Vom Nebel des Krieges zum gläsernen Gefechtsfeld: Der moderne Krieg hat sich in vielerlei Hinsicht stark verändert. Von entscheidender Bedeutung für eine erfolgreiche Kriegsführung ist die Informationslage, die zu bemerkenswert großen Teilen aus frei zugänglichen Daten besteht. Diese werden im Rahmen der Open Source Intelligence (OSINT) gesammelt und analysiert. Wie das funktioniert, erläuterte OTL d. R. Philipp Starz (Senior Business Development Manager bei der Traversals Analytics and Intelligence GmbH) heute Abend im Rahmen eines Vortrags für die RAG 4.0 des Reservistenverbandes.
„Der Krieg ist das Gebiet der Ungewissheit“, stellte Carl von Clausewitz seinerzeit fest und mag damals recht gehabt haben. Der aus dieser Ungewissheit resultierende Nebel des Krieges ist laut Philipp Starz heute jedoch dem Gläsernen Gefechtsfeld gewichen. „Das bedeutet“, erklärte der Oberstleutnant der Reserve in seinem Vortrag, „dass es fast sogar einen Informations-Overload gibt; zu viele Informationen, die man eben auch alle auswertbar machen muss. Und hier trägt vor allem die Künstliche Intelligenz (KI) einen wesentlichen Teil dazu bei.“
Dabei ersetze die Künstliche Intelligenz keinesfalls den menschlichen Analysten. Laut Starz mache KI dessen Arbeit lediglich einfacher, damit dieser sich „nicht mehr mit Routineaufgaben beschäftigen muss, wie eben mit der Suche oder der Sammlung von Informationen“. Im Vordergrund steht dann die reine Analyse.
KI-Algorithmen durchsuchen beispielsweise Suchmaschinen und soziale Netzwerke nach bestimmten Schlagwörtern und bereinigen die Ergebnisse nach vorher definierten Kategorien. Doch KI, wie die von der Traversals angebotene, müsse erst lernen, dass nicht jeder Treffer, der z. B. das Wort „Bombe“ enthält, auch ein gewünschter Treffer ist. Wird beispielsweise nach Bombenanschlägen gesucht, stört es eher, wenn die durch OSINT gesammelten Daten auch Kommentare unter Fotos von attraktiven Menschen auf Instagram beinhalten. Der Kontext ist entscheidend – und das muss KI erlernen.
OSINT stößt auch an Grenzen
Möglich machen das Unternehmen wie Traversals, deren Lösungen international stark gefragt sind. Kein Wunder, denn die Daten – die viele von uns freiwillig und oft unbedacht im Internet teilen – sind zu einer eigenen Ressource geworden. Vom Öl des 21. Jahrhunderts ist vielfach die Rede. Das gilt nicht nur für die Wirtschaft, die dank der Daten personalisierte Werbung schalten kann, sondern eben auch für militärische und nachrichtendienstliche Zwecke, die durch OSINT eine breite Datengrundlage erhalten.
Ein Beispiel für moderne Datengewinnung ist die sogenannte Federated Search von Traversals. Eine Suchmöglichkeit, die alle relevanten Quellen kombiniert – und das in mehreren Sprachen und mit diversen Filtermöglichkeiten. Darauf aufbauend bietet Traversals KI-Lösungen an, um die Masse der Daten in geordnete Bahnen zu lenken und sie strukturiert darzustellen. Wichtig dabei ist: All diese Daten sind frei und legal im Netz auffindbar – Open Source Intelligence eben.
Doch der OSINT-Ansatz stößt naturgemäß an seine Grenzen. Das wird am Beispiel Chinas deutlich. „Die wollen ihre Deutungshoheit über den Informationsraum nicht verlieren und keine Informationen abfließen lassen.“, erklärt Starz im OSINT-Vortrag. Denn in China werden gerade soziale Netzwerke stark vom Rest der Welt abgeschottet. Zum einen, damit die eigene Bevölkerung möglichst wenig Einflüssen von außerhalb ausgesetzt ist, zum anderen aber auch, damit das Ausland sich kein Bild vom Geschehen in China machen kann.
Die verkannte Aufklärungsdisziplin: OSINT
Doch laut Starz ist OSINT nur eine von mehreren Aufklärungsdisziplinen, um die zahlreichen für die Entscheidungsfindung notwendigen – oder wenigstens hilfreichen – Informationen zu gewinnen, zu sortieren und zu analysieren. Neben ihr gibt es vier weitere Disziplinen, wie beispielsweise GEOINT, bei der Standortdaten analysiert werden, oder COMINT, also klassischer Fernmeldeaufklärung.
Das Besondere an OSINT: Dieser Bereich der Aufklärung wurde laut Starz lange Zeit belächelt, obwohl die aus ihm gewonnen Daten 90 bis 95 Prozent der gesamten Aufklärung ausmachen.
OSINT-Fallbeispiel: Ukraine
Dabei liegt die Stärke der öffentlich zugänglichen Informationen gerade in ihrer Masse und einfachen Erreichbarkeit. Ein gutes Beispiel bietet hier der Krieg gegen die Ukraine. Dort entwickelte man relativ zügig die Smartphone-App eVorog – praktisch ein Chatroboter, der via Telegram bedient wird.
Zivile Nutzer haben die Möglichkeit, Beobachtungen von russischen Truppenbewegungen u. ä. direkt an die Behörden zu melden. So entsteht ein detailliertes Lagebild praktisch in Echtzeit. Diese Vorgehensweise der Datengewinnung im Rahmen von OSINT wird auch Crowdsourcing genannt. Sie hat sich bereits mehrfach in der Ukraine bewährt.
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