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Feldjäger Mehrwert und Herausforder­ungen
in der Landes- und Bündnisverteidigung

Die Feldjägertruppe der Streitkräftebasis ist für die Sicherstellung des militärischen Ordnungsdienstes, den militärischen Verkehrsdienst und die Wahrnehmung von Sicherheitsaufgaben zuständig. Diese Fähigkeiten haben sich über die vergangenen drei Jahrzehnte aufgrund der Veränderung der Aufgaben der Bundeswehr einem stetigen Wandel stellen müssen. Aktuell gilt es, die Fähigkeiten der Feldjägertruppe erneut auf die Landes- und Bündnisverteidigung auszurichten. Dies hat Auswirkungen auf Struktur, Ausbildung und Material der Feldjäger. Wir wünschen gute Unterhaltung bei der Lektüre.

Ein Personenschützer der Feldjäger steht vor einem geschützen Fahrzeug vom Typ Enok in Hannover.
Foto: Bundeswehr/Thomas Leonhardt

„Eiserne Wände“

Bündnisverteidigung vergangener Zeiten bedeutete unmittel­bar die Verteidigung Deutschlands, dessen Territorium damals komplementär als potentieller Ort der Gefechtshandlung und Zone des Verzögerungsgefechts betrachtet wurde.

Etwaige Aggressionsentwicklungen wurden politisch eng begleitet. Es war von immenser Bedeutung, ein Gefecht ver­bundener Kräfte mit eigenen Mitteln verzugsarm führen und das Verteidigungsgefecht im Schulterschluss mit den hier sta­tionierten Bündnispartnern schnell und wirksam aufnehmen zu können. Die jeweiligen Verantwortungsbereiche waren be­kannt, das Gelände war erkundet und Infrastruktur vorbereitet. Die Notwendigkeit einer glaubhaften Abschreckung durch eine wirksame Eskalationsfähigkeit bis hin zur Erklärung des Spannungsfalls mit zeitgerechter Aktivierung der Bundeswehr im Bedarfsfall war unstrittig.

„Zeitenwende“

Mit den seit 2014 einsetzenden Aggressionen Russlands hat sich die sicherheitspolitische Situation in Europa massiv ver­schlechtert. Zudem wurde mit dem völkerrechtswidrigen An­griffskrieg Russlands gegen die Ukraine im Februar 2022 ein inhaltlicher Wendepunkt im gesellschaftlichen und politischen Verständnis von Sicherheit geschaffen. Gleichzeitig ist hier die Blaupause für eine neue Form der Konfliktführung zu beob­achten, die bereits in Friedenszeiten Effekte durch einen hybri­den Ansatz erzielen will und damit bewusst auf die Trennlinien von Verteidigung und Strafverfolgung zielt, um ein möglichst langes Wirken irregulär agierender Kräfte zu ermöglichen.

Diese Abkehr vom Frieden in Europa erfordert ein neues sicherheitspolitisches Denken und Handeln. In der Folge sind Staaten aufgefordert, sich wieder verstärkt Gedanken über ihre Widerstandsfähigkeit und die damit verbundene Fähigkeit zu machen, schnell und robust reagieren zu können.

Unter Abstützung auf eine Verteidigung im Bündnis und un­ter Berücksichtigung der aktuellen Ausrichtung der NATO wird Deutschland zur Zone des Aufmarsches und zum rückwärtigen Raum der NATO­Gefechtsführung. Dabei besteht der wesent­liche erfolgsrelevante Verteidigungsbeitrag Deutschlands nicht nur in der Gestellung eigener Kräftebeiträge, sondern auch in der Sicherstellung eines schnellen und reibungslosen Transits von Truppen anderer Nationen, die im Rahmen von Vorne­stationierungen aufzunehmen und im Zusammenhang von Übungen zu unterstützen sind. Deutschland wird somit alleine aufgrund seiner geographischen Lager zur „Drehscheibe“ und benötigt dazu – maßgeblich in der Ost­-West-­Ausdehnung – eine gut ausgebaute und leistungsfähige Straßen­ sowie Schienen­ und Liegenschaftsinfrastruktur.

