(Fast) Einigkeit beim EU-Gipfel – aber der große Wurf bleibt aus

In dieser Woche ging es Schlag auf Schlag: Unmittelbar nach dem NATO-Gipfel in Den Haag folgte der EU-Gipfel in Brüssel. Hier besprachen die beteiligten Staats- und Regierungschefs neben den Themen Handelsabkommen mit den USA und Migration auch die Bedeutung einer gestärkten europäischen Verteidigung. Die EU-Staaten befürworten eine massive Förderung der Rüstungsindustrie und eine umfassende militärische Unterstützung für die Ukraine – zumindest mehrheitlich.

Einigkeit gab es auf dem EU-Gipfel insbesondere auf Fotos zu sehen, wie hier zwischen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (l.) und dem Präsidenten des Europäischen Rates, António Costa.
Einigkeit gab es auf dem EU-Gipfel insbesondere auf Fotos zu sehen, wie hier zwischen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (l.) und dem Präsidenten des Europäischen Rates, António Costa.
Foto: Europäischer Rat

Die EU will ihre Verteidigungsindustrie deutlich ausbauen – auch durch das SAFE-Programm (Security Action for Europe) und Entlastung bei Haushaltsregeln. Die Staat- und Regierungschefs forderten in ihrer gestrigen Sitzung beim EU-Gipfel „die rasche Entwicklung gemeinsamer Projekte“ und die Nutzung gemeinsamer Beschaffung. Ziel sei, die Produktion von Luftabwehr, Drohnen sowie Munition europaweit zu skalieren.

Europa strebt danach, souveräner zu werden, mehr Verantwortung für die eigene Verteidigung zu übernehmen und besser für koordiniertes Handeln gerüstet zu sein.
– Präsident des Europäischen Rates, António Costa

Auf dem Tisch liegt weiterhin das ambitionierte „Readiness 2030“-Konzept (vormals ReArm Europe) von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Bis 2030 sollen rund 800 Milliarden Euro mobilisiert werden. Neben EU-Geldern sollen hier auch private Investitionen eine Rolle spielen. Die Staats- und Regierungschefs begrüßten daher auf dem EU-Gipfel Bemühungen der Europäischen Investitionsbank, Anpassung der Kreditvergabepraktiken an die Verteidigungsindustrie vorzunehmen.

Der Europäische Rat führte bei seinem Treffen auch einen Meinungsaustausch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
Der Europäische Rat führte bei seinem Treffen auch einen Meinungsaustausch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
Foto: Europäischer Rat

Ukraine – Militärhilfe, Industriekooperation & Ruf nach Frieden

Der EU-Gipfel bekräftigte – zumindest 26 von 27 Staaten – die Solidarität mit der Ukraine. Betont wurde in Brüssel, dass bisher rund 59,6 Milliarden Euro militärische Hilfe bereitgestellt wurden. Insgesamt beliefe sich die finanzielle der Ukraine bisher auf 158,6 Milliarden Euro.

„Der Europäische Rat verurteilt nachdrücklich die anhaltenden Bombardierungen von Zivilisten und ziviler Infrastruktur durch Russland und fordert eine vollständige, bedingungslose und sofortige Waffenruhe“, heißt es in besagter Erklärung. „Der Europäische Rat begrüßt die Bereitschaft der Ukraine in dieser Hinsicht. Er fordert Russland nachdrücklich auf, echten politischen Willen zur Beendigung seines Angriffskrieges zu zeigen, einem solchen Waffenstillstand zuzustimmen und sich an sinnvollen Verhandlungen zu beteiligen.“

Neue Hilfen oder ein zusätzliches Engagement wurden durch den EU-Gipfel nicht beschlossen. Nur die Kernbotschaft bleibt: Die einzelnen EU-Länder sollten „die dringenden militärischen und verteidigungspolitischen Bedürfnisse“ erfüllen – insbesondere durch Luftabwehr‑ und Antidrohnen‑Systeme sowie Großkalibermunition.

Die Staaten der EU wollen stärker in gemeinsame Rüstung investieren.
Die Staaten der EU wollen stärker in gemeinsame Rüstung investieren.
Grafik: Europäischer Rat

Zudem wurde beim EU-Gipfel die Förderung der ukrainischen Rüstungsindustrie und ihre stärkere Verzahnung mit der europäischen Industrie gefordert.

Geopolitischer Kontext – NATO-Zusagen und Russland

Ein finanzieller Mehraufwand wurde bereits auf dem NATO-Gipfel in Den Haag beschlossen, zumindest unter den 23 EU-Staaten, die auch Teil der NATO sind. Für sie gilt jetzt ein Fünf-Prozent-Ziel für Verteidigungsausgaben bis 2035, um für eine glaubhafte Abschreckung gegenüber Russland zu sorgen.

„Wir müssen nicht in jedem Mitgliedstaat die gleichen Fähigkeiten nachbilden. Wir müssen unsere gesamten Verteidigungsinvestitionen nicht mit 27 multiplizieren“, erklärte Präsident des Europäischen Rates, António Costa nach dem EU-Gipfel.

„Was wir brauchen, sind Effizienz und eine faire Lastenverteilung. Wir müssen ein gemeinsames europäisches Verteidigungssystem aufbauen, das Aggressionen abschreckt.“ Wie dieses gemeinsame System aussehen solle – zum Beispiel durch eine EU-Armee –, erwähnte er nicht. Eine gemeinsame europäische Verteidigung bleibt weiterhin ein abstraktes Ziel.

Der Präsident des Europäischen Rates, António Costa.
Der Präsident des Europäischen Rates, António Costa.
Foto: Europäischer Rat

Immerhin bleibt es dabei, dass die Staats- und Regierungschefs der EU Russland als dauerhafte Bedrohung sehen. Nur sind sich die Staaten uneinig, wie dem zu begegnen sei. Die bisherigen Sanktionen wurden zwar um weitere sechs Monate verlängert, doch blockierte der slowakische Präsident Robert Fico ein schärferes Sanktionspaket. Er forderte, die EU solle sich erst einmal darum kümmern, sein Land mit ausreichend Gas zu versorgen.

Es solle jedoch ein weiteres Sanktionspaket gegen Russland vorbereitet werden, welches sich insbesondere gegen die „Schattenflotte“ richten solle. Mit diesen Schiffen umgeht Russland bestehende Sanktionen, die den Verkauf von russischem Gas und Öl verhindern sollen.

EU-Gipfel – Erst einmal sacken lassen

Der Brüsseler EU-Gipfel brachte auf dem Weg zu einer leistungsfähigeren, unabhängigeren EU in Fragen der Sicherheit keinen großen neuen Wurf. Vielleicht musste er das aber auch nicht – nur einen Tag, nachdem ein Großteil der europäischen Staaten eine enorme Steigerung ihrer Verteidigungsetats beschlossen hatten. Dementsprechend versicherten sich die Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat wohl in erster Linie, auf einem guten Weg zu sein.

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