Zeitplan zur Umsetzung der Bundeswehrreform steht

Verteidigungsminister Boris Pistorius will seine Bundeswehrreform schnell umgesetzt sehen. Doch wenn nicht nur Türschilder verschoben werden sollen, dann dauert dies alleine schon angesichts der Größe der deutschen Streitkräfte. cpm Defence Network konnte nun aus üblicherweise gut unterrichteter Quelle den Zeitplan zur Umsetzung der Reform erfahren.

Der Sanitätsdienst der Bundeswehr besitzt national wie international einen hervorragenden Ruf, wobei er sich nicht nur in der Pandemie oder bei den jüngsten Evakuierungsmissionen bewährte. Seine Eingliederung in das Kommando Unterstützung im Zuge der Bundeswehrreform führt dementsprechend zu flächendeckender Kritik in Deutschland.
Der Sanitätsdienst der Bundeswehr besitzt national wie international einen hervorragenden Ruf, wobei er sich nicht nur in der Pandemie oder bei den jüngsten Evakuierungsmissionen bewährte. Seine Eingliederung in das Kommando Unterstützung im Zuge der Bundeswehrreform führt dementsprechend zu flächendeckender Kritik in Deutschland.
Foto: Bundeswehr/Anna Derr

Spätestens zum 1. Oktober dieses Jahres soll demnach die Feinausplanung der von Pistorius am 4. April vorgestellten Bundeswehrreform in allen Bereichen vorliegen. Danach ist diese neue Struktur bis zum 1. April einzunehmen, sodass die Bundeswehr am 1. April 2025 in der neuen Struktur vollumfänglich antreten kann.

Während einige Bereiche die neue Struktur sicherlich schneller einnehmen können, ist der Zeitplan besonders für die Streitkräftebasis (SKB) und den Sanitätsdienst durchaus sportlich. Beide müssen sich zum neuen „Kommando Unterstützung“ vereinen. Dieses soll zwar die räumlichen und materiellen Strukturen der heutigen Streitkräftebasis übernehmen – also auf der Hardthöhe in Bonn seine Heimat finden – dennoch ist das Zusammenwachsen zweier militärischer Organisationsbereiche kein einfaches Unterfangen.

Kritik an der Bundeswehrreform

Die aktuellen Planungen fußen zwar auf dem Eckpunktepapier zur Reform der Bundeswehr von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, doch statt die SKB und den Sanitätsdienst den Teilstreitkräften zuzuordnen, führt Pistorius sie – gemeinsam mit anderen Elementen, unter anderem der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) – im neu zu schaffenden Kommando Unterstützung zusammen.

Die Streitkräftebasis zeigt die für sie wichtigste Umgliederung auf einen Blick.
Die Streitkräftebasis zeigt die für sie wichtigste Umgliederung auf einen Blick.
Bild: Bundeswehr/Nathalie Poulheim

Während Kramp-Karrenbauer noch als Ersatz für den Verlust des Status als eigenständiger militärischer Organisationsbereich eine eigene Abteilung Sanitätsdienst im BMVg angedacht hatte – was sicherlich auch den Eindrücken aus der Corona-Pandemie geschuldet war – muss sich der neue Chief Medical Officer im neuen Organigramm des BMVg mit der Unterabteilung EBU III „Sanitätsdienst; PTBS; Betreuung; Veteranenangelegenheiten; Innere Lage“ als Element der Abteilung „Einsatzbereitschaft und Unterstützung Streitkräfte (EBU)“ zufrieden geben.

Ärztekammern sehen Qualitätsverlust durch Bundeswehrreform

Bereits bei der Vorstellung der Bundeswehrreform von Kramp-Karrenbauer im Jahr 2021 gab es Kritik auch aus der zivilen Ärzteschaft bzw. deren Organisationen. Dies wiederholte sich auch jetzt wieder bei der Vorstellung der Reform durch Pistorius. Alle Ärztekammern der deutschen Bundesländer haben zum Teil sehr deutliche Kritik geäußert.

