Bei dem als al-Aqsa-Flut bezeichneten Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel am vergangenen Samstagmorgen wurden nach israelischen Angaben innerhalb kurzer Zeit 2.000 Raketen auf den Süden des Landes abgefeuert, um die israelische Raketenabwehr zu sättigen. Gleichzeitig durchbrachen tausende Hamas-Kämpfer den Grenzzaun, verübten ein Massaker an über 250 Besuchern eines Musikfestivals in der Negev-Wüste, mordeten Zivilisten und verschleppten Geiseln aus angrenzenden Kibbuzim.
„Seit dem Holocaust sind nicht mehr so viele Juden an einem Tag getötet worden“, stellte der israelische Präsident Isaac Herzog mit Blick auf die vierstellige Opferzahl fest. Doch wie schafft es eine seit Jahren auf zahlreichen Terrorlisten stehende Organisation immer wieder, aus einem eigentlich abgeriegelten Gebiet von der Größe Kölns einen derart großen Angriff zu starten?
Verbündete Staaten und private Spenden – Wie sich die Hamas finanziert
Laut Forbes Israel rangierte die 1987 aus dem palästinensischen Ableger der Muslimbrüder hervorgegangene Hamas lange Zeit auf Platz 2 der umsatzstärksten Terrororganisationen der Welt – hinter dem sogenannten Islamischen Staat, aber vor den Taliban. Aufgrund mangelnder Transparenz sind genaue Zahlen schwierig zu nennen. Als größte staatliche Finanzquellen gelten jedoch der Iran, der die Hamas laut US-Angaben jährlich mit rund 100 Millionen Dollar unterstützt, sowie das Emirat Katar, dessen bisherige Unterstützung insgesamt auf 1,5 bis 2,5 Milliarden Dollar geschätzt wird. Auch weitere arabische Staaten wie Saudi-Arabien und Syrien gelten als Unterstützer, nicht immer allerdings durch direkte staatliche Zahlungen. Häufig werden auch westliche Staaten und die EU beschuldigt, mit Hilfsprojekten in Palästinensergebieten zumindest indirekt den Terror der Hamas zu finanzieren.
Vielfach sorgen allerdings nichtstaatliche Organisationen – mal verdeckt, mal ganz offen als „Hilfe zum Widerstand“ getarnt – für Zahlungen an die Terrororganisation. Das geschieht mitunter auch in westlichen Staaten. In Deutschland erregte der 1991 in Aachen gegründete Verein al-Aqsa e. V. Aufmerksamkeit, da er 2002 als terroristische Vereinigung verboten wurde. 2005 wurde auch die Nachfolgeorganisation Yatim Kinderhilfe e. V. in Essen verboten. Diese und ähnliche nichtstaatliche Organisationen in Deutschland, Frankreich, Österreich, den USA und weiteren westlichen Staaten sammeln Gelder für wohltätige Zwecke und transferierten sie in den Gazastreifen.
Der im Juni vorgestellte Verfassungsschutzbericht 2022 beziffert das Personenpotenzial der Hamas in Deutschland mit 450. Zu deren zwei wesentlichen Zielen gehören neben Propaganda im Sinne der Terrororganisation das Sammeln von Spenden. Solche Spendengelder kommen vielfach von Exil-Palästinensern, aber auch von anderen muslimisch und nicht-muslimisch geprägten Spendenaktionen.
Was passiert mit den weltweit gesammelten Spendengeldern?
Die eingesammelten Mittel verwendet die Hamas in Teilen tatsächlich für wohltätige Zwecke in Gaza, um ihr Ansehen bei der Bevölkerung zu steigern und Rekrutierungen zu erleichtern. Die Versorgung von Witwen und Waisen ist dabei ein elementarer Baustein. Auch für Propaganda-Kanäle wie al-Aqsa TV und die Finanzierung der Verwaltungsstruktur des Gazastreifens wird das Geld verwendet.
