Bundeswehrreform: Hintergrund und Umsetzung

Die neue Struktur der Bundeswehr befindet sich aktuell noch in der Feinausplanung, aber immer mehr Details der Bundeswehrreform kristallisieren sich bereits heraus, wie etwa die deutliche Neuorientierung der Rolle der Teilstreitkräfte und der bisherigen militärischen Organisationsbereiche gegenüber den bestehenden Führungskommandos. Zu sehen auch in der Verteilung der hochrangigen Dienstposten.
Verteidigungsminister Boris Pistorius will die Streitkräfte mit der Bundeswehrreform kriegstauglicher machen.
Verteidigungsminister Boris Pistorius will die Streitkräfte mit der Bundeswehrreform kriegstauglicher machen.
Foto: Bundeswehr/Steve Eibe

Bisher standen alle Teilstreitkräfte und militärischen Organisationsbereiche – mittlerweile insgesamt sechs – unter der Leitung eines Drei-Sterners, also eines Generalleutnants oder Vizeadmirals. Gleiches galt für die Führungskommandos, das Einsatzführungskommando und das neu gegründete Territoriale Führungskommando der Bundeswehr.

Über diesen dienstpostenmäßig ausgeglichenen Elementen steht das BMVg mit dem Stv. Generalinspekteur (drei Sterne) und dem Generalinspekteur (vier Sterne) an der Spitze.

Zusammenführung der Fähigkeiten im Operativen Führungskommando

Dieses Verhältnis wird sich nun mit der Bundeswehrreform ändern. Die Teilstreitkräfte – Heer, Luftwaffe, Marine und CIR – bleiben erhalten, der CIR erhält den Status einer Teilstreitkraft.

Die militärischen Organisationsbereiche Streitkräftebasis und Sanitätsdienst werden im Kommando Unterstützung zusammengeführt, dieses soll allerdings unter der Führung eines Zwei-Sterners bleiben. Die Kräfte des Kommandos Unterstützung werden den Teilstreitkräften durch das neue Operativen Führungskommando der Bundeswehr (OpFüKdoBw) zugeteilt. Dieses wird wiederum aus dem Einsatzführungskommando und dem Territorialen Führungskommando gebildet.

Zum einen vereinen sich also zwei militärische Organisationsbereiche zu einem Kommando unter der Leitung eines Zwei-Sterners, zum anderen vereinen sich zwei Führungskommando zu einem – und dieses neue Führungskommando soll sogar drei Drei-Sterner erhalten, wie cpm Defence Network aus üblicherweise gut unterrichteten Quellen erfahren konnte.

Das Operative Führungskommando soll eng dem BMVg zugeordnet werden, mit dem Stellvertreter des Generalinspekteurs als direkte vorgesetzte Stelle.

Abwertung der Inspekteure der Teilstreitkräfte?

Wie immer bei Veränderungen gibt es nicht nur Befürworter der Reform. So hörte cpm Defence Network aus Bundeswehrkreisen die Kritik, dass die Umstrukturierung eine Entmachtung der Teilstreitkräfte bedeute, da den vier Inspekteuren in Zukunft  drei gleichrangige Generale/Admirale im Operativen Führungskommando der Bundeswehr gegenüberstehen, die zudem über alle Unterstützungsleistungen für die Teilstreitkräfte entscheiden.

Ebenfalls aus Bundeswehrkreisen ist allerdings zu hören, dass diese Sichtweise eher die traditionellen Kampflinien um Erbhöfe, Besitzstandswahrung, Macht und Einfluss darstellten, als die erwartbare Realität nach der Bundeswehrreform. Gut unterrichtete Quellen aus dem Umfeld der Projektgruppe berichteten cpm Defence Network, dass genau diese herkömmlichen, als Klotz am Bein empfundenen Kriterien keine Rolle gespielt hätten, sondern bei der Erarbeitung der neuen Grobstruktur der Bundeswehr bewusst  rein professionelle und handwerkliche Argumente berücksichtigt wurden. Genau deshalb habe man sich z.B. für ein Operatives Führungskommando entschieden. „One Face to the Customer“ war demnach die Leitformel.

Doch zur Erarbeitung der neuen Struktur wurden nicht nur Theorien gewälzt. Ein mit allen relevanten Akteuren und Stakeholdern durchgeführter Rehearsal of Concept (ROC) Drill hat die grundsätzliche Dysfunktionalität von zwei operativen Kommandos nachgewiesen. Vor allem die Klarheit der Kommandowege im Rahmen der geforderten Kriegstauglichkeit ließ sich durch die Reduzierung auf ein Kommando dabei nachweislich und deutlich verbessern.

Gründe zur Auflösung der Streitkräftebasis

Das Hauptargument zur Auflösung der Streitkräftebasis (SKB) war für die Projektgruppe zur Bundeswehrreform: Die Zeit der großen Stabilisierungsoperationen ist vorbei. Die SKB hat ihren Auftrag zwar immer herausragend erfüllt, aber die Ausrichtung auf die Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) und die Kriegstauglichkeit der Bundeswehr benötigt diesen militärischen Organisationsbereich nicht mehr.

