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Munition, Munition, Munition

Keine Rede des Verteidigungsministers – oder auch des Inspekteurs Heer – bei dem nicht die Munition als oberste Priorität genannt wird. Heute wurde nun am Standort in Unterlüß der Bau einer neuen Munitionsfabrik begonnen. Im Beisein von Bundeskanzler, Rheinmetall-CEO und Verteidigungsminister.

Hier entsteht das „Werk Niedersachsen“, das entscheidend zur Souveränität Deutschlands im Bereich der Munitionsproduktion beitragen soll.
Hier entsteht das „Werk Niedersachsen“, das entscheidend zur Souveränität Deutschlands im Bereich der Munitionsproduktion beitragen soll.
Foto: Rheinmetall

Die Kritik an den mangelnden europäischen Produktionskapazitäten im Bereich Munition reißt nicht ab. Aktuell schafft es sogar Nordkorea, mehr Munition zu produzieren (und an Russland zu liefern) als die gesamte EU. „Es ist notwendig, die Lieferung von Munition an unsere Soldaten deutlich zu beschleunigen und zu erhöhen, um die russische Aggression abzuwehren“, betonte etwa der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umerov vergangene Woche bei seinem Treffen mit dem Hohen Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell.

Der ehemalige belgische Heeresinspekteur und Stv. GI der belgischen Streitkräfte, Generalleutnant a.D. Marc Thys, ging zum Thema Produktionsfähigkeiten für Munition sogar noch einen Schritt weiter: „Wir stecken tief in der Scheiße“, sagte Generalleutnant a.D. Thys, der 2023 in Pension ging, gegenüber Politico. „Besonders in Belgien, aber wir sind nicht die Einzigen.“

Zumindest für Deutschland soll sich dies ändern. „Alles in allem wollen wir 2025 bis zu 700.000 Artilleriegeschosse pro Jahr produzieren“, sagte der CEO von Rheinmetall, Armin Papperger, vor dem heutigen Spatenstich am Standort Unterlüß gegenüber dem Handelsblatt. „Wir sind dabei, unsere Kapazitäten für Pulver, wie es unter anderem für die Treibladungen von Artilleriegeschossen benötigt wird, an einzelnen Standorten zu verdoppeln oder sogar zu verdreifachen.“

Neue Munitionsfabrik in Unterlüß

Heute erfolgte der symbolische Spatenstich für das Gesamtprojekt „Werk Niedersachsen“ durch Bundeskanzler Olaf Scholz, die Ministerpräsidentin des Königreichs Dänemark, Mette Frederiksen, den CEO von Rheinmetall, Armin Papperger, und Verteidigungsminister Boris Pistorius.

Das „Werk Niedersachsen“ wird künftig Artilleriemunition, Sprengstoff und Komponenten für Raketenartillerie herstellen. Rund 200.000 Artilleriegranaten sollen hier pro Jahr entstehen, sowie bis zu 1.900 Tonnen RDX-Sprengstoff und optional weitere Komponenten zur Herstellung von Munitionsladungen. Außerdem soll vor Ort die Produktion von Raketenantrieben und ggf. Gefechtsköpfen erfolgen, wie sie z.B. für das geplante deutsche Raketenartillerieprojekt benötigt werden.

„Zur Sicherung der strategischen Souveränität Deutschlands im Bereich der Munitionsherstellung schaffen wir eine nationale Produktionsstätte, die neue Maßstäbe setzt und vor allem die Versorgung der Bundeswehr sicherstellen wird“, so Armin Papperger bei der Zeremonie. „Mit dem ‚Werk Niedersachsen‘ entsteht an unserem Traditionsstandort Unterlüß ein weiteres europäisches Zentrum zur Produktion von Artilleriemunition sowie weiterer Effektoren. Wir tun dies aus der Verantwortung und dem Willen heraus, mit unseren Technologien maßgeblich zur Verteidigungsfähigkeit unseres Landes und unserer NATO-Partner beizutragen.“

Deutschland wird unabhängig – Rheinmetall geht in Vorkasse

Mit dem Aufbau verbindet sich ein firmenfinanziertes Investitionsvolumen in Höhe von rund 300 Millionen Euro. Rheinmetall trägt somit die Kosten des Werks, eine Beteiligung des öffentlichen Auftraggebers erfolgt nicht. Rund 500 neue Arbeitsplätze entstehen damit vor Ort.

