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Die Herausforderungen der Digitalisierung der Bundeswehr

Alle zwei Jahre lädt das Fraunhofer FKIE zum Technologieforum nach Wachtberg. Ein besonderes Highlight in diesem Jahr war die heutige Diskussionsrunde der Stellvertretenden Inspekteure der Teilstreitkräfte, die für die Digitalisierung ihrer Bereiche die Verantwortung tragen und sich als Digitalisierungskreis alle halbe Jahr zur Abstimmung und dem gemeinsamen Austausch treffen.
Die vier Vertreter des Digitalisierungskreises der Bundeswehr, die Stellvertretende Inspekteure der Teilstreitkräfte CIR, Deutsche Marine, Luftwaffe und Heer, gaben beim FKIE-Technologieforum Einblick in ihre Sorgen mit sowie die möglichen Chancen durch eine bessere Digitalisierung der Bundeswehr.
Die vier Vertreter des Digitalisierungskreises der Bundeswehr, die Stellvertretende Inspekteure der Teilstreitkräfte CIR, Deutsche Marine, Luftwaffe und Heer, gaben beim FKIE-Technologieforum Einblick in ihre Sorgen mit sowie die möglichen Chancen durch eine bessere Digitalisierung der Bundeswehr.
Foto: Bundeswehr/Stefan Uj

Das aktuelle Treffen der Stv. Inspekteure fand im Vorfeld des Technologieforums und mit Impulsen durch die Wissenschaftler des FKIE statt, die Zuhörer konnten also den aktuellsten Sachstand erfahren. Doch blieb, bei allen positiven Botschaften, eine gewisse Ernüchterung zurück.

Erhöhung des Erfolgs mit Künstlicher Intelligenz

Möglichkeiten für die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) gibt es viele. „Die Ukraine setzt zur Verteidigung ihres Landes auch neuronale Netzwerke ein“, berichtet Generalmajor Jürgen Setzer, Stv. Inspekteur des Cyber- und Informationsraums (CIR), beim heutigen Panel. „KI-Verfahren unterstützen die Ukraine dabei, Open Source-Daten aus Social Media zu geolokalisieren und zu analysieren. Russische Soldaten, Waffensysteme, Einheiten und ihre Bewegung werden so identifiziert. Und diese schnelle Analyse und Auswertung umfassender Datenmengen für ein gemeinsames Lagebild wird natürlich zur schnelleren und effektiveren Zielbekämpfung genutzt.“

Als weiteres Beispiel für die enormen Entwicklungen in der Digitalisierung nannte Generalmajor Setzer die Piloten-KI Hivemind. Diese Entwicklung aus den USA kann unterschiedliche Systeme steuern, von einer Aufklärungsdrohne sogar in Gebäuden bis hin zu einem F16-Kampfjet. „Hivemind hat bereits erfahrene Piloten in Duellsituationen, sogenannten Dogfights geschlagen“, berichtet der Stv. Inspekteur CIR. „Ein F16-Kampfjet mit implementierter Hivemind-KI hatte in Duellen mit aktiven Kampfpiloten eine Erfolgsgebote von ca. 99 Prozent. Dies zeigt: KI ermöglicht die Erhöhung des Erfolgs von System und die Verbesserung vorhandener Fähigkeiten.“

Die Schere zwischen den USA und Deutschland

Doch in einigen Bereichen der Digitalisierung scheint Deutschland, oder besser gesagt Europa, den Anschluss an die Vereinigten Staaten verloren zu haben. „Manned-Unmanned-Teaming beginnen die Amerikaner mit der F-35 in diesem Jahr“, sagt Generalleutnant Lutz Kohlhaus, Stv. Inspekteur Luftwaffe. „Unser Plan war ursprünglich im Rahmen des Next Generation Weapon System – FCAS Future Combat Air System- ab 2040 mit Manned-Unmanned-Teaming und der Combat Cloud unter Industrieführerschaft Airbus zu beginnen.“ Doch dieser Zeitplan sei angesichts der starken aktuellen Bedrohung obsolet. Aktuell planten die Luftwaffe und das BMVg,zum Ende dieses Jahrzehnts in der Lage zu sein, mit Collaborative Wingmen zusammen zu fliegen.

„Wir haben keine Zeit“, betont Generalleutnant Kohlhaus. „Und wenn Sie sich die Liste der Großwaffensysteme ansehen, welche die Luftwaffe auch immer noch definiert und strukturiert, dann sehen Sie eine F-35, die vor 2027/28 überhaupt nicht zum Einsatz kommt. Sie sehen eine CH-47, die ungefähr im gleichen Zeitraum frühestens zum Einsatz kommt. Sie sehen ein Waffensystem IRIS-T SLM, was in diesen Tagen der Luftwaffe übergeben wird, aber in der Anzahl eins. Das wird sich ganz langsam nach oben entwickeln bis zu einer Größenordnung von sechs, allerdings auch in Abhängigkeit der weiteren Unterstützung der Ukraine.“

Allein diese Beispiele zeigten, dass zwar Waffensysteme zulaufen, aber nicht in der unmittelbaren Zukunft. „Und deswegen haben wir keine Zeit darauf zu warten, dass all dies in den Einsatz kommt, dass wir die Ausbildung abschließen, die Infrastruktur fertigstellen, sondern wir müssen vorher besser werden. Und wir können nur vorher besser werden durch die kurzen Innovationszyklen der Digitalisierung.“

Die Digitalisierung der Marine und das Radar

„Ich sehe täglich, dass wir Unmengen an Geld ausgeben, um unsere Systeme Instand zu halten. Und dass Digitalisierung in Teilen eben das ist, was unsere Kameradinnen und Kameraden an Bord als immensen Aufwand betrachten, der eben gerade nicht leicht von der Hand geht“, beschreibt Vizeadmiral Frank Lenski, Stv. Inspekteur Marine, seine Erfahrungen.

