Mit dem heutigen Tag ist der NATO-Beitritt Schwedens greifbarer geworden. Am späten Abend stimmte die Türkische Große Nationalversammlung (TBMM) für den Beitritt des skandinavischen Landes zum nordatlantischen Bündnis. Der kurz nach dem russischen Überfall auf die Ukraine geäußerte Beitrittswunsch ist mit der späten Zustimmung aus Ankara jedoch nicht abgeschlossen – Eine letzte Zustimmung fehlt noch.
Kurz vor 23 Uhr türkischer Zeit stimmte das Parlament in Ankara mit den Stimmen der Regierungsparteien AKP und MHP, sowie der Oppositionsparteien CHP und DEVA für die Aufnahme Schwedens in die NATO. Von den 346 abgegebenen Stimmen stimmten 287 zu und 55 gegen die Aufnahme Schwedens. Die nun benötigte Unterschrift von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan für den NATO-Beitritt Schwedens gilt nun als reine Formsache.
NATO-Beitritt Schwedens: Viel Kritik vor der Zustimmung
In der Parlamentsdebatte waren am Abend noch zahlreiche kritische Stimmen zum NATO-Beitritt Schwedens geäußert worden. Insbesondere kleinere Oppositionsparteien sprachen sich gegen einen NATO-Beitritt aus. Sie verknüpften diesen allerdings selten mit der NATO oder Schweden selbst. So hob der Abgeordnete der rechtskonservativen oppositionellen IYI-Partei Koray Aydin hervor, dass man Staaten, die nicht effektiv gegen Terrorismus vorgingen und ihnen „eine Heimstätte“ böten, die Aufnahme nicht gestatten dürfe. Der Abgeordnete spielte damit auf das Argument an, dass Schweden zu wenig gegen die in der Türkei als Terrororganisation betrachtete PKK und deren Anhänger in Schweden unternehme. Dabei hatte Schweden im vergangenen Sommer auf Drängen der Türkei ein neues Anti-Terror-Gesetz erlassen.
Auch der in Deutschland aufgewachsene Abgeordnete Mustafa Yeneroğlu von der neu gegründeten Deva-Partei (in der vorherigen Legislatur war er noch Mitglied der Regierungspartei AKP) kritisierte im Zusammenhang mit der heutigen Abstimmung Punkte, die nur indirekt mit Schweden und der NATO zu tun haben. Beispielsweise nannte er die ausbleibende Modernisierung der Zollunion mit der Europäischen Union und eine von der Türkei erhoffte Visaliberalisierung. Yeneroğlu sagte aber auch: „Wir wissen, dass die Abschreckung durch die NATO von entscheidender Bedeutung ist. Daher legen wir Wert darauf, dass dieses Bündnis in der kommenden Zeit als eines der außenpolitischen Ziele der Türkei weiter gestärkt wird.“ Seine Partei wollte dem Beitritt daher zustimmen.
Ankaras Zustimmung reicht nicht, Schweden schaut auf Ungarn
Dass sich das Parlament in der Türkei über anderthalb Jahre nach Schwedens Antrag für dessen Beitritt ausgesprochen hat, dürfte weniger an der plötzlichen Erkenntnis um die Bedeutung der NATO liegen, als am grünen Licht aus dem Präsidentenpalast. Was letztendlich in Ankara zur Meinungsänderung geführt hat, bleibt jedoch offen – spekuliert wird über zugesagte F16-Kampfjets aus den USA, aber auch die NATO-Staaten Finnland, Kanada und die Niederlande hatten in den letzten Wochen und Monaten ihre Beschränkungen bei Rüstungsexporten in die Türkei gelockert.
Beim NATO-Beitritt Schwedens dürften nun alle Augen nach Budapest gerichtet sein, denn Ungarn ist das letzte Land, welches den Beitritt noch ratifizieren muss. Ob und wann Ministerpräsident Viktor Orban diesen Schritt geht, ist augenblicklich jedoch unklar. Wenigstens wurde heute bekannt, dass er ein Einladungsschreiben an Premierminister Ulf Kristersson geschickt habe, um die Mitgliedschaft Schwedens in der NATO direkt mit ihm zu besprechen.
Navid Linnemann
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