In Kaiserslautern finden aktuell die Europe Industry Days der International Stability Operations Association (ISOA) statt. Das Ziel der Veranstaltung ist der Austausch zwischen den Streitkräften – besonders aus den USA –, Beschaffern, politischen Entscheidungsträgern und deutschen sowie der amerikanischen Partner aus der Verteidigungsindustrie. Die Konferenz befasst sich auch mit Herausforderungen, vor denen die Branche aktuell steht und die weitere politische Entscheidungsprozesse und Prüfung erfordern.
cpm Defence Network sprach während des Kongresses mit Howard R. Lind, President & Executive Director der ISOA, und Generalleutnant a. D. Mick Bednarek, der für die FLUOR Corporation und als ISOA Board Chairman tätig ist, über die aktuellen Herausforderungen der US-Streitkräfte sowie die Entwicklungen im Logistik- und Unterstützungsbereich. Das Interview führte Dorothee Frank.
Was würden Sie mit Blick auf die International Stability Operations Association als aktuell wichtigsten Faktor im Bereich der Sicherheit und Stabilität benennen?
Generalleutnant a. D. Bednarek: Bedenken um die globale Sicherheit und Stabilität und aktuelle Konflikte sind ein wichtiger Grund, warum wir diese Konferenz hier in Deutschland machen. ISOA hat Kaiserslautern ausgewählt, weil hier schon viel direkt an langfristigen Partnerschaften mit der Verteidigungsindustrie im Bereich Logistik und Unterstützung gearbeitet wurde.
Hier sind die 409th Army Field Support Brigade und das 21st Theater Sustainment Command der U.S. Army stationiert, diese haben uns gebeten, hier vor Ort eine solche Veranstaltung zu organisieren. Sie sind herausragende Partner für die große Bandbreite an Auftragnehmern aus der Verteidigungsindustrie, die Militärbasen in Europa und den USA unterstützen.
Lind: Der NATO kommt hier eine entscheidende Rolle zu. Es ist die Aufgabe der NATO und unserer Partner sicherzustellen, dass wir allen Herausforderungen gemeinsam begegnen. Wir müssen zusammenhalten. Es gibt dabei keinen besseren Weg, um zu zeigen, dass man neben Gesprächen und Worten und Konferenzen auch für Taten bereit ist, als das physische Bewegen von Fähigkeiten. Sei es eine Brigade, Waffensysteme, Military Sales, Ausbildung, Unterstützungsleistungen und vieles mehr. Doch hierfür muss man seine Partner kennen.
Welche Erwartungen knüpften die U.S. Army und Ihre Mitglieder an dieses Event?
Lind: Wir bewegen uns in einem sehr speziellen Bereich, in dem viele lokale oder spezialisierte, kleine und mittlere Unternehmen wirklich Großes für die Streitkräfte leisten können. Die US-Streitkräfte sind es gewohnt, dass ihre Einheiten über die ganze Welt verteilt sind. Um dieses überhaupt leisten zu können, stützen sie sich auf zivile Unternehmen ab, etwa bei Versorgung, Logistik und Infrastruktur.
Was wir nun mit unserem Treffen hier erreichen wollen – was die US-Streitkräfte erreichen wollen – sind engere Beziehungen zu Deutschland. Damit meine ich den Kontakt zwischen den amerikanischen Streitkräften und deutschen Unternehmen, zwischen den deutschen Entscheidern und amerikanischen Unternehmen und natürlich auch zwischen deutschen und amerikanischen Unternehmen. Doch dafür braucht es eine Plattform wie diese, damit in einem vertraulichen Rahmen der Austausch überhaupt stattfinden kann.
Hier informieren also einerseits die Streitkräfte über ihren Bedarf und andererseits die Unternehmen über ihre Fähigkeiten. Hinzu kommen Fachbeiträge, wie sich Geschäftsbeziehungen in dem jeweils anderen Land aufbauen lassen, welche administrativen Bedingungen es beispielsweise gibt oder wie man sich auf Ausschreibungen bewerben kann.
Schließlich haben eigentlich alle Nationen ein großes Interesse daran, dass möglichst viele Unternehmen auf ihre Ausschreibungen reagieren. Aber gerade in unserem Bereich herrscht oft Unklarheit darüber, wie man sich an den Auftragsvergabeverfahren beteiligen kann. Dabei liegen hier große Chancen, gerade auch bei der Versorgung und Logistik der amerikanischen Standorte.
Hat Deutschland als logistische Drehscheibe für die USA an Bedeutung gewonnen?
Lind: Europa und speziell Deutschland waren schon immer ein sehr bedeutendes logistisches Zentrum der NATO, dadurch besitzt es auch für die USA eine große Bedeutung. Wir als United States waren seit Jahrzehnten starke und verlässliche Partner, das werden wir immer sein. Deshalb haben wir auch ein Interesse an starken logistischen Fähigkeiten in Deutschland.