Um eine schnelle, reaktions­ und durchhaltefähige Einsatz­bereitschaft sicherstellen zu können, bedarf es somit bereits unter Friedensbedingungen lange vernachlässigter gesamt­staatlicher Vorsorgeanstrengungen. Dies schließt die sichere Anwendbarkeit geeigneter Rechtsmittel bereits vor dem Eintreten des Spannungsfalls ein. Ein Szenar zwischen „nicht mehr ganz Frieden“ und „noch nicht Spannungsfall“ erfordert an der Schnittstelle zwischen innerer und äuße­rer Sicherheit eine auf eindeutigen Regelungen basierende Koordination und klar zugewiesene Befugnisse.

Übersicht: Kernaufgaben Kommando Feldjäger.
Grafik: Bundeswehr/Kommando Feldjäger der Bundeswehr

Feldjägerfähigkeiten im Wandel

Mit Ende des Kalten Krieges hat sich die Bundeswehr von einer Armee mit einem Gegner unmittelbar an der eige­nen Landesgrenze in eine Armee eines – zumindest in der allgemeinen Wahrnehmung – von Freunden umgebenen Staates entwickelt. Der Umfang der Streitkräfte wurde von großen Truppenumfängen zu kleineren und auf die Fähigkeit zur Krisenintervention optimierten Strukturen transformiert.

Gleichzeitig wurden neben dieser sukzessiven Umfangs­reduzierung und der damit einhergehenden Aussetzung der Wehrpflicht ausgewählte Fähigkeiten verändert beziehungs­weise aufgegeben.

Für die Feldjägertruppe begann mit dem Kosovokonflikt und dem damit verbundenen Auftrag, im Einsatzgebiet auch Poli­zeiaufgaben für die Zivilbevölkerung und gegen zivile Straftäter wahrzunehmen, die Phase der Erweiterung der militärpolizei­lichen Kernaufgaben, der erhöhten, robusten Spezialisierung und insgesamt der zielgerichteten Professionalisierung. So traten zum Militärischen Ordnungsdienst, dem Militärischen Verkehrsdienst und der Wahrnehmung von Sicherheitsauf­ gaben die Erhebungen und Ermittlungen, die Unterstützung in Gewahrsamsaufgaben und der Heimat­-, Raum­- und Ob­jektschutz hinzu. Im Sinne einer Basisbefähigung hat jeder Feldjäger diese sechs Kernaufgaben zu beherrschen. Je nach dienstlichem Bedarf und individueller Befähigung wird jeder Feldjägerfeldwebel zusätzlich in mindestens einer von ins­gesamt zwölf Spezialisierungen aus­ und weitergebildet. Im Gesamtverständnis handelt es sich somit zuvorderst um die Rolle als infanteristisch robuster Soldaten, dann als Feldjäger in den sechs Kernaufgaben und ergänzend als Spezialist.

(l.) Soldaten des Heeres und der Streitkräftebasis stellen ihre Fähigkeiten bei der Informationslehrübung Landoperationen unter Beweis. Hier: Ein Trupp von Feldjägern bereitet eine Festnahme vor.
(r.) Feldjägerin bei der Vorfeldbeobachtung im Einsatzland Afghanistan.
(l.) Foto: Bundeswehr/Sebastian Wilke
(r.) Foto: Bundeswehr/Linden

Mehrwert Feldjäger

Der „personelle Mehrwert“ dieser Dreifachrolle zeigt sich in der Flexibilität im Einsatz. Vom Grundbetrieb, über internationale Krisen­ sowie das nationale Risiko­ und Krisenmanagement bis hin zur Landes­ und Bündnisverteidigung sind Feldjäger szenar­ und lageabhängig flexibel einsetzbar und entfalten damit Wirksamkeit in allen Szenaren und Intensitäten.

