Jetzt ist es öffentlich: Bundeswehr-Reform vorgestellt

„Ich darf Ihnen heute vorstellen, wie die Bundeswehr der Zeitenwende aussehen wird“, eröffnete Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius heute die Vorstellung seiner Bundeswehr-Reform in Berlin. Der Minister hatte dort gemeinsam mit Generalinspekteur Carsten Breuer und Staatssekretär Nils Hilmer die neue Struktur der Bundeswehr vorgestellt.
Über Ostern wurde dem Minister ein Papier der Projektgruppe „Struktur Bundeswehr“ vorgelegt, welches nicht in allen Teilen bei der heutigen Entscheidung übernommen wurde. Im Kern geht es um eine optimierte Kommandostruktur, bei der „Verantwortungen gebündelt werden sollen“.

Bundeswehr-Reform: Begrüßung im Bendlerblock: Die erste Meldung an den neuen Verteidigungsminister Boris Pistorius.
Begrüßung im Bendlerblock: Die erste Meldung an den neuen Verteidigungsminister Boris Pistorius.
Foto: Bundeswehr

Schon länger war vermutet worden, dass das vor einem Monat an die Öffentlichkeit durchgestochene Papier nicht eins zu eins umgesetzt werden würde. Vermutet wurde, dass es zukünftig vier Inspekteure bzw. Teilstreitkräfte geben würde – CIR, Heer, Luftwaffe und Marine. Dazu kämen ein gemeinsames Führungskommando (Zusammenschluss aus Einsatzführungskommando und Territorialem Führungskommando) und ein neu zu gründendes Unterstützungskommando. Strittig war jedoch, welche Fähigkeiten in welcher Teilstreitkraft verbleiben bzw. überführt werden.

Streit unter den Generälen

Bei internen Meinungsverschiedenheiten soll es nach Informationen des Business Insiders vor allem um das zuletzt genannte Unterstützungskommando gegangen sein, welches für alle Teilstreitkräfte relevante Leistungen beinhalten solle. Sanität und Logistik, das Planungsamt der Bundeswehr und auch die Truppenübungsplätze sollen darin aufgehen. Andere Kräfte wie die ABC-Abwehr, der Heimatschutz, die zivil-militärische Zusammenarbeit und die Feldjäger sollten trotz des truppengattungsübergreifenden Bedarfs dem Heer unterstellt werden.

Diese Ausnahmeregelung hatte wohl zum Streit unter führenden Generälen gesorgt. Neben den Gesamtvertrauenspersonenausschuss (GVPA) hatte sich ursprünglich auch die Projektgruppe um Generalmajor Hoppe gegen die Ausnahmen zugunsten des Heeres ausgesprochen. Auch der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais, soll beim Generalinspekteur interveniert haben.

Nach Informationen des Business Insiders sollen laut Ministerium die Ausnahmen einer Fragmentierung der Landstreitkräfte entgegentreten, da „diese Fähigkeiten im Ernstfall schwerpunktmäßig Bedarfe der Dimension Land decken werden“.

Minister hat Struktur entschieden – Bundeswehr-Reform vorgestellt

Bei der Vorstellung der neuen Bundeswehr-Reform betonte Verteidigungsminister Pistorius die intensive Arbeit der Planungsgruppe, die sich intensiv mit allen Akteuren ausgetauscht hätte. Im Ergebnis gab es dann tatsächlich noch Änderungen. „Heute Morgen habe ich die Entscheidungen getroffen und die entsprechende Vorlage gezeichnet“, sagte Pistorius. „Die Heimatschutzkräfte werden dem Heer zugeordnet, also was auch dem Ernstfall natürlich dann entsprechend Sinn ergibt.“

Durchgesetzt haben sich bei der Bundeswehr-Reform letztlich doch die Kritiker der Ausnahmeregelungen für das Heer. „Im Unterstützungskommando sind die Fähigkeiten gebündelt, die in allen Dimensionen gebraucht werden“, erläuterte Pistorius, „insbesondere also zentraler Sanitätsdienst, Logistik, Feldjägerwesen, ABC-Abwehr und CIMEC, also die zivil-militärische Zusammenarbeit.“ Diese Entscheidung sei auch mit Rücksicht auf die aktuell hohe Belastung des Heeres gefallen, dass mit der Division Mittlere Kräfte und der Aufstellung der Brigade Litauen augenblicklich genug zu tun hätte, als unfertige Aufgaben zu übernehmen, die es dann anderen Truppengattungen zur Verfügung stellen müsse.

Generalinspekteur Carsten Breuer äußerte sich zur Zusammenlegung der beiden Führungskommandos: „Überall dort, wo wir sagen, das sind Gemeinsamkeiten, werden wir das zusammenführen, und da, wo es Spezifika sind, werden wir auch diese Spezifika so behalten.“ Daraus ergebe sich auch, dass beide Standorte in Berlin und Schwielowsee erhalten bleiben.

Das im Zuge der Bundeswehr-Reform neu zu schaffende Unterstützungskommando soll die räumlichen und materiellen Strukturen der heutigen Streitkräftebasis übernehmen.

Das sieht die Bundeswehr-Reform noch vor

Ziel der Reform bzw. Neustrukturierung sei es, eine kriegstüchtige Bundeswehr aufzustellen, die sich an den Leitprinzipien der Aufwuchsfähigkeit und Agilität sowie der Digitalisierung und der Innovationsoffenheit orientiert. Ein wichtiger Baustein dafür ist der Personalstamm. Von derzeit rund 181.500 Soldatinnen und Soldaten soll die Truppenstärke auf 203.000 anwachsen.

Genaue Angaben, wie diese erreicht werden soll, blieb auch heute unbeantwortet. Der Minister wies lediglich daraufhin, dass er Mitte April ein Papier aus seinem Haus erwarte, welches die verschiedenen Modelle einer Wehrpflicht genauer gegenüberstellt. Er hoffe, dann auch in Absprache mit den anderen Beteiligten der Regierung dann weiter zu kommen.

„Es ist klar, dass es Kritik gegeben hat in diesem Prozess und klar ist auch, es wird weiter Kritik geben“, fasste der Minister den momentanen Stand der Bundeswehr-Reform zusammen. „Das liegt aber geradezu in der Natur der Sache. Wenn es nicht so wäre, dann wäre es keine Reform. Eine Reform, die den Anspruch erhebt, eine zu sein, an der muss man sich auch reiben. […] Es gibt kein schwarz und weiß, es gibt kein nur richtig und nur falsch.“ Jetzt haben die Streitkräfte ein halbes Jahr Zeit, die vom Minister vorgegebene Struktur umzusetzen.

Navid Linnemann

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