Bald wieder Wehrpflicht für Männer

Die Wehrpflicht kommt – und zwar schneller als erwartet. Dies erfordert allerdings, dass sie auf der aktuell gültigen Gesetzeslage basiert und deshalb nur für Männer gilt, wie cpm Defence Network aus gut unterrichteten Kreisen erfahren konnte.
Die Wiedereinführung der Wehrpflicht für Männer soll noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg gebracht werden, wie cpm Defence Network aus gut unterrichteten Kreisen erfahren konnte.
Die Wiedereinführung der Wehrpflicht für Männer soll noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg gebracht werden, wie cpm Defence Network aus gut unterrichteten Kreisen erfahren konnte.
Foto: Bundeswehr/Sherifa Kästner

Eine Änderung des Grundgesetzes bzw. dessen Artikel 12a erfordert eine Zwei-Drittel-Mehrheit im deutschen Bundestag. Dies bedeutet in der aktuellen Zusammensetzung eine Unterstützung durch die CDU/CSU-Fraktion. Doch deren Preis für die Zustimmung sei „zu hoch“.

Keine Massenheere des Kalten Krieges

Die aktuellen Pläne des BMVg, denen die Regierung auch grundsätzlich zustimmt, sieht eine Dienstpflicht nach Art des schwedischen Modells vor. Wie cpm Defence Network erfahren konnte, sollen nach diesen Plänen alle Männer der entsprechenden Jahrgänge einen Online-Fragebogen ausfüllen, in dem sie neben Fragen zur Sportlichkeit und körperlichen Parametern auch beantworten müssen, ob sie sich vorstellen könnten zur Bundeswehr zu gehen und wenn ja, welche Teilstreitkraft, welche Bereiche und welche Standorte sie bevorzugten. Nach Auswertung dieser Fragebögen werden nur die passenden Kandidaten gemustert und bei Eignung zum Dienst in der Bundeswehr verpflichtet.

Mit diesen verpflichteten jungen Männern soll allerdings kein Massenheer nach dem Vorbild des Kalten Krieges bereitstehen, sondern vielmehr die Personallücke von rund 20.000 Soldaten zur planerischen Soll-Stärke der Bundeswehr geschlossen werden. Natürlich in der Hoffnung, dass – wie früher – sich der Bestand an Zeit- und Berufssoldaten ebenfalls aus dem Pool der Wehrpflichtigen rekrutieren lässt.

Zeitplan zur Umsetzung

Die Entscheidung soll noch in dieser Legislaturperiode fallen. Gesetzlich sind hierfür keine Änderungen notwendig, da die Wehrpflicht nie abgeschafft, sondern nur ausgesetzt wurde.

Diesen schnellen Zeitplan zur Umsetzung seiner Vorstellung einer Wehrpflicht deutete auch Verteidigungsminister Boris Pistorius bei seiner gestrigen Rede im Deutschen Bundestag an. „Putins Kriegswirtschaft arbeitet auf einen weiteren Konflikt zu. Wir müssen bis 2029 kriegstüchtig sein“, betonte Pistorius. „Wir müssen Abschreckung leisten, um zu verhindern, dass es zum Äußersten kommt.“ Die Bereiche Personal, Material und Finanzen seien hierfür von entscheidender Bedeutung.

„Im Ernstfall brauchen wir wehrhafte Frauen und Männer, die dieses Land verteidigen können. Wir müssen durchhaltefähig und aufwuchsfähig sein“, so der Minister. „Ich bin überzeugt: Wir brauchen eine neue Form des Wehrdienstes. Hierzu werde ich zeitnah einen Vorschlag machen, den ich mit Ihnen und den Menschen im Land diskutieren will. Ich kann aber bereits sagen, dass ein solcher Wehrdienst nicht völlig frei von Pflichten welcher Art sein kann.“

Die Gesetzeslage zur Wehrpflicht

Da die Bundesregierung aktuell keine Chance auf eine Zustimmung der CDU/CSU-Fraktion zur Änderung des Grundgesetzes sieht, bleibt der Wortlaut des Artikel 12a GG (1) bestehen: „Männer können vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden.“ Männer, nicht Frauen.

Der sich auf Frauen beziehende Abschnitt 4 des Artikel 12a GG lautet wiederum: „Kann im Verteidigungsfalle der Bedarf an zivilen Dienstleistungen im zivilen Sanitäts- und Heilwesen sowie in der ortsfesten militärischen Lazarettorganisation nicht auf freiwilliger Grundlage gedeckt werden, so können Frauen vom vollendeten achtzehnten bis zum vollendeten fünfundfünfzigsten Lebensjahr durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes zu derartigen Dienstleistungen herangezogen werden.“

Für Männer sieht das Grundgesetz also eine nicht an äußere Umstände gebundene Dienstpflicht vor, bei Frauen muss hingegen der Verteidigungsfall ausgerufen worden sein.

Europäischer Gerichtshof entscheidet pro Wehrpflicht

In der Vergangenheit gab es bereits Männer, die gegen diese Grundlage der deutschen Wehrpflicht klagten. Dass eine solche Ungleichbehandlung von Männern und Frauen allerdings juristisch zulässig ist, bestätigte unter anderem der Europäische Gerichtshof am 11. März 2003. Seinerzeit klagte Alexander Dory gegen die Bundesrepublik Deutschland mit der Begründung, dass eine Wehrpflicht nur für Männer gegen das Gemeinschaftsrecht, insbesondere gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, verstoße. Sie stelle eine rechtswidrige Diskriminierung von Männern dar, so die Klage.

Dieser Ansicht widersprach der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil (C-186/01 – Dory). Dabei gab auch den Ausschlag, dass nach Ansicht der Richter die Wehrpflicht der Organisation der Streitkräfte zuzuordnen sei, der als wichtiger Bereich der staatlichen Hoheitsrechte in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten verblieb.

Neben Deutschland waren seinerzeit auch Frankreich und Finnland an dem Rechtsstreit vor dem Europäischen Gerichtshof beteiligt, um sich für die nationale Bestimmungsfreiheit in Bezug auf ihre jeweilige Wehrpflicht einzusetzen. Erfolgreich, wie das Urteil vom März 2003 bewies.

Selbstbestimmungsrecht des Geschlechtes

Ein Schlupfloch für Männer bietet höchstens das im April dieses Jahres für Deutschland erlassene „Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag“ (SBGG). Paragraph 9 des SBGG lautet: „Die rechtliche Zuordnung einer Person zum männlichen Geschlecht bleibt, soweit es den Dienst mit der Waffe auf Grundlage des Artikels 12a des Grundgesetzes und hierauf beruhender Gesetze betrifft, für die Dauer des Spannungs- oder Verteidigungsfalls nach Artikel 80a des Grundgesetzes bestehen, wenn in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit diesem die Änderung des Geschlechtseintrags von „männlich“ zu „weiblich“ oder „divers“ oder die Streichung der Angabe zum Geschlecht erklärt wird. Der zeitliche Zusammenhang ist unmittelbar ab einem Zeitpunkt von zwei Monaten vor Feststellung des Spannungs- oder Verteidigungsfalls sowie während desselben gegeben.“

Wer also über zwei Monate vor der Erklärung des Spannungsfalles sein Geschlecht im Personensachstandsregister von männlich zu weiblich oder divers geändert hat, bleibt von der Wehrpflicht ebenso ausgeschlossen wie alle biologisch eindeutig definierten Frauen.

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