Der „Mehrwert“ der Fähigkeitskommando­ („MP­Brigade“), Regiments­ und Kompaniestruktur manifestiert sich in schlan­ken (Führungs­)Strukturen, der hierarchisch tief verorteten Verantwortung sowie auftrags­ und einsatztaktisch orien­tierten Unterstützungsbeziehung zu den verschiedenen Be­darfsträgern aller Dimensionen und den beiden operativen Führungskommandos. Um die wichtige Reaktions­- und Kalt­startfähigkeit zu fördern und eine tiefe Integration, Kohäsion sowie Interaktion in Übung und Einsatz zu erreichen, wurden Couleurverhältnisse und Verbindungselemente mit den Be­darfsträgern eingerichtet.

Ergänzend wird ein wesentlicher Mehrwert durch intensive Multinationalität und die Abstützung auf eine starke, gut ausgebildete und sofort einsetzbare Reserve erzeugt. Der Benefit liegt in der gegenseitigen Unterstützung und Entlastung, ins­besondere bei gleichzeitiger Erfüllung von Aufträgen aus dem mannigfaltigen Aufgabenportfolio, vorneweg im Zuge einer gemeinsamen Verkehrslenkungsorganisation.

Neben diesen innerhalb wirkenden Faktoren erzeugt der Auf­gabenbereich Feldjägerwesen der Bundeswehr auch extern einen wesentlichen Mehrwert. Feldjäger sind „Möglichmacher für die Truppe“. Um dies erfolgreich zur Wirkung zu bringen, sind insbesondere interoperable Führungsfähigkeit und ge­schützte Mobilität, jeweils in hinreichend hoher Anzahl und Qualität, erforderlich.

(l.) Feldjäger im Auslandseinsatz als Personenschützer.
(r.) Feldjäger weisen dem Konvoi den Weg durch Bremerhaven
(l.) Foto: Bundeswehr/Kai-Axel Döpke
(r.) Foto: Bundeswehr/R. Alpers

Herausforderungen

Der Feldjägerdienst auf deutschem Territorium und in der „Drehscheibe Deutschland“ ist mit dem Vorteil des „Heimspiels“ versehen. So bietet sich beispielsweise im Rahmen des militä­rischen Verkehrsdienstes die Möglichkeit, verkehrsschwierige Punkte vorab zu erkunden und für den Fall von Störungen ent­sprechende Umgehungen festzulegen. Um eine vergleichbare Qualität der Unterstützung außerhalb des deutschen Territo­riums, in den vorgesehenen Einsatzräumen der NATO­-Kräfte, erbringen zu können, ist aufgrund der erforderlichen Kenntnis­se über Gelände und Verkehrsinfrastruktur eine frühzeitige Er­kundung und damit eine frühzeitige Verlegung der vorgesehe­nen Feldjägerkräfte notwendig. Grundsätzlich bedarf es einer ausgeprägten Flexibilität, lage-­ und ortsabhängig adäquat zu reagieren. Das Risiko auf in der Tiefe wirkende, gegnerische Aufklärungskräfte zu stoßen, verdeutlicht die Notwendigkeit einer infanteristischen Grundausrichtung.

Nach der Verlegung der Verbände in ihre Einsatzräume ver­lagert sich der militärpolizeiliche Fokus in den jeweiligen rück­wärtigen Raum. Dieser ist für gegnerische Akteure von gro­ßem Interesse, da hier Führungseinrichtungen, weitreichende Feuerunterstützung und Versorgungsanteile vorzufinden sind. In der Folge wird es bereits in der Planung und Vorbereitung notwendig, sich mit den Schutz-­ und Absicherungsmaßnah­men dieses rückwärtigen Raumes gegenüber möglicherweise einwirkenden gegnerischen Kräften auseinanderzusetzen. Auch Militärpolizeikräfte können hierzu einen robusten Bei­trag liefern und gegen gegnerische Akteure, die ggf. im Unter­grund oder als kriminelle Akteure agieren, tätig werden. Diese Aufgabe beinhaltet das frühzeitige Aufklären und Adressieren von bestehenden und sich ausformenden Machtstrukturen, wie beispielsweise durch organisierte Kriminalität als eine wesentliche Gefahr für die Stabilität einer Region. Das dient dem Erhalt der eigenen Fähigkeit, Effekte auch gegen diese Art der Bedrohung zu erzielen.

