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Nachhaltiger Treibstoff zieht in die Militärluftfahrt ein

Die Royal Air Force (RAF) und Boeing erforschen gemeinsame die Möglichkeiten der nachhaltigen Luftfahrt für das Seefernaufklärungsflugzeug P-8A Poseidon. Dies gab die RAF in einer Pressemeldung auf ihrer offiziellen Website am 17. August 2023 bekannt. Auf dem Royal Edinburgh Military Tattoo haben dazu Vertreter der RAF und Boeing einen gemeinsamen Rahmenvertrag unterzeichnet, um die Möglichkeiten einer nachhaltigen Luftfahrt für die P-8A Poseidon MRA1-Flotte zu untersuchen. Der gemeinsame Rahmen wird sich auf Lebenszyklusanalysen, die Erfassung des Wertes von Flugzeugen am Ende ihrer Nutzungsdauer, digitale Werkzeuge zur Optimierung der Flugaktivitäten und ökologisch nachhaltige Wartungsaktivitäten konzentrieren.
Air Marshal Richard Maddison OBE MA, Deputy Chief of the Air Staff and Steve Burnell, Managing Director of Boeing Defence UK (rechts) bei der Vertragsunterzeichnung.
Foto: RAF

Die Initiative folgt auf die Veröffentlichung der britische Net Zero-Strategie für die Verteidigungsluftfahrt, in der detailliert dargelegt wird, wie die militärische Luftfahrt zum Net Zero 50-Ziel der Regierung Seiner Majestät beitragen wird. Boeing war einer der ersten Unterzeichner der Charta. Im Rahmen der Initiative werden Möglichkeiten zur Verbesserung der Widerstandsfähigkeit und der betrieblichen Effizienz der Poseidon-Flotte der RAF bei gleichzeitiger Reduzierung der Betriebskosten und der Umweltauswirkungen untersucht. Die RAF wird insgesamt neun P-8A Poseidon erhalten. Die P-8A Poseidon MRA1 ist ein Mehrzweck-Seeüberwachungsflugzeug, das mit Sensoren und Waffensystemen für die U-Boot-Bekämpfung sowie für Überwachungs-, Such- und Rettungseinsätze ausgerüstet ist. Das Flugzeug ist ein militärisches Derivat einer Boeing 737-800 Next Generation und bietet Möglichkeiten zur Verbesserung der betrieblichen Effizienz. Neben Großbritannien haben auch Australien, Indien, Neuseeland, Norwegen, Südkorea, USA sowie die Bundeswehr Verträge für die P-8A Poseidon unterzeichnet. Mit Kanada und Italien gibt es weitere Interessenten. Die Deutsche Marine wird acht Maschinen als Ersatz für die P-3C Orion erhalten.

Steve Burnell, Managing Director von Boeing Defence UK, unterzeichnete den Rahmenvertrag und äußerte sich wie folgt: „Boeing ist stolz darauf, diesen Schritt mit der RAF zu gehen, da wir gemeinsam nach Möglichkeiten suchen, die Luft- und Raumfahrt im Verteidigungsbereich nachhaltiger zu gestalten und auf unserem jüngsten Engagement für die Defence Aviation Net Zero Strategy und unseren laufenden Investitionen in Schottland aufzubauen. Die britische P-8A-Flotte, die auf der RAF Lossiemouth stationiert und im Atlantic Building untergebracht ist, einer gemeinsamen Investition von Boeing und dem Verteidigungsministerium in Höhe von 100 Millionen Pfund, bietet Möglichkeiten zur Erprobung und Nutzung nachhaltiger Technologien, die die operative Effizienz der Flotte weiter verbessern und ihre Umweltauswirkungen verringern werden.“

Die Net-Zero-Strategie für die Luftfahrt des Verteidigungsministeriums umreißt die Schritte, die erforderlich sind, um die Verpflichtung zur Dekarbonisierung der Luftfahrtkapazitäten des Verteidigungsministeriums zu erfüllen und gleichzeitig potenzielle Risiken für die betriebliche Effizienz zu mindern, die aufgrund des Klimawandels entstehen könnten. Laut Aussagen der britischen Streitkräfte machen die Luftfahrtemissionen derzeit etwa 60% der Emissionen des Verteidigungsministeriums aus.

Boeing und die RAF haben gemeinsam den Vorsitz der Defence Supplier Forum Climate Change and Sustainability Aviation Group inne, die die Führung und strategische Ausrichtung der Luftfahrtaktivitäten im Verteidigungsbereich übernimmt. Zu den bereits laufenden Initiativen gehört die Zusammenarbeit der RAF mit dem Branchenführer Zero Petroleum Ltd. zur Erforschung und Entwicklung einer synthetischen Treibstofftechnologie, die das Potenzial hat, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu beseitigen. Im November 2022 flogen die RAF und ihre Partner aus der Industrie eine Voyager (A330) mit 100 % nachhaltigem Treibstoff – eine Weltpremiere für ein Militärflugzeug dieser Größe und die erste eines Flugzeugtyps im Vereinigten Königreich.

Boeing ordert nachhaltigen Treibstoff im großen Stil

Wie Boeing bereits in einer Unternehmensmeldung am 16. Februar 2023 bekannt gab, hat das Unternehmen eine Vereinbarung zum Kauf von 5,6 Millionen Gallonen (21,2 Millionen Litern) gemischtem nachhaltigem Flugkraftstoff (SAF) unterzeichnet, der von Neste hergestellt wird. „Diese SAF-Beschaffung macht 25% des gesamten Treibstoffbedarfs von Boeing im vergangenen Jahr aus, einschließlich unserer Produktion, Auslieferung, Boeing-Eco-Demonstrator- und Dreamlifter-Flügen“, so ein Boeing-Sprecher. „Und wir wollen diesen Anteil in den nächsten Jahren erhöhen.“ Neste ist eine finnische Firma und produziert SAF seit rund 10 Jahren. Nach eigenen Angaben ist Beste der weltweit führender Hersteller von SAF. Die Kaufverträge beinhalten die Lieferung von Neste MY Sustainable Aviation Fuel (SAF), das mit herkömmlichem Treibstoff in einem Verhältnis von 30/70 gemischt wird, um das gemischte SAF herzustellen. Neste MY SAF wird zu 100% aus Abfall- und Restrohstoffen wie Speiseöl und tierischen Fettabfällen hergestellt.

P-8 Poseidon für die Bundeswehr.
Grafik: Boeing

Auch die Schweiz will auf nachhaltigem Treibstoff setzen

Die Schweizer Armee will ebenfalls ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten, so gab sie in einer Pressemeldung am 25. August 2023 bekannt. Deshalb testete die Schweizer Luftwaffe in den vergangenen Monaten den Einsatz von nachhaltigem Flugtreibstoff und klärte die logistischen Voraussetzungen dafür ab. Im August 2023 ist nun die erste größere Lieferung von nachhaltigem Treibstoff in der Schweiz eingetroffen. Der Ersteinsatz erfolgt durch die Patrouille Suisse im Rahmen ihrer Flugvorführung anlässlich des 75-Jahre-Jubiläums des Flughafens Zürich.

Am 1. und 3. September 2023 fliegt die Schweizer Luftwaffe zum ersten Mal nach den Tests mit nachhaltigem Treibstoff: Bei der Flugvorführung der Patrouille Suisse am Flughafenfest zur Feier des 75-Jahre-Jubiläums werden dem fossilen Kerosin in den Tanks der Kampfflugzeuge des Typs Tiger F-5 10% des SAF-Treibstoffs beigemischt. Der Einsatz dieses sogenannten Sustainable Aviation Fuel (SAF) ist eine der Maßnahmen, mit denen die Luftwaffe ihre fossilen CO2-Emissionen senkt. Sie gehört zur Umsetzung des Aktionsplans Energie und Klima VBS, mit welchem das VBS bis 2030 seine CO2-Emissionen um mindestens 40% gegenüber 2001 reduzieren will.

Für den Einsatz von SAF hat die Luftwaffe umfangreiche Abklärungen vorgenommen und Tests durchgeführt. Dabei wurden technische Fragen im Zusammenhang mit dem Flugzeug wie auch logistische Aspekte geklärt. Nach dem erfolgreichen Testverlauf bestellte die Luftwaffe erstmals eine größere Menge SAF. Die erste größere Lieferung dieses nachhaltigen Treibstoffs traf im August bei der Luftwaffe ein und kann nun bei der Patrouille Suisse eingesetzt werden.

In Zukunft soll der nachhaltige Treibstoff in sämtlichen Luftfahrzeugen der Luftwaffe eingesetzt werden. Da SAF heute auf dem Weltmarkt noch nicht genügend verfügbar ist, sieht die Luftwaffe eine schrittweise Erhöhung des Anteils vor, der dem Kerosin beigemischt wird. In den Jahren 2023 bis 2027 beträgt das Zumischungsverhältnis zwischen 1 und ca. 2%. Geplant ist, das Zumischungsverhältnis in den Jahren 2028 bis 2030 auf rund 10% zu steigern.

Der Einsatz von SAF bis zu einem Mischverhältnis von 50% erfordert keine technischen Anpassungen an den Luftfahrzeugen der Luftwaffe oder an den Tankanlagen. Verglichen mit fossilem Treibstoff enthält SAF weniger Schwefel, weniger aromatische Kohlenwasserstoffe und es können über 80 Prozent der fossilen CO2-Emissionen vermieden werden. Bei einer SAF-Beimischung von 10% kann die Luftwaffe ihren CO2-Ausstoss folglich um etwa 8% senken.

Für den Betrieb von großen Luftfahrzeugen werden auch in den kommenden Jahrzehnten Kerosin und kerosinähnliche Treibstoffe benötigt. Um fossile CO2-Emissionen nicht nur zu stabilisieren, sondern zu reduzieren besteht der Schlüssel in der Herstellung von fossilfreien Treibstoffen.

Die internationale Zivilluftfahrt ist zurzeit für 2-2.5% des durch den Menschen verursachten globalen CO2-Ausstosses verantwortlich. In Anbetracht der prognostizierten globalen jährlichen Zunahme an Passagieren von 5% bis ins Jahr 2050, werden die durch die Aviatik verursachten Treibhausgasemissionen ansteigen. Um diesen Anstieg langfristig zu stabilisieren, strebt die Internationale Zivilluftfahrt Organisation (ICAO) ab dem Jahr 2020 ein CO2-neutrales Wachstum an.

Alternative Treibstoffe

Eine wichtige Rolle zum Erreichen von Stabilisierungs- und Reduktionszielen wird unter anderem dem kommerziellen Einsatz von alternativen Flugzeugtreibstoffen (engl. sustainable aviation fuels, SAFs) beigemessen. Je nach zugrundeliegendem Rohstoff und Produktionsverfahren beträgt die fossile CO2-Einsparung, welche durch den Einsatz von SAFs erzielt werden kann, bis zu 80% gegenüber konventionellem, aus fossilen Quellen stammendem Kerosin. Bei der Verwendung von CO2 aus der Luft und Wasser als Bausteine für Kerosin und der vollständigen Verwendung erneuerbarer Energie für den Produktionsprozess sind praktisch vollständig CO2-neutrale Treibstoffe möglich.

Für den Betrieb von großen Luftfahrzeugen werden ohne technische Quantensprünge auf lange Sicht nach wie vor Kerosin und kerosinähnliche Treibstoffe benötigt. Aus diesem Grund besteht der Schlüssel zu fossilfreiem Fliegen in der fossilfreien Herstellung von Treibstoffen.

Bundeswehr will Vorreiter sein

Auch die Deutsche Luftwaffe setzt auf SAF. Voraussetzung ist, dass der nachhaltige Treibstoff die gleichen Leistungsspezifikationen hat wie herkömmliches Kerosin: „Einsatzbereitschaft und Leistungsfähigkeit unserer Luftfahrzeuge dürfen nicht sinken. Das synthetisch hergestellte Kerosin muss außerdem verträglich für die Motoren und Turbinen sein. Da sind wir gerade im Zertifizierungsprozess“, so Oberst Kristof Conrath, Dezernatsleiter im Luftwaffentruppenkommando.

Für die „Weiße Flotte“ – also die Flugzeuge der Flugbereitschaft des Bundesministerium der Verteidigung ist die Zertifizierung abgeschlossen. Sie können mit einem Kerosinmix mit einem Anteil von bis zu 50% synthetischem Treibstoff betankt werden. Mit dem A321 „Neo“ wurde auf der ILA 2022 ein militärisches Transportflugzeug übergeben, das mit synthetischem Kerosin fliegen darf. Als nächstes soll das auch bei den A400M-Transportflugzeugen realisiert werden. Deutschland fördert daher die Forschung und die Herstellung von SAF und anderen synthetischen Kraftstoffen. Bisher sind diese noch nicht effektiv, da noch teurer als herkömmliches Kerosin.

 

 

Autor: André Forkert, cpm GmbH

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