Luftwaffe meldet Initial Operating Capability von IRIS-T SLM

Heute meldete die Luftwaffe die Initial Operating Capability (IOC) des ersten deutschen Luftverteidigungssystems IRIS-T SLM an Bundeskanzler Olaf Scholz, Verteidigungsminister Boris Pistorius und den Inspekteur der Luftwaffe. Gleichzeitig erhielt der Projektverantwortliche im BAAINBw als Vertreter des Beschaffungsamtes den symbolischen Schlüssel durch den CEO von Diehl Defence, Helmut Rauch.

Der Kommandeur der Flugabwehrraketengruppe 61, Oberstleutnant Daniel Reif, meldet die Initial Operating Capability (IOC) des ersten deutschen Luftverteidigungssystems IRIS-T SLM an Bundeskanzler Olaf Scholz, Verteidigungsminister Boris Pistorius, und Generalleutnant Ingo Gerhartz, Inspekteur Luftwaffe.
Der Kommandeur der Flugabwehrraketengruppe 61, Oberstleutnant Daniel Reif, meldet die Initial Operating Capability (IOC) des ersten deutschen Luftverteidigungssystems IRIS-T SLM an Bundeskanzler Olaf Scholz, Verteidigungsminister Boris Pistorius, und Generalleutnant Ingo Gerhartz, Inspekteur Luftwaffe.
Foto: Luftwaffe

Das System wurde aus dem Sondervermögen der Bundeswehr beschafft und soll in Zukunft die Fähigkeitslücke im mittleren Reichweitenspektrum schließen. Gleichzeitig ist IRIS-T SLM aber auch deutlich moderner und State-of-the-Art.

„Mit dem Angriff auf die gesamte Ukraine hat Russland die wichtigste Grundlage unserer europäischen Friedensordnung gebrochen. Nämlich die auch von Willi Brandt und Helmut Schmidt erreichte Verständigung, dass Grenzen nicht mit Gewalt verschoben werden dürfen“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz heute in Todendorf. „Seit vielen Jahren rüstet Russland massiv auf, gerade auch im Bereich von Raketen und Marschflugkörpern.“

Deutschland reagiere gemeinsam mit den Partnern der NATO auf diese Bedrohung. Die heutige Meldung IOC mit der Übergabe der IRIS-T SLM an das BAAINBw sei ein deutliches Zeichen dieses Engagements zur Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands. „Wie lebenswichtig eine starke Flug- und Raketenabwehr sein kann, lässt sich auf dramatische Weise an der Front und in den Städten der Ukraine beobachten“, betont der Bundeskanzler. „IRIS-T ist dort zum Schutzwall gegen die zahllosen Raketen geworden, die täglich von Russland auf die Ukraine geschossen werden. Die große Nachfrage der Ukraine und vieler anderer Partner nach diesem lebenswichtigen Schutz ist daher mehr als verständlich. Gemeinsam mit der Industrie tun wir alles, um diesen Bedarf zu decken.“

Kanzler Scholz schloss seinen besonderen Dank an den Hersteller an: „Lieber Herr Diehl, lieber Herr Rauch, dafür sage ich Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vielen herzlichen Dank. In der Ukraine hat IRIS-T bis heute über 250 Raketen, Drohnen und Marschflugkörper abgeschossen und unzählige Leben gerettet. Das System zeigt eine beeindruckende Trefferquote von 95 Prozent oder noch viel mehr, einige sagen immer 100. Es ist jedenfalls ziemlich beeindruckend. Diese Erfolg hat IRIS-T zu einem der weltweit am stärksten nachgefragten Luftverteidigungssysteme gemacht und wir sind stolz, dass diese weltweit führende Hochtechnologie hier in Deutschland zu Hause ist.“

Helmut Rauch, der anlässlich der IOC-Erklärung den symbolischen Schlüssel für das System IRIS-T SLM überreichte, sagte: „Ich bin stolz darauf, dass Diehl Defence als Systemhaus für bodengebundene Luftverteidigung mit seiner Liefertreue dazu beigetragen hat, dass die deutsche Luftwaffe heute ihre IOC für unser System IRIS-T SLM erklären konnte.“

Besonders freut sich der Kommandeur der Flugabwehrraketengruppe 61, Oberstleutnant Daniel Reif, über das neue System: „Ich bin jetzt im 26. Dienstjahr Soldat und da kenne ich eigentlich nur eines, nämlich auflösen, Waffensysteme abgeben, Standorte schließen. Das war bislang die Normalität für Flugabwehrraketenoffiziere meiner Generation. Jetzt erlebe ich endlich die Wende. Wir werden wieder größer, wir kriegen neue Waffensysteme und es ist toll, wenn man das an entscheidender Stelle miterleben kann!“

