Bundeswehr im Spiegel der Demokratie – Extremismus-Studie in der Truppe

Das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) beleuchtet die Wahrnehmung der Soldatinnen und Soldaten in Politik und Gesellschaft. In einer jetzt vorgestellten Studie zeigt das Zentrum, wie die Truppe ihre Rolle in der Demokratie versteht und welche Herausforderungen dabei bestehen. Konkret untersucht wurde erstmals, ob und wie extremistische Ideologien in der Bundeswehr verankert sind.

Armee in der Demokratie Paradeaufstellung.
Paradeaufstellung.
Foto: CPM / Navid Linnemann

Das Soldatengesetz verlangt von den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr ein aktives Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung. Gerade nach Skandalen – wie zuletzt beim KSK 2020 – wird in Medien und Gesellschaft die Frage diskutiert, wie verfassungstreu die Truppe eigentlich ist. Eine wissenschaftliche Untersuchung gibt jetzt eine Antwort auf diese Frage. Die Studie „Armee in der Demokratie“ von Markus Steinbrecher, Heiko Biehl und Nina Leonhard untersuchte Ausmaß, Ursachen und Wirkungen von politischem Extremismus in der Bundeswehr.

Wer selbst gedient hat, kennt das Konzept des „Staatsbürgers in Uniform“. Soldatinnen und Soldaten tragen nicht nur die Verantwortung für die Verteidigung des Landes nach außen, sondern auch für die Wahrung demokratischer Werte im Inneren. Doch wie sehen sie selbst ihre Rolle in der Demokratie, und wie wird die Bundeswehr von der Gesellschaft wahrgenommen?

Ziel und Umsetzung der Extremismus-Studie

Die Studie wurde in Form von Fragebögen Ende 2022 durchgeführt. Sie richtete sich sowohl an Uniformträger als auch an Zivilisten außerhalb der Bundeswehr, um eine entsprechende Vergleichsgruppe zu haben. Untersucht wurden Einstellungen, Meinungen und Verhaltensweisen im Kontext von Politik, Demokratie und Gesellschaft. Die Teilnahme war freiwillig und anonym, um eine möglichst offene und ehrliche Rückmeldung zu gewährleisten.

Die Forschungsfragen

  • Wie groß ist das Ausmaß extremistischer Einstellungen unter den zivilen und militärischen Angehörigen der Bundeswehr?
  • Was sind die Ursachen dieser Einstellungen?
  • Wie wird mit politischem Extremismus in der Bundeswehr umgegangen?
  • Wie ist das Verhältnis der Bundeswehrangehörigen zu Politik und Gesellschaft?
  • Welche Bedeutung hat Politik für das soldatische Selbstverständnis?

Bundeswehr: Teil der Gesellschaft, Teil der Demokratie

Die Studie lieferte teils erstaunliche Ergebnisse. Beispielsweise ist die Bundeswehr in der deutschen Gesellschaft heute breit verankert und genießt ein höheres Ansehen, als unter Soldatinnen und Soldaten angenommen. Eine andere Untersuchung des ZMSBw ergab 2024, dass fast 90 Prozent der Bevölkerung die Bundeswehr als wichtigen Bestandteil der Gesellschaft und als Garant für die freiheitlich-demokratische Grundordnung (FDGO) betrachten.

Der Grund für den hohen Wert könnte in der deutlich gestiegenen Bedrohung durch Russland liegen. Die Demokratie-Studie des ZMSBw ergab jedoch, dass nur rund elf Prozent der Uniformtragenden selbst glauben, die Bevölkerung würde hinter ihren Streitkräften stehen. Das ist ein eklatantes Missverhältnis. Möglicherweise hat sich diese Diskrepanz in den vergangen zweieinhalb Jahren reduziert – es braucht schließlich Zeit, die in der Bevölkerung angekommene „Zeitenwende“ auch in der Truppe zu realisieren.

Mit Blick auf die Soldatinnen und Soldaten zeigt die Studie „Armee in der Demokratie“, dass die Truppe dort steht, wo sie gemäß Verfassung stehen soll: in der Mitte. Die Studie nennt als einen Grund, dass Bewerberinnen und Bewerber keinen  Zugang zu Bundeswehr finden, sollten extremistische Einstellungen festgestellt werden. Angeführt wird auch, dass die Konzepte der Bundeswehr – wie beispielsweise die politische Bildung in Kasernen – Früchte tragen.  Soldatinnen und Soldaten stehen fester auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung als die Durchschnittsgesellschaft.

Lediglich 0,4 Prozent der Soldatinnen und Soldaten haben laut der ZMSBw-Studie ein „verfestigtes rechtsextremes Weltbild“. In der Durchschnittsbevölkerung liegt dieser Wert („Mitte-Studie“) im selben Zeitraum bei über acht Prozent. Auch die Zustimmung zur FDGO ist – teilweise deutlich – höher unter Angehörigen der Bundeswehr im Gegensatz zum Bevölkerungsdurchschnitt.

Die Bundeswehrangehörigen würden zudem eine hohe Resistenz gegen Verschwörungstheorien und die Thesen der Reichsbürgerszene zeigen. Die für diese Szene typische Ansicht, die Bundesrepublik Deutschland sei kein legitimer Staat, würden weniger als fünf Prozent der Soldatinnen und Soldaten teilen. Dieser Wert überrascht. Die Angehörigen der Streitkräfte der seit 75 Jahren bestehenden Bundesrepublik sollten eigentlich ausnahmslos hinter diesem Staat stehen.

Rechtsextreme Oppositionspartei als rechtsextrem erkannt

Die Bundeswehr steht vor der Aufgabe, ihre Rolle in der Demokratie kontinuierlich zu reflektieren und womöglich nachzusteuern. Das gilt insbesondere, nach dem seit dieser Woche eine langdauernde Prüfung des für die Wahrung der FDGO essenziellen Verfassungsschutzes zu einem Ergebnis gekommen ist: Die größte Oppositionspartei im Bundestag ist demnach nicht mehr nur ein „rechtsextremistischer Verdachtsfall“ mit drei rechtsextremistischen Landesverbänden, sondern die Bundespartei selbst gilt nun als „gesichert rechtsextremistisch“.

Auch wenn diese Einstufung nicht unmittelbar zu einem Verbotsverfahren führen muss, kann sie für Angehörige der Streitkräfte – wie auch für Angehörige von Polizei und anderen Behörden – zu harten Konsequenzen führen. Erste Bundesländer haben bereits angekündigt, etwaige Mitglieder der Partei im Staatsdienst einer Prüfung zu unterziehen.

Die Extremismus-Studie des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr lässt jedoch den Schluss zu, dass zumindest bei der Bundeswehr nur wenige Mitglieder dieser Partei zu überprüfen wären. Dennoch sollte sich die Bundeswehr – falls sie es nicht bereits macht – aktiv mit dieser neuen Situation befassen. Nur als „Armee in der Demokratie“ kann sie das Vertrauen der Bevölkerung langfristig sichern und weiter ausbauen.

 

Die Studie des ZMSBw kann hier abgerufen werden.

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