Dazu kommt in nicht unerheblichem Maße die Beschaffung von Waffen und Sprengstoff. Durch zahlreichen Tunnel unter der 13 km langen Grenze zu Ägypten und Schmuggel von See werden Waffen und Material transportiert und dezentral im Gazastreifen gelagert. Zum Arsenal der Hamas und ihres bewaffneten Arms der al-Qassam-Brigaden gehören Sturm- und Maschinengewehre sowie Granaten aus russischer bzw. sowjetischer Produktion. Neben ehemaligen Ostblockstaaten sowie Syrien, dem Iran, Libyen und anderen Ländern in Nahost stammen die nach Gaza geschmuggelten Kleinwaffen mittlerweile auch aus China.
Eine große Bedrohung geht jedoch von Mörsern, Flugkörpern und Raketen aus, die nicht erst seit dem aktuellen Angriff in Richtung Israel abgefeuert werden und aufgrund der geringen Tiefe Israels nahezu jeden Ort treffen können. Zu diesen Bedrohungen zählen beispielsweise iranische Fadschr-3 und Fadschr-5 für die Artillerie mit einer Reichweite von 75 km, die auch Tel Aviv treffen können. Hinzu kommen sowjetische Grad-P mit einer kürzeren Reichweite von 45 km und die von der Hamas selbst hergestellten primitiven Boden-Boden-Raketen Qassam in unterschiedlichen Ausführungen mit Reichweiten unter 40 km.
Relativ neu im Besitz der Hamas sind Drohnen, deren Bauteile ebenfalls in den Gazastreifen geschmuggelt werden. Neben iranischen Shahed 136 – die auch von Russland im Ukraine-Krieg eingesetzt werden – verfügt die Hamas seit diesem Jahr in noch sehr kleiner Stückzahl auch über eigene Kamikazedrohnen mit der Bezeichnung al-Zouari. Wie die Berliner Morgenpost berichtet, war insbesondere der Einsatz konventioneller Drohnen bei der Überwindung des Grenzzauns zu Israel effektiv, in dem diese mit abgeworfenen Granaten automatische Grenzwaffen, Sensorik und sogar einen Merkava IV Kampfpanzer ausschalteten. Wie viele Kleinwaffen, Flugkörper und Drohnen im Besitz der Hamas sind, ist schwer abzuschätzen. Während der Anteil an Drohnen noch klein zu sein scheint, wird als Schätzungen des Flugkörperbestands häufig die Zahl 15.000 genannt.
Der Finger am Auslöser – Ausbildung zum Hamas-Terroristen
Doch die gegen Israel eingesetzten Waffen müssen auch bedient werden, was eine nicht unerhebliche Zahl an Kämpfern für die Bedienung von Drohnen, Mörsern und Lafetten bedeutet. Die entsprechende Indoktrinierung beginnt mit dem Propaganda-Sender al-Aqsa TV bereits im Kinderzimmer, wo ideologisch auf die Vernichtung Israels vorbereitet wird.
In jährlich stattfindenden Sommercamps folgt anschließend die Ausbildung an verschiedenen Waffen. So berichtet das in den USA gegründete Middle East Media Research Institute (MEMRI) mit Verweis auf den offiziellen Telegram-Kanal der Hamas von angeblich 100.000 palästinensischen Kindern und Jugendlichen, die am diesjährigen Sommercamp von Kämpfern der al-Qassam-Brigade an Waffen ausgebildet und von der Hamas in der dschihadistischen Ideologie weiter indoktriniert worden sein sollen. Das Sturmgewehr AK-47 und Panzerabwehrwaffen standen dabei ebenso auf dem Lehrplan wie Häuserkampf und das gemeinsame Laufen über die israelische Flagge.
Auch außerhalb des Gazastreifens soll die Hamas Trainingslager betreiben, um sich auf den Krieg gegen Israel vorzubereiten. Die Konrad-Adenauer-Stiftung nennt hier beispielsweise ein Camp auf dem Staatsgebiet des NATO-Partners Türkei. Ein weiteres Beispiel dafür, dass Finanzierung und Unterstützung der palästinensischen Terrororganisation sehr weit reichen – und das auch aus dem arabischen Raum heraus.
Eine Zerschlagung der Hamas dürfte dementsprechend schwierig bis unmöglich sein, da die Unterstützung aus dem Ausland kaum vollständig abgebrochen werden kann. Und doch muss eine Lösung gefunden werden, um die Spirale des Hasses und der Gewalt, welche die Hamas über Israel und die Palästinenser bringt, endgültig zu stoppen. Sonst wird es keinen Frieden geben.