Meldung der Initial Operating Capability

Die Meldung der Initial Operating Capability von IRIS-T SLM bedeutet dabei einen wichtigen Schritt hin zu wirksamen Luftverteidigungsfähigkeiten in der Bundeswehr über das gesamte Spektrum. Der nächste bedeutende Meilenstein wird die Einführung des israelischen Raketenabwehrsystems ARROW Weapon System for Germany (AWS-G) für die territoriale Flugkörperabwehr ab 2025 sein.

„Sechs Systeme sind bestellt, das erste wird uns gleich feierlich übergeben. Das ist ein bedeutender Schritt für die Sicherheit unseres Landes, nachdem die Luftverteidigung lange vernachlässigt wurde“, betont der Bundeskanzler. „IRIS-T ist Kernbestandteil der European Sky Shield Initiative. Ich habe diese Zusammenarbeit im August 2022 in Prag vorgeschlagen und inzwischen sind 21 Länder dabei. Der zugrunde liegende Gedanke ist simpel: Wir wollen, dass möglichst viele europäische Staaten dieselben Systeme beschaffen. Dafür öffnen wir unsere Rahmenverträge mit der Industrie für Partner. Und auch bei der Ausbildung arbeiten wir eng zusammen, so wie hier in Todendorf. Ich bin sicher, was hier gemeinsam entsteht, ist eine Blaupause für die europäische Verteidigungszusammenarbeit weit über den Bereich der Luftverteidigung hinaus.“

Einfache Anwendung, weniger Bediener

IRIS-T SLM folgt dabei auch den Forderungen des Stv. Inspekteurs der Luftwaffe, Generalleutnant Lutz Kohlhaus, dass moderne Systeme einfacher und mit weniger Personal bedienbar sein müssen. Schließlich ist der Fachkräftemangel sogar in der Bundeswehr spürbar und die Anlernzeiten dürfen nicht die tatsächlichen Anwendzeiten überschreiten.

„Man benötigt für die Bedienung von IRIS-T SLM deutlich weniger Personal als bei unseren bereits vorhandenen Waffensystemen. Sehr viel läuft automatisch ab“, bestätigt Oberstleutnant Reif gegenüber cpm Defence Network. Der Aufbau des Systems wurde aus Nutzersicht gedacht, was deutliche Vorteile beim Erlernen der Funktionen bringt. „Die Bedienung von IRIS-T SLM ist insgesamt einfacher als beispielsweise von PATRIOT, hier hat die Technik definitiv noch einmal einen großen Schritt nach vorne gemacht und insbesondere die Initialisierung und Programmierung des Systems deutlich erleichtert. Das spiegelt sich unter anderem auch an den Bedienkonsolen im Feuerleitstand wieder, da läuft alles nur noch per Maus und Anklicken“, beschreibt Oberstleutnant Reif.

„Das System unterstützt den Benutzer im Bekämpfungsablauf enorm, indem es viele wichtige Informationen grafisch aufbereitet zur Verfügung stellt. Oder nehmen wir zum Beispiel den Aufbau eines Startgeräts. Wenn man dort keine Notverfahren anwenden muss, weil die Technik nicht funktioniert, dann geht es so einfach, dass ich nach kurzer Ausbildung dieses Startgerät aufbauen könnte, ohne irgendwelche größeren Schwierigkeiten zu haben.“

Oberstleutnant Daniel Reif, Kommandeur der Flugabwehrraketengruppe 61, vor dem IRIS-T SLM Launcher.
Oberstleutnant Daniel Reif, Kommandeur der Flugabwehrraketengruppe 61, vor dem IRIS-T SLM Launcher.
Foto: Bundeswehr

Oberstleutnant Reif, der selbst noch auf dem Waffensystem ROLAND ausgebildet wurde, zieht folgenden Vergleich: „Bei ROLAND, da mussten Sie am Waffensystem ziemlich fingerfertig sein. Sie haben fast immer beide Hände und hohe koordinative Fähigkeiten zur Bedienung der Waffenanlage gebraucht, insbesondere unter Bedingungen des elektronischen Kampfes. Das war für den Operateur deutlich komplizierter.“