Die Invasion Russlands in die Ukraine hat vielen Menschen die Augen geöffnet. Es wurden Fragen gestellt: Ist die Ostflanke der NATO wirklich sicher? Verfügen wir über die geeigneten Verbündeten, Infrastruktur und Industriepartner, um die NATO auch langfristig zu stärken?
Niemand kann diese Aufgaben alleine stemmen, weder eine Nation noch nur die Streitkräfte. Es braucht Partnerschaften zwischen den Nationen, zwischen Streitkräften und Industrie. Genau dieses wollen wir hier erreichen, dass sich ein Team bildet, um gemeinsam die Zukunft zu sichern. Denn trotz der langen Allianz und Präsenz der US-Streitkräfte in Europa gibt es noch so viele Möglichkeiten. Das ist eine Erkenntnis, die ich bereits jetzt aus dieser Konferenz mitnehme, dass es noch sehr viel Potenzial für neue und weitere Partnerschaften zwischen Militär und Industrie gibt.
Sie sind allerdings – ebenso wie die USA – global orientiert. Könnten Sie die wichtigsten Unterschiede in den verschiedenen Regionen erläutern?
Generalleutnant a. D. Bednarek: Wir unterstützen unsere Mitglieder aus aller Welt überall dort, wo sich auch die United States befinden. Dabei sehen wir natürlich die unterschiedlichen Ausrichtungen, Fähigkeiten und Problemstellungen. In Europa und speziell Deutschland stehen z. B. die Landstreitkräfte deutlich im Fokus. Der Indopazifik ist zwar hauptsächlich ein maritimer Schauplatz, doch hier sind auch weiterhin die Landkomponente und die logistische Unterstützung der entsprechenden Verbundstreitkräfte von entscheidender Wichtigkeit.
Im Nahen und Mittleren Osten halten sich die verschiedenen Teilstreitkräfte in etwa die Waage. Die sogenannte „Tyranny of Distance“ – Tyrannei der Entfernung – erfordert in Afrika vor allem den Einsatz von Luft- und Bodenkräften zur Unterstützung von Logistik, Gütertransporten und globalen Versorgungslieferungen sowie die Zusammenarbeit mit anderen internationalen Hilfsorganisationen, wie beispielsweise der amerikanischen Entwicklungshilfebehörde USAID.
Hierauf möchte ich auch noch einmal besonders hinweisen: Unser Fokus liegt nicht auf dem Militär, sondern auf Unterstützungsleistungen und dem Betrieb von Stützpunkten. Diese werden natürlich im militärischen Bereich benötigt, allerdings auch bei der humanitären Hilfe, bei Krisenreaktionen oder Naturkatastrophen.
Gibt es spezielle Herausforderungen in den genannten Regionen, mit denen die US-Streitkräfte im Bereich der Logistik und Versorgung konfrontiert werden?
Generalleutnant a.D. Bednarek: Die USA müssen mit ganz anderen globalen Anforderungen und Entfernungen umgehen, als viele unserer europäischen Partner. Das ist die erwähnte Tyranny of Distance. Dies gilt für viele Regionen, aber in ganz besonderem Maß für den Indopazifik.
Die Unterstützung in solch vielfältigen und weitläufigen Regionen kann gar nicht komplett aus den USA geleistet werden. Das wäre schlichtweg nicht wirtschaftlich. Der maritime Bereich war schon immer eine umkämpfte logistische Herausforderung, deshalb haben wir Partnerschaften mit den Philippinen, Malaysia, Korea, Japan, Australien und anderen Partnern in der Region etabliert, auf deren Fähigkeiten wir uns abstützen können.
Auch im pazifischen Raum hat ISOA deshalb Konferenzen und Tagungen abgehalten, damit Partner aus der Verteidigungsindustrie die Anforderungen verstehen, Lösungen anbieten und die logistischen Bedürfnisse der USA und ihrer Koalitionspartner mit ihren Kapazitäten ergänzen können.
Zwei spezifische Bereiche, in denen die Unternehmen der amerikanischen Verteidigungsindustrie die US-Streitkräfte in Zukunft unterstützen können und werden, sind einerseits die Aufrechterhaltung von strategischen Lagerbeständen, und andererseits die Bereitstellung und Lieferung von Nachschub, Ersatzteilen, Waren und Dienstleistungen, um bestehende Defizite im Bereich der Unterstützung und Versorgung abzudecken.
Lind: Ein weiterer Schwerpunkt von uns liegt bei solchen Tagungen auf dem Austausch über zukünftige Fähigkeiten. Wo liegen die Trends, wo neue Möglichkeiten? Nehmen wir die bereits angesprochene Tyranny of Distance. In Zukunft werden Lastendrohnen die Güter transportieren, ohne dass Menschenleben in Gefahr geraten.
Die Logistik verändert sich und wir wollen unsere Mitglieder frühzeitig auf Trends hinweisen. Nicht nur in den USA oder in Europa, sondern weltweit. Denn was für die NATO gilt, gilt auch für die Verbündeten der USA im Indopazifik: Nur gemeinsam als Team, das aus den verschiedenen Streitkräften und Industrien besteht, lässt sich den komplexen Bedrohungen entgegentreten.
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