Um frühzeitig Informationen über gegnerische Elemente zu gewinnen, muss der Informationsaustausch mit lokalen Sicherheitsbehörden frühzeitig, teilweise schon zu Friedens­zeiten, initiiert und gepflegt werden. Entsprechende Informatio­nen sind nicht nur für die eigene Operationsführung, sondern gegebenenfalls auch für weitere Kräfte von Bedeutung und daher in den Informationsbestand des Militärischen Nach­richtenwesens zu überführen. Feldjäger tragen hiermit durch ein „Military Police Intelligence“ als Sensor maßgeblich zur Informationsgewinnung zu einem umfassenden Lagebild bei. Zum Schutz des rückwärtigen Raumes ist ein Einsatz der Feldjäger zur Reduzierung der zivilen Störungen wesentlich. Dies kann bei­spielsweise die Lenkung von Flücht­lingsbewegungen beinhalten, um eine Überforderung der Infrastruktur sowie die Bindung eigener Truppen durch Ein­schränkung der Bewegungsfreiheit zu verhindern. Zusätzlich gewinnt die Fähig­keit an Bedeutung, mit gewaltbereiten Menschansammlungen im rückwärtigen Raum umgehen zu können. Auch hier­zu leisten Feldjäger einen wesentlichen Beitrag im Rahmen von Crowd and Riot Control, insbesondere durch den Einsatz von Greiftrupps, Trupps für den Einsatz nicht letaler Wirkmittel oder Dokumentationstrupps.

Im Rahmen einer Landes-­ oder Bündnisverteidigung stellen zudem der Umgang und die Behandlung von Kriegsgefangenen eine wesentliche Aufgabe dar, die sich in Form einer Bindung von Kräften auswirken und nur streitkräftegemeinsam gelöst werden kann. Beispiele hierfür bieten auch die aktuellen Ent­wicklungen des Ukrainekonfliktes. Ein maßgeblicher Beitrag der Feldjäger innerhalb des Kriegsgefangenenwesens stellt die Unterstützung bei dem Betreiben von Sammellagern, der Verbringung und Verlegung ausgewählter Kriegsgefangener sowie bei Ergreifen und Zurückführen der Kriegsgefangenen, welche aus der Gefangenschaft entwichen sind, dar.

Die Untersuchung von Vorfällen mit militärischen Kräften wird, wie es wiederum der Konflikt in der Ukraine zeigt, eine weitere wesentliche Rolle spielen. Insbesondere das schnelle und qualitativ bewährte militärpolizeiliche Arbeitsergebnis der Erheber und Ermittler erfährt hierbei eine große Bedeutung, auch um mit fundierten Ergebnissen entsprechenden Falsch­meldungen entgegenzutreten. Die erstellten Berichte werden ihre Wirkung nicht nur im Rahmen der Rechtsfindung, son­dern auch im Informationsraum erzielen, wodurch neben der Qualität auch die schnelle Verfügbarkeit notwendig sein wird. Die Fähigkeit, sich im Informationsraum zu bewegen und an Informationsgewinnungs­ und Abschöpfungsprozessen teil­zuhaben, besitzt einen hohen Wert für die Operationsführung.

Ein Feldjäger seilt sich mit seinem Diensthund in einem Steinbruch ab während einer multinationalen Ausbildung in Fritzlar.
Foto: Bundeswehr/Sebastian Wilke

Fazit und Ausblick

Feldjäger verfügen über die Fähigkeiten, die Robustheit und das Mindset, um die Herausforderungen der Landes-­ und Bündnisverteidigung zu bewältigen. Die Anforderungen an den benötigten Personalumfang, das erforderliche Material und Gerät (für aktive und Ergänzungstruppenteile) sowie die (national wie multinational erforderlichen) rechtlichen Koordi­nierungserfordernisse sind erkannt und bedürfen einer Lösung, damit Feldjäger die marschierende und kämpfende Truppe bestmöglich und wirksam in der Landes-­ und Bündnisvertei­digung unterstützen kann.

 

 

Autorenteam Kommando Feldjäger der Bundeswehr

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Verwendete Schlagwörter

AngriffskriegBundeswehrEinsatzbereitschaftFeldjägerLV/BVNATOZeitenwende
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