Viele Dinge, die man bei ROLAND noch manuell eingeben musste, kann IRIS-T SLM automatisiert. „Die Bedienkonsolen im Feuerleitstand von IRIS-T SLM sind moderne Flachbildschirme mit Farbdisplays, die zusätzlich auch mit verschiedenen Karten hinterlegt werden können. Das gab es früher in den Waffensystemen nicht“, führt der Kommandeur der Flugabwehrraketengruppe 61 weiter aus. „Das war bei ROLAND alles analog. Die Bildschirme basierten auf Röhrentechnik und waren zweifarbig. Es ist bei den modernen Systemen jetzt alles ganz anders und dadurch auch wesentlich benutzerfreundlicher.“

Integration in die NATO-Luftverteidigung

Ganz identisch gegenüber den in der Ukraine erfolgreich eingesetzten IRIS-T SLM ist das deutsche System allerdings nicht. Um wie vorgesehen mit dem NATO Integrated Air and Missile Defence System (NATO IAMD) kompatibel zu sein, wird etwa eine Link16-Anbindung benötigt.

Durch den taktischen Datenlink können die Systeme dann auch Luftlagedaten von anderen Sensoren empfangen und von übergeordneten Gefechtsständen Bekämpfungsaufträge erhalten. Gleichzeitig ist das deutsche Luftverteidigungssystem natürlich auch in der Lage, die eigenen Daten in diesen Luftverteidigungsverbund einzuspeisen oder seine Launcher einem solchen Verbund als Wirkmittel zur Verfügung zu stellen.

Zudem werden die deutschen IRIS-T SLM Systeme mit einem modernen, NATO standardisierten Freund-Feind Kenngerät ausgestattet (IFF Mode 5), um eine Gefährdung eigener Luftfahrzeuge auszuschließen.

Die deutschen IRIS-T SLM

Ein IRIS-T SLM System besteht aus drei Startgeräten, einem Sensor sowie einem Gefechtsstand, der bis zu acht Startgeräte führen kann. Ergänzt wird der Gesamtkomplex durch Unterstützungselemente wie Werkstatt-, Ersatzteil- und Nachladefahrzeuge.

Das System wurde durch Deutschland im Rahmen von MEADS entwickelt, um ein High-Performance-Low-Cost Element für die Luftverteidigung zu erhalten.

Die Low-Cost ergab sich ursprünglich durch die Nutzbarkeit der in der Luftwaffe vorhandenen Luft-Luft-Lenkflugkörper IRIS-T, dies wurde als IRIS-T SLS (Surface Launched Short Range) realisiert und auch bereits in anderen Ländern – Schweden war der Erstkunde – eingeführt. Deutschland hat sich allerdings für IRIS-T SLM (Medium Range) entschieden, wo ein modifizierter Lenkflugkörper IRIS-T für mehr Reichweite (40 km gegenüber 12 km bei SLS) sorgt.

Das Luftverteidigungssystem besitzt eine hohe taktische Mobilität, Dislozierbarkeit der Startgeräte und Mehrfachzielbekämpfung. In der Ukraine erreicht IRIS-T SLM laut Hersteller eine Trefferquote von nahezu 100 Prozent – und das sogar bei großen Angriffswellen mit über 12 Flugzielen.

Deutschland wird insgesamt sechs IRIS-T SLM erhalten, deren Zulauf bis Mitte 2027 erfolgen soll. Die heutige Übergabe ist dementsprechend auch ein wichtiger Meilenstein für die deutsche Verteidigungsfähigkeit.

„Ich halte es auch für wichtig der Bevölkerung zu zeigen, wo das Sondervermögen der Bundeswehr hinfließt“, resümiert Oberstleutnant Reif das heutige Event in Todendorf. „Als Kommandeur habe ich natürlich noch den positiven Nebeneffekt der Werbung für meinen Verband und diesen Standort. Wir merken ein deutlich gestiegenes Interesse und haben mittlerweile so viele Besuchsanfragen, die können wir gar nicht alle bedienen. Aber es rufen auch immer wieder Soldaten an die gezielt fragen: Habt ihr noch ein Stelle für mich? Ich würde auch gerne zu IRIS-T SLM kommen.“

Die Flugabwehrraketengruppe 61 zeigt die Einsatzbereitschaft des Systems IRIS-T SLM.
Die Flugabwehrraketengruppe 61 zeigt die Einsatzbereitschaft des Systems IRIS-T SLM.
Foto: Diehl Defence
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