Die Reservistinnen und Reservisten bilden das Rückgrat der Bundeswehr, auch als Botschafter des Prinzips „Staatsbürger in Uniform“. Neben ihrer wertvollen Arbeit tragen sie sicherheitspolitische Themen in die Gesellschaft, machen die Bundeswehr greifbar. Doch nun stehen sie unter Generalverdacht was unter anderem bedeutet, dass sie nicht mehr, wie über die Jahrzehnte üblich, an Kriegswaffen ausgebildet werden dürfen.
Die Bundeswehr ist ein Spiegelbild der Gesellschaft, inklusive Vertretern von seltsamen bis seltsamsten Weltanschauungen. In den Zeiten der Wehrpflicht wurden die jungen Männer auf ihre körperliche Tauglichkeit geprüft und eingesetzt, welche Gesinnung sie im weiteren Verlauf ihres Lebens annehmen, das konnte niemand wissen. Kritisch wurde dies, als Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen im November 2018 das Veteranenabzeichen einführte und dabei bestimmte: „Veteranin oder Veteran der Bundeswehr sind alle, die Deutschland dienen oder gedient haben und ehrenhaft aus diesem Dienstverhältnis ausgeschieden sind.“ Also auch jeder Wehrpflichtige.
Das Veteranenabzeichen kann jeder Berechtigte selbst für sich beantragen. Seitdem ist dieses immer wieder bei Personen zu sehen, mit welchen die Bundeswehr eigentlich nicht in einen Topf geworfen werden darf. Vom Reichbürger über Mitglieder der Identitären Bewegung bis zur selbsternannten Bürgerwehr im ostdeutschen Ländle posieren Männer mit diesem offiziellen Abzeichen und schaffen dadurch eine vermeintliche Nähe zur Bundeswehr, die real – bis auf einige Monate Dienst – nie bestand.
Doch diese Bilder setzen sich in den Köpfen der Menschen und besonders der Politiker fest. Probleme mit einzelnen – meistens rechtsextremen – Auswüchsen in der aktiven Truppe kommen hinzu. Die Verbindung solcher Gesinnungen mit Kriegswaffen will natürlicherweise niemand, Skandale oder Schlimmeres stehen zu befürchten.
Wie mit diesem Problem dann am Ende umgegangen wird, zeigt allerdings, warum der Begriff „Deutsche Gründlichkeit“ mittlerweile weltweit bekannt ist. Zum 1. Oktober 2022 wurde das deutsche Reservistengesetz um den § 3a ergänzt: „(1) Für jede beorderte Reservistin und jeden beorderten Reservisten, die oder der zu einer in § 60 des Soldatengesetzes genannten Dienstleistung bestimmt ist, ist vor Beginn der Dienstleistung eine einfache Sicherheitsüberprüfung durchzuführen. (2) Für jede Reservistin und jeden Reservisten, mit oder ohne Beorderung, die oder der zu einer in § 60 des Soldatengesetzes genannten Dienstleistung herangezogen wird, ist vor der Heranziehung zur Dienstleistung eine einfache Sicherheitsüberprüfung durchzuführen.“
So weit, so einfach. Scheinbar. Denn in der Umsetzung zeigen sich die Probleme. „Da nicht alle beorderten, also einer Dienststelle fest zugeordneten, Reservistinnen und Reservisten gleichzeitig durch das Bundesamt für den militärischen Abschirmdienst (BAMAD) überprüft werden können und zudem sehr viele Anpassungen in den bisher gängigen Verfahren der Reservistenarbeit notwendig geworden sind, musste ergänzend zu der entsprechenden Norm eine vorläufige Verfahrensanweisung erlassen werden“, berichtet eine Sprecherin des Streitkräfteamtes gegenüber cpm Defence Network. Es existiert sogar für die beorderten Reservisten eine Übergangsfrist, in der sie auch ohne Sicherheitsüberprüfung weiter Dienst leisten können, damit das BAMAD diese Aufgabe überhaupt stemmen kann. Für nicht-beorderte Reservisten ist dementsprechend überhaupt keine Kapazität vorhanden, weshalb diese generell – Schuldig bis zum Beweis der Unschuld – von der Übung an Kriegswaffen sowie der neuen Schießausbildung ausgeschlossen sind.
„Unbeorderte Reservistinnen und Reservisten sind nicht fest einer Dienststelle zugeordnet, um dort auch einmal eine Dienstleistung von wenigen Tagen bis hin zu mehreren Monaten zu leisten, sondern nehmen generell lediglich an sogenannten Dienstlichen Veranstaltungen (DVag) vorzugsweise am Wochenende teil“, beschreibt die Sprecherin des Streitkräfteamtes. „Lediglich für eine Teilnahme an DVag ist keine Sicherheitsüberprüfung vorgesehen. Insofern darf diese Personengruppe nun nicht mehr an Aus- Fort- und Weiterbildungen an Kriegswaffen teilnehmen. Ein Qualifikationserhalt, z.B. an allen Waffen an denen der/ die Unbeorderte bisher ausgebildet wurde, darf hingegen weiterhin erfolgen. Also wer bisher zum Beispiel das Gewehr G36 schießen durfte, wird das auch in Zukunft tun dürfen. Darüber hinaus darf jede/r Unbeorderte an allen anderen allgemeinmilitärischen Ausbildungen jederzeit und ohne Sicherheitsüberprüfung teilnehmen.“
Gerade die Teilnehmer der DVag waren allerdings der Großteil der Reservisten. Sie lebten an diesen Wochenenden die Kameradschaft, engagierten sich ehrenamtlich in den Vereinen und Vereinigungen und trugen somit die Botschaften der Bundeswehr in die Gesellschaft. Punkte, die bei dem aktuellen Ausschluss von der Ausbildung und Übung mit Kriegsgerät keine Bedeutung mehr besitzen. So bemerkte auch die Sprecherin des Streitkräfteamts gegenüber cpm Defence Network: „Die Einführung der BeoHSÜ hat besonders das mit der Reservistenarbeit betraute Personal an „der Basis“ vor Herausforderungen gestellt, da einerseits alle damit in Zusammenhang stehenden Verfahren überprüft und angepasst werden mussten, andererseits dieses Personal im ständigen Dialog mit den Reservistinnen und Reservisten steht und dem anfänglichen Unverständnis oder auch Unmut über die Veränderung begegnen musste. Unterschiedliche Auslegungen der ursprünglichen Verfahrensanordnung innerhalb der Landeskommandos kamen hinzu, zudem haben sich in der Umsetzung und Anwendung weitere Fragen ergeben.“ Es ist also erneutes Nachsteuern notwendig. Die Sprecherin sagte hierzu: „Das Kompetenzzentrum Reservistenangelegenheiten Bundeswehr erstellt derzeit in Zusammenarbeit mit beauftragtem Personal für Reservistenarbeit eine bundeswehrinterne Weisung, welche den Landeskommandos Handlungssicherheit geben soll.“ Von einem Abweichen von der Sicherheitsüberprüfung ist allerdings aktuell nicht die Rede.
Dorothee Frank
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