LogistikRüstung

Zentrum Kraftfahrwesen der Bundeswehr

Die Bundeswehr hat den Anspruch, den Soldatinnen und Soldaten gute Ausrüstung zur Verfügung zu stellen, die diesen eine bestmögliche und sichere Aufgabenerfüllung ermöglicht. Dabei sind technische Innovationen in einem heutigen Gefechtsumfeld entscheidend, um die erforderliche Quantität mit der höchst möglichen Qualität hinterlegen zu können.

Geländeumfeld leicht und schwer.
Foto: Bundeswehr/ZKfWBw

Die deutlich zunehmenden Anforderungen an Schutz, Kampfkraft und Agilität sowie fehlende personelle Ressourcen machen es erforderlich, Innovationen voranzutreiben und auch in militärischen Landfahrzeugen zu nutzen. Dies stellt neue Anforderung an die Zulassung von Landfahrzeugen. Um sich zeitgerecht für die Zukunft aufzustellen, wurde im Zentrum Kraftfahrwesen der Bundeswehr die Projektgruppe „Kompetenzzentrum Systemsicherheit“ (Arbeitsbegriff) eingerichtet. Für das in der Planung befindliche „Kompetenzzentrum Systemsicherheit“ ergeben sich vielfältige Aufgaben und Herausforderungen.

Hier nur einige ausgewählte Stichworte:

  • Kamera-Monitor-Systeme zur Erhaltung oder Verbesserung der Sicht für einen Kraftfahrer
  • Sichtergänzungsmittel (z.B. Nachtsicht, Fusion unterschiedlicher Sichtmitteltechniken usw.)
  • Teilautomatisierungen von Fahrfunktionen
  • Vollautomatisierung von Fahrfunktionen
  • Vernetzung in der Kommunikation und Kampfführung

Alle diese Herausforderungen gilt es so umzusetzen, dass der Betrieb des Fahrzeugs weiterhin sicher für die Insassen, aber viel wichtiger für das Umfeld (ausgenommen des Gegners), sicher gestaltet werden kann. Das Instrument hierfür ist die Betriebserlaubnis/Zulassung, die der Leiter militärisches Kraftfahr­wesen für die Bundeswehr erteilt.

Diese beinhaltet in der Regel für Gefechtsfahrzeuge vielfältige Ausnahmen, welche sich aufgrund der Bauform, des Gefechtszwecks oder des militärspezifischen Einsatzes ergeben. Häufig betrifft es Ausnahmen bei Breite, Höhe oder Gewicht, welche in der Regel den gesetzlichen Rahmen übersteigen. Trotzdem müssen diese Ausnahmen immer eines erfüllen: die Gefährdung aller Beteiligten ist auf ein vertretbares Minimum zu begrenzen.

Die bisherigen Herausforderungen zur Erteilung einer Betriebserlaubnis/Zulassung lassen sich grundsätzlich in zwei Bereiche gliedern. Erstens die mechanische/elektrische Ausgestaltung der Fahrzeugtechnologie und zweitens, die Qualifikation des Bedieners. Mit der Einführung von technischen Systemen zur Umwelterkennung, eigenständiger Steuerungsunterstützung und Steuerung, sind dementsprechend neue Betrachtungen zur Verifikation der Funktion und der Vergleichbarkeit zur bisherigen Sicherheit anzustellen. Software und Elektronik übernimmt Aufgaben, die bisher durch den Bediener wahrgenommen wurden. Aber reagiert die Technik in unterschiedlichen Situationen wie erwartet? Ermöglicht die Technik dem Bediener, das Fahrzeug sicher zu führen und den militärischen Auftrag zu erfüllen?

Einflussgrößen auf die Erteilung einer Betriebserlaubnis.
Grafik: Bundeswehr/ZKfWBw

Welche Herausforderungen stellen sich im Allgemeinen und Speziellen?

In nachfolgender Grafik sind einige Schlagwörter gesammelt, die einen Eindruck vermitteln welche unterschiedlichen Anforderungen und Fragestellungen Einfluss nehmen und in ihren Ergebnissen Relevanz haben können: Dazu einige Beispiele – die schon heute relevant sind und den Einstieg in die Nutzung neuer relevanter Technologien darstellen.

Sichtsysteme

Wenn über Sichtsysteme gesprochen wird, sprechen wir in der Regel über Kameras, die das menschliche Auge und dessen Erfassung nachahmen. In Ergänzung werden Erfassungssysteme auf Basis von Radar, Light Detection And Ranging (LiDAR) oder Ultraschall/Infrarot und Restlichtverstärkung eingebunden. Dies sind Mittel, die in einem zivilen Umfeld mit intakter Infrastruktur funktionieren. Allerdings geraten alle diese Systeme in militärischen Umfeldern ohne oder mit zerstörter Infrastruktur, mit eingeschränkten Sensornutzungsmöglichkeiten (keine Sichtbarkeit angestrebt) schnell an ihre Grenzen. Dennoch müssen die Fahrzeuge weiterhin sicher führbar sein. Der Schutz ziviler Personen oder das sichere Erkennen des geeigneten Fahrweges sind neben anderen Aspekten vonbesonderer Bedeutung.

