Oberammergau – 50 Jahre NATO School

Ausbildung und Training spielen eine zentrale Rolle bei der Entwicklung und Bewahrung der Fähigkeiten von Streitkräften. Die Ausbildung für die NATO liegt weitgehend in nationaler Verantwortung. Gerade deshalb sind multinationale Einrichtungen wie die NATO School Oberammergau unerlässlich, um Weiterentwicklung und effektive Zusammenarbeit über nationale Grenzen hinweg zu fördern. Im vergangenen Jahr ist die NATO School Oberammergau 50 Jahre alt geworden. Wir veröffentlichen heute dazu diesen Beitrag aus dem cpmFORUM 5/24.

Wo alles begann: Im Gebäude 630 fanden die ersten NATO-Kurse statt. Foto: NSO Archiv
Wo alles begann: Im Gebäude 630 fanden die ersten NATO-Kurse statt.
Foto: NSO Archiv

Spätestens mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 rückte die Beistandsverpflichtung zur kollektiven Bündnisverteidigung wieder in den Mittelpunkt des sicherheitspolitischen Interesses der NATO. Zusätzlich zu verstärkten nationalen Anstrengungen werden Übungen, Ausbildung und Training im bündnisgemeinsamen Rahmen in den Mittelpunkt gestellt, um die Glaubwürdigkeit des Kernauftrags der Allianz zu untermauern.

Glaubwürdige Abschreckung ist ein Zustand, der nicht allein durch Material- oder Personalstärke erreicht werden kann. Vielmehr sind ein gemeinsamer Zeichenvorrat, Interoperabilität, Zusammenhalt und Teambuilding innerhalb der Allianz essenziell, um optimal für einen möglichen Einsatz gewappnet zu sein.

Diese Erkenntnis ist innerhalb des Bündnisses keineswegs neu. Am Standort Oberammergau wird bereits seit mehr als 70 Jahren NATO-Ausbildung betrieben – seit 50 Jahren trägt die Einrichtung dies auch im Namen. Im Jahr 1974 entstand hier die NATO School (SHAPE) in deutsch-amerikanischer Kooperation. Seitdem bilden qualifizierte und erfahrene Kursleiterinnen und -leiter militärisches und ziviles Personal aus NATO- und Partnernationen in einem Portfolio aus, das stets aktuell und relevant an den bestehenden Herausforderungen der sicherheitspolitischen Realität ausgerichtet ist.

In aktuell 115 Kursen werden die Lehrgangsteilnehmenden auf operativer Ebene in 27 der 29 durch die NATO definierten Ausbildungsfeldern aus- und weitergebildet. Die Schule leistet damit einen wesentlichen Beitrag zur Umsetzung der Ausbildungs- und Trainingsziele der NATO.

Anfänge der NATO-Ausbildung in Oberammergau

Die Geschichte der NATO-Ausbildung in Oberammergau reicht bis in die frühen 1950er-Jahre zurück, als die US Army Europe beschloss, einen zweiwöchigen Kurs zum Umgang mit nuklearen Bedrohungen in Oberammergau anzubieten. Im Kalten Krieg wurde Oberammergau zunehmend zu einem zentralen Ausbildungsort der Allianz. Zusätzliche Kurse wurden in das Portfolio aufgenommen, die Einrichtung wuchs.

Blick in den Kurs „European Security Cooperation“ im Jahr 1974. Foto: NSO Archiv
Blick in den Kurs „European Security Cooperation“ im Jahr 1974.
Foto: NSO Archiv

Vor 50 Jahren, am 29. Juni 1974, übergab der letzte US-Kommandant der damaligen Hawkins-Kaserne die Liegenschaft an das deutsche Verteidigungsministerium. Während die meisten Gebäude Teil der neuen Bundeswehrverwaltungsschule IV wurden, ging ein kleiner Teil offiziell an die NATO School (SHAPE) unter bilateraler deutsch-amerikanischer Führung.

Neue Herausforderungen

In den 1970er- und 1980er-Jahren erweiterte die NATO School (SHAPE) ihr Kursangebot deutlich, um den wachsenden Anforderungen der NATO gerecht zu werden. Die Balkankriege der 1990er erforderten eine Ergänzung der Ausbildungen zu Stabilisierungsoperationen. In diesem Zusammenhang spielte die NATO School (SHAPE) eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung des Dayton-Abkommens, indem sie einen speziellen Arms Control Course zur Unterstützung des Rüstungskontrollabkommens anbot, um auf dieser Basis die Friedensprozesse in Bosnien weiter voranzutreiben.

