Die Digitalisierung der Fähigkeiten und Prozesse der Bundeswehr ist, insbesondere auch vor dem Hintergrund der Erfahrungswerte aus aktuellen militärischen Konflikten, von höchster Relevanz für die Aufgabenerfüllung und Durchhaltefähigkeit der Bundeswehr im Szenario der Landes- und Bündnisverteidigung. Für das cpmFORUM steuerte Generalmajor a.D. Dr. Michael Färber, ehemaliger Abteilungsleiter Planung/Digitalisierung im Kommando Cyber- und Informationsraum (CIR), diese Analyse zum Stand Digitale Transformation bei:
Im Fokus stehen zunächst diejenigen IT-Serviceketten, die Führungsfähigkeit vom stationären Rechenzentrum in Deutschland bis zur Bereitstellung von digitalisierten Fähigkeiten auf dem Gefechtsfeld realisieren.
Mit der Digitalisierungsplattform der Bundeswehr ist das Instrumentarium eingeführt, um die Herausforderungen für die digitale Transformation der Bundeswehr durch Einführung von querschnittlichen, wiederverwendbaren und skalierbaren IT-Services zu lösen. Hierzu wurde das Teilportfolio Cyber/IT in neun funktionale Cluster aufgeteilt, die jeweils einen Anteil des Portfolios fachlich verantworten.
Im Zentrum Digitalisierung der Bundeswehr und Fähigkeitsentwicklung CIR (ZDigBw) ist diese Clusterstruktur durch die Aufstellung von neun Kompetenzzentren abgebildet. Im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) wird mit der Aufstellung von Projektorganisationen für die Cluster ebenfalls zunehmend eine Bündelung der Fachexpertise vollzogen.
Unter Einbindung der BWI GmbH und der Organisationsbereiche der Bundeswehr sowie des Verteidigungsministeriums ist für jedes Cluster ein Wirkverbund entstanden, der in enger Zusammenarbeit den beteiligten Stellen die planerische Umsetzung und Realisierung der im Cluster verantworteten IT- Services und Projekte unter dem besonderen Blickwinkel von Standardisierung und Harmonisierung sowie einer Beschleunigung der Beschaffung verantwortet.
Clusterübergreifend ist durch die Einführung eines zentralen IT-Bedarfs- und Anforderungsmanagements (IT-BAM) sowie die sich im Aufbau befindliche IT-Bebauungsplanung sichergestellt, dass die fachliche Ausrichtung der Cluster übergreifend gesteuert werden kann.
Die planerischen Maßnahmen der Cluster werden jeweils in einem Clusterprogramm im Sinne eines „Sammlers“ zusammengefasst und in den Integrierten Planungsprozess der Bundeswehr eingebracht.
Hierdurch wird sichergestellt, dass eine planerische Gesamtbetrachtung der Maßnahmen jedes Clusters stattfindet. Innerhalb der Clusterprogramme wird es zukünftig möglich sein, Maßnahmen auch unterjährig zu priorisieren und damit die Umsetzung von wichtigen Maßnahmen weiter zu beschleunigen.
Im Rahmen der planerischen Umsetzung der Projekte des Sondervermögens hat sich die Digitalisierungsplattform mit ihren Strukturen und Verfahren bereits nachweislich bewährt. Es ist in enger Zusammenarbeit des gesamten Wirkverbundes der Cluster gelungen, die Projekte im Teilportfolio Cyber/IT im Planungsprozess erheblich zu beschleunigen.
Digitale Transformation: Neuordnung CPM und IPD
Mit der beabsichtigten Überarbeitung des Integrierten Planungsprozesses der Bundeswehr (IPD) sowie der Ablösung des Customer Product Managements (CPM) durch die Projektbezogene Bedarfsdeckung und Nutzung (PBN) werden die Planungsprozesse der Digitalisierungsplattform festgeschrieben und zur Anwendung angewiesen. Insbesondere die Clusterprogramme als bedarfs- und haushaltsbegründende Dokumente, aber auch das IT-Bedarfs- und Anforderungsmanagement als zentrales Eingangstor für IT-Forderungen stellen damit Meilensteine der Digitalisierungsplattform dar.
Im IT-Bedarfs- und Anforderungsmanagement wird für IT-Forderungen künftig insbesondere darauf fokussiert, welche bereits eingeführten IT-Services gemäß IT-Bebauungsplanung einen Beitrag zur Erfüllung von Nutzerforderungen leisten können. Dieses Vorgehen wird zur Standardisierung im Teilportfolio Cyber/IT beitragen, aber auch zur beschleunigten Realisierung von IT-Lösungen.
