Pistorius beim Weltraumkommando: „Wir müssen uns stärker aufstellen im Weltraum“

Nach seinem Besuch beim Taktischen Luftwaffengeschwader 33 reiste Verteidigungsminister Boris Pistorius gestern von der Eifel an den Niederrhein. In Uedem besuchte er zum ersten Mal das erst 15 Monate alte Weltraumkommando der Bundeswehr und stellte fest: „Wir brauchen militärische Kontrolle für den Satellitenbetrieb, wir müssen uns stärker aufstellen im Weltraum.“

Das Weltraumlagezentrum ist elementarer Bestandteil im Weltraumkommando der Bundeswehr, wird jedoch gemeinsam mit der DLR betrieben.
Das Weltraumlagezentrum ist elementarer Bestandteil im Weltraumkommando der Bundeswehr, wird jedoch gemeinsam mit der DLR betrieben.
Foto: cpm / Navid Linneamann

Derzeit gibt es rund 36.000 katalogisierte Objekte in verschiedenen Höhenbereichen um unseren Planeten (die sich dank des Weltraumkommandos hier jeder ansehen kann). Neben geschätzt 10.000 aktiven Satelliten – allein 6.500 davon gehören zu Elon Musks Starlink-System – kommt auch eine Menge Weltraumschrott hinzu. Jedes der Objekte stellt eine potenzielle Gefahr für Satelliten dar, sollte es zu Kollisionen kommen.

Ob die Reste von Trägerraketen oder vergessene Schraubenschlüssel der ISS, eine Überwachung des Weltraums ist allein schon für die „Arbeitssicherheit“ wichtig. Dazu gehört auch das sogenannte Weltraumwetter, denn durch starke Sonnenwinde können Umlaufbahnen deutlich verändert werden. Das betrifft nicht nur Satelliten, die dadurch schneller an Höhe verlieren und früher in die Erdatmosphäre eintreten, sondern auch die Internationale Raumstation ISS.

Im All sind wir nicht allein

Neben Weltraumwetter und Weltraumschrott lauert allerdings noch eine dritte Gefahr im All: der militärische Gegner. “Wir müssen einfach erkennen, dass der Weltraum eine strategische Dimension ist und wir uns damit beschäftigen müssen“, sagte Verteidigungsminister Pistorius, „und zwar lieber früher als später.” In Zeiten, in denen Russland einen hybriden Krieg gegen den Westen führt, klingt diese Erkenntnis wie eine Binse.

Das Weltraumlagezentrum – Von hier aus überwacht die Bundeswehr alle 36.000 um uns im Orbit kreisenden Objekte.
Das Weltraumlagezentrum – Von hier aus überwacht die Bundeswehr alle 36.000 um uns im Orbit kreisenden Objekte.
Foto: cpm / Navid Linneamann

Im Weltraumkommando der Bundeswehr wird jedoch deutlich, was der Minister meint. Denn hier wird aufgeklärt, wenn russische Satelliten sich dicht an Satelliten von NATO-Staaten positionieren, um deren Kommunikation abzufangen, oder wenn die ziemlich geheime chinesische Raumfähre Shenlong unbekannte Objekte im All aussetzt, deren tatsächlicher Zweck bisher nicht bekannt ist.

Genau hier liegt auch ein Problem, denn im Weltraum ist es „wirklich schwierig zu erkennen“, ob es sich um Objekte bzw. Fähigkeiten mit ziviler oder militärischer Nutzung handelt. Ein Beispiel: Landwirte nutzen Satellitenbilder und entsprechende Software, um die Bodenbeschaffung ihrer Äcker zu bewerten. Genau dieselben Bilder können verwendet werden, um die Befahrbarkeit des Geländes mit schweren Fahrzeugen zu bewerten, wie es für militärische Operationen von Bedeutung sein kann. Hier Aufklärung zu betreiben ist auch Aufgabe des Weltraumkommandos.