Im Jahr 2003 wurde die Schule dem Supreme Allied Commander Transformation (SACT) unterstellt und erhielt ihren aktuellen Namen: NATO School Oberammergau (NSO). Ein Jahr später wurde die NSO auch formell als binationale militärische Einrichtung der NATO anerkannt.

Zwischen 2004 und 2012 bot die NSO u. a. Angehörigen der irakischen Streitkräfte eine Ausbildung im Rahmen der NATO-Trainingsmission an und reagierte damit auf die sich erneut verändernde Sicherheitsumgebung. Ein weiterer neuer Schwerpunkt bildete sich zudem in den Bereichen Terrorismusbekämpfung, Krisenmanagement, Zivil-Militärische Zusammenarbeit und Öffentlichkeitsarbeit.

Heute ist das Allied Command Transformation (ACT) in Norfolk, Virginia, für die Ausrichtung des Lehrplans der NSO verantwortlich. Die NSO passt ihr Kursangebot kontinuierlich an, um den sich wandelnden Sicherheitsherausforderungen gerecht zu werden.

Dazu zählen auch die wachsenden Bedrohungen durch Cyber-Angriffe, die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen, Terrorismus oder die Gefährdung der Energieversorgung. Aber auch hochaktuelle Themen der Verteidigung wie Multi-Domain Operations inklusive Space Operations gehören zukünftig zum umfangreichen Ausbildungsportfolio der NSO.

Aktuelle Technologie im Unterricht: Mit dem Holodeck kann eine Referentin aus Norfolk direkt in den Klassenraum in Oberammergau projeziert werden. Foto: A. Evans
Aktuelle Technologie im Unterricht: Mit dem Holodeck kann eine Referentin aus Norfolk direkt in den Klassenraum in Oberammergau projeziert werden.
Foto: A. Evans

Im Jahr 2023 wurden an der NSO mehr als 11.000 Soldatinnen und Soldaten sowie ziviles Personal aus 74 verschiedenen Nationen ausgebildet. Diese Ausbildung erfolgt zu wesentlichen Teilen in Oberammergau, wenn sinnvoll und effizient aber auch beim Bedarfsträger vor Ort, z. B. in einem NATO Headquarter. Zusätzlich zum Schulbetrieb ist Oberammergau auch Ausrichtungsort multinationaler Konferenzen. Das jährliche Defence Policy and Planning Symposium beispielsweise ist eine Zusammenkunft der politischen Ebene der NATO und ihrer Partnernationen.

Die personelle Sicherstellung des Ausbildungsbetriebes mit aktuell etwa 160 Soldatinnen und Soldaten sowie zivilen Mitarbeitenden an der NSO erfolgt derzeit durch 22 unterschiedliche Nationen, die das Personal zur Verfügung stellen. Während die beiden Rahmennationen USA und Deutschland Infrastruktur, IT und Logistik für die akademische Lehre auf dem Campus zur Verfügung stellen, wird der Lehrbetrieb selbst komplett aus den Lehrgangsgebühren bestritten.

Damals wie heute

Wie auch die NATO als Bündnis selbst befindet sich die NSO inmitten eines Wandlungsprozesses. Die immer größer werdende Nachfrage nach Kursen verlangt nach einer deutlichen Steigerung der Lehrkapazitäten. Moderne Lehre und zeitgemäßes Informationsmanagement sind nicht nur eine Forderung der Lehrgangsteilnehmenden, sondern ein Teil des Selbstverständnisses der Schule.

Die Aufstockung an Lehrpersonal, die Erweiterung der Infrastruktur, die permanente Erneuerung der IT-Landschaft und die Ausgestaltung neuer Lehrinhalte sind somit zentrales Thema der kommenden Monate und Jahre.

Trotz der zahlreichen Veränderungen im Schulportfolio seit Beginn des Lehrbetriebs bleibt das Grundprinzip der NSO bestehen: Qualifiziertes Fachpersonal, internationale Vernetzung von Fachpersonal sowie Förderung von Zusammenarbeit und Interoperabilität innerhalb der NATO sind die Grundpfeiler des Erfolges der Allianz. Dafür leistet die NSO einen wesentlichen Beitrag.

 

Oberleutnant zur See Madeleine Gerweck,
Deutscher Anteil NATO School Oberammergau

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