So fordern etwa die Mitglieder der schleswig-holsteinischen Kammerversammlung in einem aktuellen Beschluss zur Bundeswehrreform die Beibehaltung der Eigenständigkeit des Bundeswehr-Sanitätsdienstes, um dessen „international anerkannte Leistungsfähigkeit des Sanitätsdienstes einschließlich der hohen Qualität der zivilen Patientenversorgung“ zu erhalten. „Die bisherigen Verantwortlichkeiten im Sanitätsdienst der Bundeswehr mit einer ärztlichen Leitung haben mehrfach gezeigt, dass sie gut funktionieren. Bei den Reformplänen der Bundeswehr muss daher zwingend darauf geachtet werden, diese Strukturen nicht zu zersplittern, um weiterhin eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung der Soldatinnen und Soldaten, aber auch der gesamten Bevölkerung sicherzustellen“, sagt Prof. Henrik Herrmann, Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein. „Die medizinisch-fachliche Weisungsfreiheit von Ärztinnen und Ärzten ist eine Grundvoraussetzung für eine gute Patientenversorgung. Das gilt sowohl für die Versorgung der zivilen Bevölkerung als auch für die der Soldatinnen und Soldaten.“

„Das ministerielle Ansinnen ist aus unserer Sicht weder zweckmäßig noch nachvollziehbar, insbesondere nicht unter den frischen Eindrücken der Ebola-Krisen, der Corona-Pandemie und dem aktuellen Ukraine-Krieg“, betont auch Dr. Wolfgang Miller, Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg, angesichts der geplanten Bundeswehrreform. „Wenn der Sanitätsdienst der Bundeswehr als eigenständiger Organisationsbereich aufgelöst und die entsprechenden Fähigkeiten künftig unter fachfremder Führung gemeinsam mit der Logistik in einem sogenannten Unterstützungsbereich betrieben werden, ist das für das sektorenübergreifende Versorgungssystem kontraproduktiv und schädlich im Hinblick auf die gesundheitliche Versorgung sowohl der Soldatinnen und Soldaten als auch der gesamten Bevölkerung.“

Minister schickt Inspekteur in den Ruhestand

Verteidigungsminister Boris Pistorius ist selbstverständlich wenig erfreut über diese geschlossene Ärztefront, besteht dadurch doch das Risiko, dass in Zukunft jeder Fehler bei der Versorgung von Verwundeten seiner Bundeswehrreform und somit auch seiner Person angelastet wird. Als Schuldigen identifizierte der Minister den Inspekteur Sanitätsdienst, Generaloberstabsarzt Dr. med. Ulrich Baumgärtner. Dieser stand im Verdacht, weiterhin gegen die Reform und die Auflösung seines militärischen Organisationsbereiches zu wirken. Das Vertrauen des Ministers in seinen Inspekteur Sanität ist also verschwunden, was in diesen Positionen die Versetzung in den Ruhestand bedeutet.

Wie cpm Defence Network erfahren konnte, wird Generaloberstabsarzt Dr. Baumgärtner zum 1. Mai dieses Jahres in den Ruhestand versetzt. Bereits zum Wochenende hatte Business Insider berichtet, dass der Inspekteur Sanitätsdienst innerhalb der nächsten zwei Wochen seinen Posten an einen Nachfolger übergeben muss.

Neuer Inspekteur Sanitätsdienst oder Chief Medical Officer?

Durch diese schnelle Absetzung stellt sich nun allerdings für den Minister die Frage, ob überhaupt ein neuer Inspekteur Sanitätsdienst ausgerufen werden soll. Der schließlich ein Drei-Sterner sein müsste und später auch ein Anrecht auf eine entsprechende Verwendung hätte, wofür im BMVg keine Position vorgesehen ist.

Aktuell werden zwei Namen gehandelt, die die Aufgaben eines voraussichtlichen Chief Medical Officer als Nachfolger von Generaloberstabsarzt Dr. Baumgärtner übernehmen könnten: Generalstabsarzt Dr. med. Ralf Hoffmann, Chef des Stabes Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr in Koblenz, und Generalstabsarzt Dr. med. Hans-Ulrich Holtherm, Kommandeur der Sanitätsakademie der Bundeswehr in München.

Die nächsten Wochen werden also Klarheit bringen, wie sich die nahe Zukunft des Sanitätsdienstes der Bundeswehr gestaltet. Und wer die entscheidenden Weichen stellen muss. Der Zeitplan zur Einnahme der neuen Struktur dieser Bundeswehrreform ist schließlich durchaus herausfordernd.

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