Zwei Abteilungen, ein Weltraumkommando der Bundeswehr

Das erst vor knapp über einem Jahr aufgestellte und zur Luftwaffe gehörende Weltraumkommando der Bundeswehr verfügt genau aus diesem Grund über zwei Operationsbereiche. Zum einen werden im Weltraumlagezentrum (gemeinsam mit Kollegen vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)) alle Objekte im All beobachtet und deren Umlaufbahnen um unseren Planeten berechnet, um mögliche Gefahren frühzeitig zu erkennen – sowohl durch Kollision als auch gezielte Angriffe durch gegnerische Kräfte. Dieses Lagezentrum gibt es bereits seit über zehn Jahren.

Bundesminister der Verteidigung, Boris Pistorius, lässt sich von einer angehenden Weltraumoffizierin der Bundeswehr die Arbeit im Weltraumlagezentrum erklären.
Bundesminister der Verteidigung, Boris Pistorius, lässt sich von einer angehenden Weltraumoffizierin der Bundeswehr die Arbeit im Weltraumlagezentrum erklären.
Foto: cpm / Navid Linneamann

Neu ist hingegen die andere, sich noch im Aufbau befindliche Abteilung Planen & Führen von Weltraumoperationen. Sie soll auf Basis der Weltraumlage militärische Gegenmaßnahmen mit anderen Stellen der Bundeswehr koordinieren. Das kann beispielsweise nötig werden, wenn deutsche Aufklärungs- oder Kommunikationssatelliten angegriffen werden.

Die Bedeutung des Weltraumkommandos sei aber „vielen in der Öffentlichkeit noch nicht klar“, stellte Bundesminister der Verteidigung, Boris Pistorius, bei seinem Besuch in Uedem fest. “Aber es geht um Sicherheit, um physische Sicherheit, um Datensicherheit und Satellitensicherheit. Es geht um die Abwehr von Angriffen auf unsere Kommunikation.“ Wenn man Satelliten als das begreift, was sie sind – nämlich kritische Infrastruktur – dann muss man zu deren Schutz auch „selber aktiv“ werden, wie es Pistorius zum Ausdruck brachte.

Bewusstsein fehlt: Satelliten sind kritische Infrastruktur

Doch dieses Bewusstsein fehlt in breiten Teilen der Öffentlichkeit noch immer. Obwohl nahezu alle Menschen täglich weltraumgestützte Dienste – vom Wetterbericht über die Navigation im Auto bis zur Banküberweisung – nutzen, werden militärische Weltraumaktivitäten vielfach belächelt. Man denkt eher an Science-Fiction, woran die Bundeswehr selbst nicht ganz unschuldig ist, wenn man an den Festakt zur Einweihung des neuen Dienstgebäudes in Uedem denkt, bei dem auch Darth Vader, imperiale Offiziere und Sturmtruppler zugegen waren.

Pistorius sucht das Gespräch mit der Truppe

Der Verteidigungsminister war allerdings nicht nur nach Uedem gekommen, um sich einen Einblick in die Arbeit des Kommandos zu verschaffen, er wollte ebenso mit der Truppe ins Gespräch kommen. In einer kurzen Ansprache hob er die wichtige Arbeit am Niederrhein hervor, „weil Sie hier eben echte Pionierarbeit leisten, die in den nächsten Jahren an Bedeutung ganz sicher noch erheblich zunehmen wird.“

Kurz darauf schickte der Minister sowohl alle Medienvertreter als auch die Vorgesetzten der Weltraumsoldaten vor die Tür, um sich eine Stunde lang deren Perspektiven anzuhören. Große Sorgen bezüglich der Ausstattung dürften dabei nicht zur Sprache gekommen sein, denn in das Weltraumkommando der Bundeswehr wird kräftig investiert.

Von derzeit rund 150 Dienstposten soll es auf 220 bis 230 Soldatinnen und Soldaten anwachsen. In der Kaserne Paulsberg sind zahlreiche Baustellen erkennbar. Unter anderem soll das Dienstgebäude des Weltraumkommandos erweitert und eine neue Truppenküche gebaut werden.

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