Und er nannte als Beispiel: „Ein reiner Radaranlagentausch bei einer Fregatte 123 scheiterte daran, dass die anbietende Industrie nicht mehr der Lage war, in ihr eigenes FüWes – Führungswaffeneinsatzsystem – dieses Radar zu integrieren. Sie hat ihr Radar dann zurückgezogen. Sie hat natürlich gleichermaßen zurückgezogen, ein anderes Radar von einer anderen Industrie in ihr eigenes System zu integrieren. Weil sie es entweder nicht konnte oder nicht schaffen wollte. Ergebnis der Siegerehrung: Wir haben quasi eine Fregatte ausgehöhlt bis auf den Kern eines Schiffes und packen von oben ein neues Waffensystem drauf.“ Dies bedeutet allerdings auch, dass es für die Fregatten ein zweites FüWes gibt.

Das Thema Software Defined Defence stocke zu großen Teilen, „weil wir X Systeme betreiben, die jeweils proprietär aus unterschiedlichen Schmieden kommen und bei denen wir uns jeweils die Frage stellen müssen: Ist der Mensch, der das programmiert hat, der das schlecht programmiert hat, überhaupt noch da und greifbar?“

Im Haushalt 2025 habe die Deutsche Marine erstmals das Thema Standard-FüWes einbringen können, sodass – analog zu vielen anderen Marinen weltweit – dann auch die Bundeswehr für alle ihre Schiffe und Boote ein einheitliches Führungs- und Waffensystem einführen könne. Doch dieses werde sich kaum auf die derzeit zulaufenden Einheiten auswirken. „Die nächste Fregattenklasse, die überhaupt erst in sechs Jahren zuläuft – wenn alles gut läuft – ist die F126. Da ist die Messe schon gesungen. Das ist schon längst unter Vertrag.“

Experimentalserie Land im deutschen Heer

Auch Generalleutnant Andreas Marlow, Stv. Inspekteur Heer, hob die notwendigen Änderungen im Rüstungsprozess für eine wirksame Digitalisierung hervor. „Wir müssen weg von einer plattformzentrierten Rüstung hin zu einer Rüstung, welche die Vernetzung der Systeme in der Dimension Land ganzheitlich betrachtet“, fordert Generalleutnant Marlow. Die Drohnen in der Ukraine würden alle zwei bis drei Tage ein Softwareupdate erhalten, um gegen die russischen Systeme wirksam zu bleiben. Demgegenüber stünden die deutschen Entwicklungs- und Einführungszyklen, die sich über Jahrzehnte ziehen können.

„Die Grundlage für die Weiterentwicklung der Waffensysteme ist das Feedback der Nutzer, also unserer Soldatinnen und Soldaten, welche die Geräte bedienen und am besten wissen, was erforderlich ist, was funktioniert, was nicht funktioniert, sowie der militärischen Führer, die auf den unterschiedlichen Ebenen diese Waffensysteme im Gefecht führen“, sagt Generalleutnant Marlow.

Zur besseren Beschaffung besonders von modernen Technologien im Bereich der Digitalisierung habe das Deutsche Heer die Experimentalserie Land eingeführt. „Bei dieser Experimentalserie erstellen wir – das Heer oder die Dimension Land – als Nutzer ein Szenario, damit wir zusammen mit allen möglichen Playern – Industrie, Universitäten, Forschungsinstitute und so weiter – marktverfügbare oder einzelne Produkte unter realistischen Bedingungen erproben können.“

Sicher sei, die Nutzung von unbemannten Systemen zur Aufklärung sowie die Nutzung von Künstlicher Intelligenz zur Datenauswertung werden integraler Bestandteil aller künftigen Kriege sein, da sie sowohl die Reaktionsgeschwindigkeit als auch die Wirksamkeit sowie die Präzision erhöhen. Doch dies erfordert ein Umdenken nicht nur des Nutzers, sondern auch der Industrie und der Beschaffer.

Künstliche Intelligenz zur Desinformation

Allerdings führt das Zeitalter der Digitalisierung nicht nur zu mehr Informationen, sondern auch zu mehr Desinformationen. „Bilder von Tod und Zerstörung lösen Emotionen aus und beeinflussen natürlich die öffentliche Meinung“, sagt Generalmajor Setzer. Dies sei ab dem Herbst 2023 gezielt von pro-palästinensischen Gruppen ausgenutzt worden. „Eine Flut von KI-generierten Bildern überschwemmt die sozialen Medien um Angst und Hass bei der Zivilbevölkerung, aber auch bei den jeweiligen Streitkräften zu schüren.“

Auch darauf müsse man sich in der Zukunft einstellen, dass Gegner kaum als Fälschungen erkennbare Desinformationskampagnen gegen die eigene Bevölkerung und somit auch die eigenen Soldatinnen und Soldaten richten.

Dies zeige, dass Digitalisierung aus allen Richtungen betrachtet werden müsse, wofür ein enger Schulterschluss zwischen den Streitkräften, der Wissenschaft und auch der Industrie notwendig sei. „Die Innovationslandschaft für die Entwicklung und den Einsatz von KI-Verfahren muss weiter auf und ausgebaut werden“, forderte dementsprechend Generalmajor Setzer beim heutigen Technologieforum. „Das FKIE ist hierfür nicht nur ein wichtiger, sondern vielmehr ein unverzichtbarer Partner der TSK CIR.“

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