Der Den Haager Verteidigungsinvestitionsplan wird „einen Quantensprung in unserer kollektiven Verteidigung bewirken“, war sich NATO-Generalsekretär Mark Rutte nach dem NATO-Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs sicher. Die Mitgliedsstaaten haben sich bei ihrem Arbeitstreffen heute auf ein neues Ausgabenziel von fünf Prozent des BIP geeinigt. Doch überschattet wurde das Treffen von einem Schauspiel, das manche Beobachter zu der Aussage führte, in Den Haag fände nicht der NATO-Gipfel, sondern ein „Trump-Summit“ statt.
„Zu lange trug ein Verbündeter – die Vereinigten Staaten – zu viel von der Last dieser Verpflichtung, und das ändert sich heute“, sagte NATO-Generalsekretär Mark Rutte in seiner Begrüßung zu Beginn des Arbeitstreffens. „Präsident Trump, lieber Donald, du hast diesen Wandel möglich gemacht. Deine Führungsrolle in dieser Hinsicht hat seit 2016 bereits zu zusätzlichen Ausgaben der europäischen Verbündeten in Höhe von einer Billion Dollar geführt.“
Man kann es durchaus als Erfolg Ruttes bezeichnen, dass nach mehreren Monaten internationaler Debatten der Anstieg des NATO-Ziels von zwei auf fünf Prozent heute tatsächlich beschlossen wurde – und damit die Zustimmung Trumps zur NATO vorerst gesichert sein dürfte.
Wir treffen uns in einem gefährlichen Moment für unsere eine Milliarde Bürgerinnen und Bürger. Russlands Krieg gegen die Ukraine wütet weiter. Eine selbstbewusste Gruppierung von Gegnern versucht, uns zu spalten und herauszufordern. Im Nahen Osten herrscht Krieg, der Terrorismus stellt eine ständige Bedrohung dar und neue Technologien bringen zwar Chancen mit sich, stellen aber auch zahlreiche ernste Sicherheitsherausforderungen dar. Angesichts dessen stehen wir zusammen, vereint in der NATO, dem mächtigsten Verteidigungsbündnis der Weltgeschichte.
– Mark Rutte, NATO-Generalsekretär
Das neue NATO-Ziel von fünf Prozent sieht vor, dass jedes Mitgliedsland des Militärbündnisses mindestens 3,5 Prozent in direkte militärische Ausgaben investiert (Soldaten, Waffensysteme, Kasernen etc.) und 1,5 Prozent in sicherheitsrelevante Infrastruktur (Häfen, Cybersicherheit, Schienennetz etc.). Rutte nannte das heutige Abkommen daher den Den Haager Verteidigungsinvestitionsplan.
Wie sicher sind die fünf Prozent?
Doch noch gestern war unklar, ob sich wirklich alle NATO-Mitglieder am neuen Ziel beteiligen. Länder wie Deutschland oder die gastgebenden Niederlande hatten daran keinen Zweifel gelassen.
Anders Staaten wie Spanien, die weiter von der Bedrohung aus Russland entfernt liegen. Hier wird kritisiert, dass mehr Geld für Verteidigung weniger Sicherheit bringen könnte, als das bisherige Geld sinnvoller einzusetzen. Symbolisch deutlich machte die Kritik am NATO-Plan heute der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez, der beim traditionellen „Familienfoto“ etwas mehr Abstand zu den anderen Staats- und Regierungschefs ließ, als eigentlich vorgesehen.
Am Ende stimmte Sánchez den fünf Prozent tatsächlich nicht zu, was ihm prompt Drohungen mit härteren Zöllen von Trump einbracchte. Doch klar ist auch: Eine Absichtserklärung allein kauft keine Panzer und stellt kein Personal ein. Die NATO-Staaten müssen ihrer heutigen Ankündigung auch Taten folgen lassen. In einigen Staaten – wie beispielsweise Italien – könnte das zum Problem werden. Dort hat man bereits jetzt Probleme, das bisherige Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen. Zwar ist die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni eine Verfechterin der NATO-Ziele – doch anders sieht es in weiten Teilen der italienischen Bevölkerung aus.
Auch Frankreich könnte bei chronisch klammen Kassen Probleme mit der Umsetzung des deutlich höheren Militärbudgets von fünf Prozent des BIP bekommen. Grundsätzlich stehen die Franzosen allerdings hinter der Erhöhung auf fünf Prozent, da das Land seit Langem Investitionen in die europäische Rüstungsindustrie fordert, um Abhängigkeiten aus den USA zu minimieren.
Dann gibt es mit den baltischen und osteuropäischen Staaten auch Musterschüler in Sachen Verteidigungshaushalt, an denen sich andere ein Vorbild nehmen können.
