.“ Frau Lehngik-Emden sei die richtige für die vor uns liegenden Aufgaben, denn: „Sie ist eine erfahrene Juristin und kennt jede Nuance des deutschen Rüstungsbeschaffungswesens.“
Dr. Marcus Faber, FDP
Auch Dr. Marcus Faber, aus dem Wahlkreis Altmark für die FDP-Faktion im Bundestag und ebenfalls Mitglied im Verteidigungsausschuss, äußerte sich cpm gegenüber positiv zu den Beschlüssen im Rahmen der Ertüchtigungsinitiative. „Damit können wir zum einen die Ukraine im Krieg gegen Russland weiter mit militärischer Ausrüstung unterstützen und das aus Beständen der Bundeswehr abgegebene Material ersetzen.“
Insbesondere freue er sich über die Entscheidung zur Nachbeschaffung der an die Ukraine abgegebenen Panzerhaubitzen 2000. „Wir haben 14 aus unseren Beständen an die Ukraine geliefert, nachbeschafft werden nun 28 mit einem Festbeauftragungsteil von 10. Da hätte ich mir gewünscht, wir hätten direkt die 14 abgegeben ersetzt“, so Faber. Alles, was man abgebe, sollte seiner Meinung nach auch sofort im selben Umfang nachbeschafft werden.
Als Wunsch zum künftigen Vorgehen ergänzte er: „Gleichzeitig sollten wir nicht erst Monate nach Abgabe über den Ersatz für die Bundeswehr sprechen. Hier brauchen wir mehr Tempo. Das gilt nun auch für die 18 Leo-2, die nun in der Ukraine angekommen sind.“ Dass nun auch bereits ein zweites Los von Überschneefahrzeugen beschafft und damit die nicht mehr wirtschaftlich weiter zu betreibenden alten Fahrzeuge ersetzt würden, halte er für richtig.
Jens Lehmann, CDU
Jens Lehmann aus dem Wahlkreis Leipzig, für die CDU/CSU-Fraktion im deutschen Bundestag und im Verteidigungsausschuss erklärte cpm gegenüber: „Die Entscheidung ist enorm wichtig! Wir unterstützen die Ukraine substantiell in ihrem Kampf um Freiheit und beschaffen abgegebenes Material.“ Allerdings sei die Regierung ambitionslos, was die Nachbestellungen angeht: „10 Haubitzen ordern, obwohl über 20 Haubitzen nicht mehr für die Bundeswehr nutzbar sind. Zeitenwende sieht anders aus.“ Jetzt seien Großbestellungen notwendig, nicht kleinteilige Festbeauftragungen, so Lehmann weiter.
Negativ äußerte sich Lehmann zudem zur Qualität und zum Zeitpunkt der eingereichten Vorlagen: Diese seien ungenügend und die Kommunikation dazu miserabel – sowohl jene zur Haubitzen-Nachbestellung, aber vor allem jener zur Bitte um Freigabe der 12 Milliarden Euro. „Wer 12 Milliarden Euro durch den Haushaltsausschuss möchte, sollte die Haushälter viel früher und detaillierter informieren, anstatt eine solch schlechte Vorarbeit einzureichen“, kritisierte Lehmann.
Pistorius’ Antwort auf Kritik zur Vorbereitung
Auf den Hinweis eines Reporters direkt nach der Sitzung, dass man im Haushaltsausschuss etwas irritiert darüber gewesen sei, erst am Montag, also mit nur zwei Tagen Vorlauf über die Vorlage informiert worden zu sein, reagierte Pistorius selbst wie folgt: „Das ist ein sehr schnell aufgesetztes Verfahren gewesen.“ Der Antrag selbst sei mit etwa zwei Wochen Vorlauf noch gar nicht so alt, wie man vielleicht glauben möge. „Das heißt es ist sehr schnell gearbeitet worden, sowohl bei uns als auch im Bundesfinanzministerium.“ Er sei dem Ausschuss sehr dankbar für die schnelle Bearbeitung und Beschlussfassung.
Autorin: Wibke Pfeiffer, cpm Defence Network