Nacht und schlechte Sicht.
Kolonnenfahrt im semiurbanen Gelände.
Fotos: Bundeswehr/ZKfWBw

Beispiel: Fahren im Konvoi (Platooning)

Ziel ist es, durch eine elektronische Deichsel Fahrzeuge aneinander zu koppeln, um die Zahl der Kraftfahrbesatzungen zu minimieren. Hier besteht die Herausforderung darin, dass jedes Fahrzeug in der Lage sein muss, eigenständig bewegliche Hindernisse zu erkennen, eine geeignete Fahrstrategie zu entwickeln und umzusetzen, ohne die Funktionalität des „Folgens“ aufzugeben.

Was ist seitens des Zentrums für Kraftfahrwesen der Bundeswehr (ZKfWBw) zu tun? Es ist ein Nachweis zu führen, dass diese Fahrzeuge, unter allen denkbaren Bedingungen, die Anforderungen an sicheres Fahren erfüllen. Hiermit entsteht die Grundlage für die Erteilung einer Betriebserlaubnis. Diese kann, je nach Erkenntnissen, umfangreiche Auflagen oder Betriebseinschränkungen in Ort oder Umfeld enthalten. All dies erfolgt unter Nutzung von Simulationen, die in ausgewählten Feldversuchen verifi­ziert werden.

Dazu sind geeignete Fahrszenare in realer Umgebungsgestaltung aufzubauen und die Fahrzeuge in diesen Situationen, unter den entscheidenden Geschwindigkeiten, Umgebungs- und Nutzungsbedingungen, zu erproben. Kolonnenfahrten haben besondere Anforderungen und stehen bei Überlegungen zur Personaleinsparung durch automatisierte Folgefahrten im Fokus.

In engen und häufig unübersichtlichen urbanen Räumen ergeben sich vielfältige Interaktionen mit Personen und Fahrzeugen. Diese stellen aufgrund der baulichen Gegebenheiten der Bundeswehrfahrzeuge den hohen Anspruch an den Fahrer, die Übersicht zu behalten und die Gefahren für alle auf das Minimum zu begrenzen.

Geländefahrten mit Staub, Schlamm und Geröll und die damit verbundene korrekte Einschätzung des Fahrweges, in Bezug auf die Möglichkeiten des Fahrzeugs stellen eine ganz besondere Anforderung an Sichtsysteme dar. Fahrten mit und ohne Sichtmittel, bei Dunkelheit und im Tarnmodus stellen weitere hohe Anforderungen an die Systeme. Restlichtverstärker, Infrarot in der Fernsicht und gleichzeitiges Überwachen der Fahrfunktionen im Nahsichtfeld sind weitere neue Anforderungen an die Fahrzeuge und die Sichtsysteme.

Neben den allgemeinen nationalen und internationalen Zeichen und Symbolen im Straßenverkehr sind auch nationale militärische und NATO-Symbolisierungen Teil des Portfolios, die Sichtsysteme oder autonome Systeme sicher und zu­verlässig erkennen müssen.

Fazit

Die immer komplexeren Vernetzungen von Funktionalitäten, Unterstützen der Systeme oder teilautonomer Systeme bergen die Herausforderung, die innere und äußere Gefährdungsminimierung im Sinne einer Risikoabschätzung durchzuführen.

Was sind wir, was ist die Gesellschaft, was ist die Politik bereit, als Risiko zu tragen. Eine abschließende Antwort dazu wird es nicht geben, da diese Fragen immer in einen Kontext zu stellen sind. Um diese Fragen, je nach Kontext, beantworten zu können, sind umfassende Betrachtungen zu den oben bereits dargestellten Aspekten anzustellen und in der dargestellten Kombination von Simulation, Fahrerprobung im nicht öffentlichen Bereich, Fahrerprobung im öffentlichen Bereich und die stetige Überwachung des sich im Betrieb befindlichen Fahrzeugs notwendig. Eine Herausforderung, die sich in einem stetigen Wettstreit mit Entwicklung und Innovation und deren Implementierung in den Alltag abspielt.

Die Zukunft ist spannend. Wir stellen uns dieser nicht entgegen, sondern begleiten sie mit Freude.

 

Oberstleutnant Jörn Klar, Projektleiter Systemsicherheit

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