Rheinmetall schafft mit dem neuen Werk die Möglichkeit, den Bedarf der Bundeswehr unabhängig aus nationaler Fertigung zu decken und – insbesondere im Krisenfall – eigenständige Abgaben an Partnerstaaten zu gewährleisten. Bisherige Abhängigkeiten von Exportfreigaben anderer Länder werden somit aufgehoben, so dass Deutschlands Souveränität in diesem sicherheitsrelevanten Bereich hergestellt wird. Dabei wird Rheinmetall die komplette Wertschöpfungskette für Artilleriemunition in Unterlüß entstehen lassen, um den „Full Shot“ aus einer Hand bieten zu können: Das Geschoss, den Zünder, die Sprengladung sowie die Treibladung, die das Geschoss beim Abschuss aus dem Rohr treibt.

Dazu wird das Werk Niedersachsen weitgehend autark arbeiten und alle Arbeitsschritte vor Ort abbilden, die zur Fertigung von Artilleriegeschossen erforderlich sind. Bei dem Aufbau der Fertigung folgt Rheinmetall einem modularen und skalierbaren Konzept zur Versorgungsicherheit, das perspektivisch einen weiteren Aufwuchs ermöglicht.

Prioritäre Zielsetzung beim Aufbau des Werks ist ein möglichst früher Produktionsstart. Nach einer Bauzeit von rund 12 Monaten – ausgehend vom Vertragsschluss mit dem Auftraggeber – wird eine Kapazität von 50.000 Geschossen p.a. erreicht, mit einem anfänglichen Anteil nationaler Wertschöpfung in Höhe von 50 Prozent. Dieser Anteil wird sich sukzessive erhöhen, auf 80 Prozent im zweiten und 100 Prozent nationaler Wertschöpfung im dritten Produktionsjahr. Damit entstehen Versorgungssicherheit für Deutschland und vollständige inländische Wertschöpfung.

Dabei wird eine jährliche Kapazität von 100.000 Geschossen ab dem zweiten Jahr der Produktion erreicht, später steigt die Kapazität auf 200.000 pro Jahr an.

Bedarf an Munition bei 40 Mrd. Euro

Die Artillerie ist die wesentliche Fähigkeit in der militärischen Dimension Land. Die Erfahrungen aus dem Ukraine-Krieg zeigen den immensen Bedarf an Artilleriemunition. Die Lager der Bundeswehr sind leer, ihr Bedarf an Munition wird auf rund 40 Milliarden Euro geschätzt. Verschärft wird die Knappheit durch den enormen Munitionsverbrauch in der Ukraine. Die verfügbare Produktionskapazität der westlichen Welt ist auf diese Mengen nicht ausgelegt. Deutschland plant daher – wie auch andere Länder – über einen längeren Zeitraum die Beschaffung großer Mengen.

Deutschland besitzt mit Rheinmetall einen der führenden Hersteller im Defence-Bereich und einen der größten Munitionsproduzenten weltweit. Das Unternehmen hat schon in den vergangenen Monaten erhebliche Investitionen in seinem Produktionsnetzwerk getätigt. Ab 2025 will Rheinmetall an seinen Standorten in Deutschland, Spanien, Südafrika, Australien und Ungarn zusammen bis zu 700.000 Artilleriegranaten produzieren sowie 10.000 Tonnen Pulver.

Der heutige Spatenstich ist also ein weiterer wichtiger Stein auf dem Weg zur Verbesserung der deutschen und auch der europäischen Fähigkeiten. Denn ohne Munition sind auch die modernsten Waffensysteme wertlos.

Dorothee Frank

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