Heute stellte Verteidigungsminister Boris Pistorius die neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien (VPR) vor. In fünf Kapiteln beschreibt der Minister darin zum einen das sicherheitspolitische Umfeld und zum anderen die daraus resultierenden Ableitungen für die Bundeswehr.
Im ersten Kapitel „Verteidigungspolitische Standortbestimmung“ wird die sicherheitspolitische Lage in der Welt dargelegt, mit Fokus auf die Auswirkungen des Angriffs Russlands auf die Ukraine. „Abschreckungsfähigkeit, Kriegstüchtigkeit sowie Wirksamkeit im Einsatz sind der Anspruch an eine zukunftsfähige, voll ausgestattete sowie dauerhaft und jederzeit einsatz- und kampfbereite Bundeswehr. Damit ist zeitgemäße Landes- und Bündnisverteidigung für die Bundeswehr strukturbestimmend“, ist in diesem Kapitel zu lesen. Aber auch: „Die Zeitenwende erfordert vor dem Hintergrund des erheblichen Aufholbedarfs der Bundeswehr und der bekannten finanziellen wie demografischen Rahmenbedingungen, ambitionierte Ziele und glaubwürdig-realistische Planungen miteinander in Einklang zu bringen.“
Das zweite Kapitel „Strategische Prioritäten der Verteidigungspolitik“ führt diesen Ansatz fort und nennt die wichtigsten Parameter, wie den „Ausbau robuster und gesicherter rüstungsindustrieller Kapazitäten“, die durchhaltefähige „Versorgung der Bundeswehr in Krise und Krieg“, aber auch die Schaffung von Ressourcen und Personalgewinnung für die Bundeswehr. Wobei die VPR hier klar benennen, dass angesichts des enormen Ausstattungsdefizits die Beschaffung nicht ohne Priorisierung möglich ist.
Das dritte Kapitel formuliert wiederum den „Kernauftrag und Aufträge der Bundeswehr“. Klar werden hier als vier Aufträge genannt:
- Landes- und Bündnisverteidigung,
- Stabilität fördern und resiliente Partner aufbauen als Beitrag zum Internationalen Krisenmanagement,
- Verteidigungsdiplomatie, Internationale Kooperation und Partnerschaft
- sowie Nationale Krisen- und Risikovorsorge sowie Unterstützungsleistungen.
Im Kapitel „Vorgaben für die Gesamtkonzeption militärischer Verteidigung“ wird beschrieben, wie die vorhandenen Ressourcen mit den Anforderungen verheiratet werden sollen. So ist hier als eine Herausforderung die Erfüllung sämtlicher Aufträge mit dem nur einmal vorhandenen Kräftedispositiv („Single Set of Forces“) benannt. „Fähigkeiten der Bundeswehr sind in einem Kräftedispositiv abgebildet, das nur einmal vorhanden ist. Das Single Set of Forces muss ein Höchstmaß an Flexibilität und Agilität und den Einsatz der Bundeswehr in unterschiedlichen Regionen sowie im gesamten Bedrohungsspektrum ermöglichen“, heißt es in den VPR. „Den Wirkungsgrad können wir weiter erhöhen, indem wir multinationale Partner und gesamtstaatliche Fähigkeiten einbinden. Darüber hinaus müssen wir Innovationen im Hochtechnologiebereich schneller nutzen können. Hierzu muss die Bundeswehr in die Lage versetzt werden, Innovationen schnell zu erschließen und in der Breite verfügbar zu machen.“
Die VPR schließen mit dem Kapitel „Grundlagen für eine leistungsfähige Bundeswehr der Zukunft“. Dieses definiert die Voraussetzungen, welche geschaffen werden müssen, damit die Bundeswehr auch ihren Auftrag erfüllen kann. „Die Bundeswehr muss personell und materiell jederzeit durchhaltefähig einsatzbereit sein. Die neue Qualität der Bedrohung unserer Sicherheit und die brutale Realität des Krieges in der Ukraine verdeutlichen, dass wir unsere Strukturen und Prozesse am Szenario des Kampfes gegen einen mindestens ebenbürtigen Gegner ausrichten müssen: Wir wollen diese Auseinandersetzung nicht nur gewinnen, sondern wir müssen. Dies gibt den Takt vor. Unbestritten ist dabei, dass die Bundeswehr ebenfalls jederzeit für Einsätze mit einem anderen Anforderungsprofil vorbereitet sein muss.“ Dazu zählen unter anderem eine zeitgerechte Bereitstellung von Infrastruktur, die Verschlankung der Bundeswehrverwaltung sowie die Rüstung auch anhand des Faktors Zeit.
Konsequenz der Zeitenwende
„Der Krieg ist mit Putins brutalem Angriff gegen die Ukraine nach Europa zurückgekehrt. Damit hat sich die Bedrohungslage verändert. Deutschland muss als bevölkerungsreichstes und wirtschaftlich starkes Land in der Mitte Europas das Rückgrat der Abschreckung und kollektiven Verteidigung in Europa sein“, betonte Verteidigungsminister Boris Pistorius bei der Vorstellung der VPR. „Die ersten Verteidigungspolitischen Richtlinien seit über einer Dekade sind Antwort auf diese neue Realität. Sie sind unser Instrument für ambitionierte, glaubhafte und realistische Planungen, damit Landes- und Bündnisverteidigung handlungsleitend und strukturbestimmend werden. Mit der Zeitenwende wird Deutschland sicherheitspolitisch erwachsen. Die Verteidigungspolitischen Richtlinien sind Richtschnur für den notwendigen, tiefgreifenden Mentalitätswandel in der gesamten Sicherheitspolitik.“
Der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Carsten Breuer ergänzte: „Deutschland und seine Verbündeten müssen sich wieder mit einer militärischen Bedrohung durch einen ebenbürtigen Gegner auseinandersetzen. Die Verteidigungspolitischen Richtlinien bilden das Fundament für unsere künftigen militärischen Fähigkeiten. Sie sind die Leitplanken für unsere Strukturen, Führungskultur, Personalgewinnung, Ausrüstung und Ausbildung. Auf ihrer Grundlage formen wir ein neues gemeinsames Selbstverständnis von Wehrhaftigkeit und Kriegstüchtigkeit.“
Die neuen Verteidigungspolitischen Richtlinien ersetzen in dieser Funktion das Weißbuch von 2016 sowie die Konzeption der Bundeswehr von 2018, ließ das BMVg verlauten. Als nächster Folgeschritt sollen die Vorgaben der Verteidigungspolitischen Richtlinien in ein neues Fähigkeitsprofil der Bundeswehr und in eine Militärstrategie überführt werden.
Dorothee Frank
Abonieren Sie unseren WhatsApp-Kanal, um die Neuigkeiten direkt auf Ihr Handy zu erhalten. Einfach den QR-Code auf Ihrem Smartphone einscannen oder – sollten Sie hier bereits mit Ihrem Mobile lesen – diesem Link folgen: