O-Plan Deutschland: Vom Bund zum Land und über Brücken

Die Erstellung des O-Plan Deutschland führte allen Akteuren deutlich vor Augen, wie komplex die Vorbereitung auf einen Spannungs- bzw. Bündnisfall im föderalen Deutschland ist. So zeigten gestern auch die Referenten beim Symposium „Perspektiven der Verteidigungswirtschaft“ der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik (DWT) vor allem eines auf: Nichts ist einfach. Als ein Beispiel könnten die Brücken dienen.

Durch den O-Plan Deutschland soll die Bundesrepublik – in allen Bereichen – auf den Ernstfall vorbereitet werden. Denn die Soldaten der Bundeswehr, die oftmals eine Hauptlast bei Katastrophen tragen, werden dann an der Front gebraucht.
Durch den O-Plan Deutschland soll die Bundesrepublik – in allen Bereichen – auf den Ernstfall vorbereitet werden. Denn die Soldaten der Bundeswehr, die oftmals eine Hauptlast bei Katastrophen tragen, werden dann an der Front gebraucht.

Generalleutnant Gerald Funke, Befehlshaber Unterstützungskommando der Bundeswehr, machte in seinem Vortrag beim DWT-Symposium deutlich, dass der Begriff Drehscheibe Deutschland gerade nicht nur den kontrollierten, angekündigten und planbaren militärischen Zufluss bedeute – der in seiner wahrscheinlichen Größe allerdings bereits beeindruckend sei – sondern auch eine zu erwartende eher unkontrollierte Bewegung von Menschen und Material aus dem Kriegsgebiet nach Deutschland.

„Wir reden von Flüchtlingen, wir reden von Verwundeten, wir reden von Gefallenen. Wir reden sicherlich auch von Kriegsgefangenen und wir reden vom Abschub von Material“, beschreibt Generalleutnant Funke. Also gebe es zum einen die eher planbare aber in einer enormen Größenordnung zu erwartende Bewegung von Material und Streitkräften durch Deutschland hindurch, von den niederländischen Häfen in Richtung Ostflanke, zum anderen aber auch die nur bedingt planbare Bewegung vor allem von Menschen von der Ostflanke nach und durch Deutschland.

Ein zweites Momentum kommt im Bündnisfall hinzu: Die Soldaten werden im Bereich der Front gebraucht. Auch wenn die Zeitenwende deutliche Verbesserungen gebracht hat, der erneute Aufbau von Fähigkeiten kostet Zeit und Personal, besonders letzteres ist überall die große Mangelressource. Generalleutnant Funke bzw. sein Unterstützungskommando wäre dementsprechend damit ausgelastet, im Kriegsfall die militärische Bewegung und den Kampf der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr zu unterstützen. Alles, was in Deutschland notwendig sei, müssten im besten Fall zivile Unternehmen, Einrichtungen und Akteure leisten, „denn meine Kräfte werden vorne gebraucht“, betont Generalleutnant Funke. „Alles, was ich an militärischen Kräften in Deutschland einsetzen muss, das fehlt mir vorne an der Front.“

Doch diese Einbeziehung ziviler Akteure ist nicht unbedingt gegeben. „70 Prozent aller Lkw-Fahrer in Deutschland haben keinen deutschen Pass“, erklärt Generalleutnant André Bodemann, Stellvertreter des Befehlshabers, Operatives Führungskommando der Bundeswehr. „Die werden im Kriegsfall wahrscheinlich – genauso wie damals die Ukrainer – in ihr eigenes Land zurück gehen, um dies zu verteidigen.“

Generalleutnant Gerald Funke, Befehlshaber Unterstützungskommando der Bundeswehr, skizziert beim DWT-Symposium die im Kriegsfall zu erwartenden Ströme von Menschen und Material durch Deutschland.
Generalleutnant Gerald Funke, Befehlshaber Unterstützungskommando der Bundeswehr, skizziert beim DWT-Symposium die im Kriegsfall zu erwartenden Ströme von Menschen und Material durch Deutschland.
Foto: CPM Defence Network/Dorothee Frank

Generalleutnant Funke und mahnt daher an, dass auch die zivilen Bereiche sich mit der Umsetzung befassen müssen. Der Bedarf von Einheiten im Krieg sei schließlich nicht zu unterschätzen. „Um ihnen eine Vorstellung zu geben“, sagt Generalleutnant Funke, „wenn sie eine Brigade des Heeres bei einer normalen Kampfintensität versorgen müssen, reden wir von ungefähr 100 20-Fuß-Container pro Tag.“ Dies sei natürlich nur eine grobe Schätzung, weil es auch auf die Einheit selbst und die tatsächliche Kampfintensität ankomme, aber 100 Standardcontainer müsse man sich pro Tag für eine Brigade vorstellen, um die Dimension des durch Deutschland laufenden Supports zu erfassen.

General a.D. Jörg Vollmer, bis zum Juni 2022 Befehlshaber des Allied Joint Forces Command der NATO in Brunssum, stellte zudem die Frage in den Raum, was es tatsächlich bedeute, wenn die eigentlich notwendige Ausstattung nicht rechtzeitig beschafft oder geliefert werden könne.

„Wenn unser Generalinspekteur zu Recht sagt“, so General a.D. Vollmer, „wir müssen bis 2029 verteidigungsbereit sein. Und dann gesagt wird, wenn wir das nicht schaffen geht die Truppe mit dem was sie hat. Das muss doch mal jemand durchdeklinieren, was das heißt. Das heißt, dann geht die Truppe ohne Munitionsbevorratung für 30 Tage, dann geht sie ohne Vollausstattung, dann geht sie ohne vollständige sanitätsdienstliche Unterstützung – die kann nämlich nur für eine Division bereitgestellt werden.“ Wenn zudem einerseits von Vernetzter Operationsführung und Multi Domain Operations geredet werde, so General a.D. Vollmer, „aber dann in einem Satz gesagt wird, aber 2033 erst, dann passt doch hier was nicht zusammen!“

Der hybride Krieg Russlands

Zudem dürfe nicht vergessen werden, dass Russland bereits heute einen hybriden Krieg betreibe – auch gegen Deutschland. „Wir befinden uns in einer hybriden Situation zwischen Frieden und Krieg“, benennt Generalleutnant Bodemann die Einschätzung der Bundeswehr. Und eines sei sicher, im Kriegsfall werde Russland wirken, um einen Aufmarsch der NATO-Truppen zu verhindern, mit Sabotage, mit Desinformationskampagnen, um Angst in der Bevölkerung zu verbreiten. All diesem müsse dann begegnet werden, „in der juristischen Lage des Friedens“. Genau deshalb erfordere eine Vorbereitung Deutschlands auch Gesetzesänderungen.

Diese Gesetzesänderungen müssen allerdings nicht nur die Bundeswehr, sondern auch den Bund stärken. „Wo der Bund bis in die Kommunen Weisung erteilen kann, das haben wir noch nicht“, erläutert Ministerialdirigent Dr. Christoph Hübner, Stellvertreter des Abteilungsleiters Krisenmanagement und Bevölkerungsschutz im Bundesministerium des Innern (BMI), und betont: „Aber die Sicherheit wird vor Ort geleistet!“

Der O-Plan Deutschland zwinge nun die vielen zivilen Akteure vor Ort, sich mit dieser Thematik überhaupt zu befassen, denn „wir als BMI haben nur sehr wenig Truppenteile auf der Straße“. Das Bundesinnenministerium verfüge zwar über die Bundespolizei, aber deren Aufgaben und Stärke seien klar eingegrenzt. Die Hauptarbeit leisteten die Landespolizeien und diese seien den 16 Innenministerien der Länder unterstellt, mit der ganzen dahinterstehenden politischen Vielfalt.

Zudem gab Hübner eines zu bedenken: „Die Polizeien werden im Spannungsfall schon alle Hände voll zu tun haben, weil nicht sicher ist, dass die Bevölkerung friedlich bleibt. Es kann zu Ausschreitungen kommen.“

Der Katastrophenschutz sei sogar noch kommunaler organisiert, mit beispielsweise 1,7 Millionen Feuerwehrleuten. Hier gelte es zu bedenken, dass noch nicht einmal abrufbare Kommunikationswege existierten. „VS-Kommunikation ist über die Ressorts nicht möglich“, so Hübner. „Das ist trostlos. Und das ist keine Frage nicht-vorhandener Mittel, sondern von Prioritätensetzung.“

Der O-Plan Deutschland und die Beherrschung der Komplexität

Durch den O-Plan Deutschland werde nun allen Landräten und Landesministern gezeigt, dass sie eine wichtige Rolle innehaben. Gerade weil die Bundeswehr im Bündnisfall ihre Ressourcen für die Verteidigung der Sicherheit und Freiheit Deutschlands an der Kriegsfront braucht, statt im Inland beispielsweise Kritische Infrastrukturen zu bewachen.

Gleichzeitig brachte der O-Plan Deutschland aber auch Erkenntnisse über vorhandene Fähigkeiten, wie zu den eingangs genannten Brücken. Hier besitzen Bundeswehr und THW zwar nur begrenzte Fähigkeiten, aber die Autobahn GmbH, die dem Bundesverkehrsministerium untersteht, verfügt über einen großen Vorrat.

Wie schnell und wirksam die Autobahn GmbH ihre Ersatzbrücken aufbauen könne, sehe man beispielsweise an der Autobahnbrücke Leverkusen, „da sind auch noch Teile der Ersatzbrücken verbaut“, erläutert Generalleutnant Bodemann. „Nur wir sollten jetzt beginnen uns zu überlegen – und das tun wir auch am Beispiel der Oder – ob wir nicht jetzt schon Fundamenten legen, sie gießen und die ausgehärtet sind, um dann eine Ersatzbrücke zu legen, wenn die andere nicht mehr da ist.“

Die Brückenlager der Autobahngesellschaft seien so gut bestückt, „die könnten sogar die fehlende Brücke auf der A540 momentan kompensieren“, so Generalleutnant Bodemann. „Wenn jetzt alle Brücken in Deutschland zerstört wären, das würden sie wahrscheinlich nicht hinbekommen, aber sie haben Fähigkeiten und die müssen wir nutzen. Wir reden deshalb mit der Autobahngesellschaft und schließen einen Rahmenvertrag, um dann deren Unterstützung zu bekommen, einschließlich auch der Autobahnmeistereien, weil die für den Support Fähigkeiten haben. Bis hin zu Meistereien, die noch ohne Strom betanken können.“

Weitere Veranstaltung zum O-Plan Deutschland

CPM greift das Thema O-Plan Deutschland in einer eigenen zweitägigen Veranstaltung auf, die am 26. und 27. März 2025 in München stattfindet. Weitere Informationen zu dieser Konferenz finden Sie hier.

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