Die Digitalisierung beschränkt sich nicht nur auf das Teilportfolio Cyber/IT, sondern muss vor dem Hintergrund zukünftiger Multi Domain Operations (MDO) und von Software Defined Defence (SDD) auch in die Projekte wirken, die im Planungsamt der Bundeswehr verantwortet werden („Fallgruppe Planung“).
Mit der Reduzierung der Anzahl der Fallgruppen des Integrierten Planungsprozesses auf die Fallgruppen CIT Abteilung Cyber/IT (CIT) und Planung werden hier klare planerische Verantwortungen geschaffen.
Künftig wird die Plattform für die digitale Transformation nach Vorgaben des Ressort Chief Information Officer (CIO) durch Bereitstellung von standardisierten IT-Services in Form von IT-Servicemodulen auch in die Projekte der Fallgruppe Planung wirken. Dies wird insbesondere durch die festgeschriebene Gegenzeichnung des Inspekteurs CIR für die Einhaltung der Vorgaben des Ressort CIO verdeutlicht. Dieses Vorgehen wird durch standardisierende Effekte wesentlich zur Interoperabilität im gesamten Aufgabenspektrum der Bundeswehr beitragen.
Was bedeutet das alles für MDO und SDD?
Multi Domain Operations beschreiben das orchestrierte Zusammenwirken von Effekten aus mehr als einer Dimension in andere Dimensionen. Sie sollen dazu beitragen, den Gegner zu überfordern, Prioritätendilemmata zu erzeugen und dadurch eigene Vorteile zu erzielen. Unverändert gilt dabei der Grundsatz, dass Informationsüberlegenheit zu Führungsüberlegenheit und folglich zu Wirkungsüberlegenheit auf dem (digitalen) Gefechtsfeld führt.
Konkret bedeutet dies, dass u.a. plattformunabhängiges, dimensionsübergreifendes und effektbasiertes Denken in Verbindung mit angepasster Geschwindigkeit bei der Entscheidungsfindung und -umsetzung erfolgskritisch werden. Die Realisierung eines digitalisierten Führungssystems, einschließlich der Interoperabilität zwischen heutigen und zukünftigen IT-Systemen, ist dabei ein wesentlicher Erfolgsfaktor für MDO.
In diesem Zusammenhang soll die Evolution der Fähigkeitsentwicklung hin zu Software Defined Defence (SDD) als bestimmendes Paradigma erfolgen. SDD ist ein Leitprinzip für die Streitkräfteentwicklung der Zukunft, was eine softwarezentrische Entwicklung, Bereitstellung und Anpassung militärischer Fähigkeiten beschreibt. Im Mittelpunkt steht hierbei das Ziel, Softwarepotenziale für die flächendeckende Steigerung der Leistungsfähigkeit der Bundeswehr zu nutzen.
Der datenzentrierte Ansatz für die digitale Transformation ist eines der Prinzipien von SDD. Er erfordert u.a. den Ausbau von Cloud-Lösungen (u.a. Multi Domain Combat Cloud – MDCC) über die Dimensionen und unterstützt den multinationalen Charakter.
Eine umfassende und durchgängige Einführung von SDD in die Bundeswehr als Planungsparadigma, inklusive der flexiblen, auf die Softwarezyklen ausgerichtete Bereitstellung von Rechenleistung, wird ein langjähriger Prozess sein – eine konsequente Umsetzung ist jedoch entscheidender Bestandteil für die ganzheitliche Entwicklung der MDO-Befähigung der Streitkräfte.
Mit einer Reihe von kurz- bis mittelfristigen Maßnahmen kann die Einführung von SDD gefördert und beschleunigt sowie zum erforderlichen MDO-Bewusstsein beigetragen werden.
Dazu zählen einerseits die schrittweise Umsetzung einer zunehmenden Datenzentrierung sowie das Schließen von Fähigkeitslücken innerhalb von Wirkketten durch Software, insbesondere durch die Softwarebefähigung von Altsystemen und entsprechender Bereitstellung von Rechenleistung durch und für diese Systeme, andererseits aber auch die Entwicklung von Schlüsselfähigkeiten, wie einem IT-Service für die Verknüpfung von Sensoren und Effektoren bei gleichzeitiger Generierung eines KI-gestützten Lagebildes für Entscheider.
Generalmajor a.D. Dr. Michael Färber,
ehemaliger Abteilungsleiter Planung/Digitalisierung, Kommando Cyber- und Informationsraum
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