Die zentrale Erbmasse und damit der zentrale Teil der Erfolgsgeschichte der SKB, nämlich die Fähigkeitskommandos Logistik, Feldjäger, ABC-Abwehr und CIMIC, sind jedoch in der künftigen Struktur ohne Abstriche erhalten geblieben. Im Übrigen, so berichten die Quellen aus dem Umfeld der Projektgruppe, ein zentraler Verdienst von Generalleutnant Martin Schelleis, der diesen Ansatz in die Arbeit der Projektgruppe eingebracht hat.

Die noch im Eckpunktepapier (EPP), dem Plan zur Bundeswehrreform von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, vorgesehene teilweise Zerschlagung der Fähigkeitskommandos konnte so verhindert werden. Aus Sicht der Projektgruppe war dies die einzige schlüssige Lösung, da auch die Zerschlagung bzw. Neuunterstellung jener Fähigkeitskommandos, die im CIR abgebildet sind – z.B. ZGeoBw, EloKa oder das ZOpKomBw – interessanterweise zu keinem Zeitpunkt ein Diskussionsthema war.

Teilstreitkraftübergreifende Fähigkeiten wie die Logistik werden in Zukunft aus einer Hand durch das Kommando Unterstützung zur Verfügung gestellt.
Teilstreitkraftübergreifende Fähigkeiten wie die Logistik werden in Zukunft aus einer Hand durch das Kommando Unterstützung zur Verfügung gestellt.
Foto: Bundeswehr/Susanne Hähnel

Ein ebenfalls möglicher Ansatz, das ehemalige Kommando SKB zu einem Unterstützungskommando mit taktisch-operativer Erstbewertungsfähigkeit zu machen, wurde zugunsten flacher Strukturen durch die Projektgruppe nicht weiterverfolgt, sodass der Stab des Unterstützungskommandos tatsächlich eine rein truppendienstliche Klammer darstellt und mit einem Zwei-Sterner damit hinreichend besetzt erscheint.

Rettung der Identität der SKB

In dem gesamten Prozess habe sich Generalleutnant Schelleis „äußerst smart“ verhalten, lautet das Lob aus dem Umfeld der Projektgruppe und weiteren Bundeswehrbereichen. Er habe sich nicht gegen die Zeichen der Zeit gestemmt, sondern im Gegenteil mit gut vorbereiteten Konzepten das rausgeholt, was für seine Streitkräftebasis im Rahmen der aktuellen Bundeswehrreform rauszuholen war.

Der Inspekteur des Zentralen Sanitätsdienstes habe eine andere Taktik verfolgt und massiv versucht, Druck über zivile und politische Stellen zu entfachen, so die Quellen.

Am Ende des Tages geht jedoch auch die Sanität gestärkt aus der Bundeswehrreform hervor. Die noch im EPP vorgesehene Aufteilung der taktischen Sanitätskräfte auf die Teilstreitkräfte wurde im Sinne der Idee eines Fähigkeitskommandos verworfen. Der Organisationsbereich geht als neues und großes Kommando ohne Ressourcen- oder Fähigkeitsverlust in den Unterstützungsbereich. Die Sanität verliert zwar formal den Posten eines Inspekteurs, erhält dafür aber einen Chief Medical Officer direkt im BMVg.

Vereinfachung der Abstimmung durch die Bundeswehrreform

Abschließend betonten die Quellen, dass von einer Entmachtung der Inspekteure der Teilstreitkräfte keine Rede sein könne. Die Priorisierung der (zu) knappen Enabler und Force Multiplier sei schon immer auf Ebene des Einsatzführungskommandos bzw. im BMVg erfolgt. Denn diese Entscheidung sei eine operative, häufig eine strategische und könne daher gar nicht durch die Teilstreitkräfte gefällt werden.

An dieser Zuordnung hat sich auch in der neuen, zukünftigen Struktur nichts geändert. Außer der Tatsache, dass durch die Fusionierung von Einsatzführungskommando und Territorialem Führungskommando die Priorisierung unter Betrachtung aller zeitgleich anlaufende Aufträge in einer Krise nun aus einer Hand erfolgen kann.

Gemäß Osnabrücker Erlass sitzen im Militärischen Führungsrat (MFR) die vier Inspekteure der Teilstreitkräfte nun nur dem einem Befehlshaber des Operativen Führungskommandos gegenüber, statt einem Befehlshaber des Einsatzführungskommandos und des Territorialen Führungskommandos plus den Inspekteuren SKB und Sanitätsdienst.

Wo also die strukturelle Schwächung der Inspekteure oder Teilstreitkräfte durch die Bundeswehrreform liegen soll, sei nicht zu sehen. Bei der Bewertung der Maßnahmen durch einige Kritiker sei vielmehr eine Menge Phantomschmerz und sehr viel Kameralistik dabei, so der abschließende Kommentar gegenüber cpm Defence Network.

Mit WhatsApp immer auf dem neuesten Stand bleiben!

Abonnieren Sie unseren WhatsApp-Kanal, um die Neuigkeiten direkt auf Ihr Handy zu erhalten. Einfach den QR-Code auf Ihrem Smartphone einscannen oder – sollten Sie hier bereits mit Ihrem Mobile lesen – diesem Link folgen:

Beitrag teilen

Das könnte Sie auch interessieren

Anzeige

Verwendete Schlagwörter

BundeswehrBundeswehrreformPistoriusSanitätsdienstStreitkräftebasis
Index