NATO-Generalsekretär Rutte – Trumpflüsterer oder Bückling?
In der Sache ging es beim NATO-Gipfel um die Selbstverpflichtung der Mitgliedsstaaten, ihre jeweiligen Verteidigungsetats anzuheben. Doch überschattet wurde der Gipfel in einem unwürdigen Schmierentheater, welches darauf ausgelegt war, dem US-amerikanischen Präsidenten mindestens „zu gefallen“.
Das zeigte sich bereits in der Planung, bei der wichtige Themen – beispielsweise Kritik an den USA für deren Umgang mit Kanada und Dänemark – nicht auf die Tagesordnung kamen. Auch die kurze Zeit für das Arbeitsmeeting von nur zweieinhalb Stunden soll aufgrund von Donald J. Trump angesetzt worden sein.
„Niemand anderes hätte so etwas machen können“ und „wahrhaft außergewöhnlich“ nannte Rutte die US-Schläge auf Nuklearanlagen des Iran vom Wochenende. Diese Worte wählte er in einer SMS an Trump, die nur die Spitze eines Eisbergs an Schmeicheleien waren, die vor und während des NATO-Gipfels in Richtung des US-Präsidenten abgegeben wurden. Weiter hieß es mit Blick auf Trumps Teilnahme am Gipfel: „Du wirst etwas erreichen, das KEIN amerikanischer Präsident in Jahrzehnten erreicht hat.“ Trump hatte die SMS auf seinem eigenen sozialen Netzwerk veröffentlicht.
In den Niederlanden legte Rutte dann nach. Beim gemeinsamen Pressetermin mit Donald Trump lobte er Trump mit Worten, für die „euphorisch“ noch zu milde klingen mag. „Das Gute ist“, so Rutte, „dass du die nukleare Schlagkraft des Iran ausgeschaltet hast. Das war entscheidend. Du hast dies auf eine äußerst beeindruckende Art und Weise getan, die dem Rest der Welt zugleich ein deutliches Zeichen dafür ist, dass dieser Präsident zwar ein Mann des Friedens ist, aber wenn es darauf ankommt, auch bereit ist, seine Stärke einzusetzen, die enorme Stärke des amerikanischen Militärs.“
Mehrfach betonte Rutte auch, das es sich beim heute beschlossenen Fünf-Prozent-Ziel der NATO um eine erfüllte Forderung Trumps handele. Der wiederum dürfte von diesen Worten geschmeichelt sein, auch wenn er sich das nicht direkt anmerken ließ. Wichtig für Rutte dürfte nur das Ergebnis seiner Lobhudelei sein: Der US-Präsident bekräftigt sein Engagement für die NATO. Angesprochen auf die Beistandsverpflichtung nach Artikel 5 des NATO-Vertrags antwortete Trump: „Wir stehen voll und ganz dahinter.“
Rutte fordert Innovationsschub
Im Rahmen des NATO-Gipfels in dieser Woche fand auch das „Defence Industry Forum 2025“ statt. Hier rief Generalsekretär Rutte die NATO-Partner und deren gesamte Verteidigungsindustrie dazu auf, „gemeinsam, innovativ und entschlossen“ zu handeln. Rutte betonte, dass schnelle Entscheidungen und koordinierte Anstrengungen notwendig seien, um die Allianz technologisch und industriell widerstandsfähig zu halten. Das gelte seiner Meinung nach insbesondere für die Bereiche künstliche Intelligenz, Hyperschalltechnologien, digitale Vernetzung und Cybersicherheit.
Rutte hob zudem die Bedeutung stabiler und nachhaltiger Lieferketten für Verteidigungsprojekte hervor. Er versicherte, dass die NATO bestrebt ist, administrative Hürden abzubauen, Innovationszyklen zu beschleunigen und die enge Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten sowie der Industrie zu intensivieren. Dies soll gewährleisten, dass neue Technologien schnell und effektiv in operative Fähigkeiten umgesetzt werden. Das Industry Forum findet jedes Jahr begleitend zum NATO-Gipfel statt.
NATO-Gipfel in Den Haag geht weiter
Das wichtigste Treffen in Den Haag ist mit der Vereinbarung auf das neue fünf Prozent Ziel erfolgreich über die Bühne gegangen. „Das ist Tag Eins“, sagte Rutte im Anschluss. „Wir gehen jetzt von der Einigung darüber, was wir brauchen, dazu über, die Ärmel hochzukrempeln und diesen neuen Plan in die Tat umzusetzen.“
Für den Rest des Tages wird es zahlreiche weitere Meetings auf bilateraler Ebene geben – auch mit Partnerstaaten der NATO wie Japan und Australien.
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