Radschützenpanzer: Bemannter versus unbemannter Turm

Noch in diesem Jahr sollen 150 Radschützenpanzer für die Bundeswehr unter Vertrag gehen, um den Aufbau der Mittleren Kräfte zu ermöglichen. Schließlich vollzieht das Deutsche Heer als eine der Lehren aus dem Ukraine-Krieg den Wechsel hin zu beweglicheren, radbasierten Mittleren Kräften, deren Kern das geschützte 8×8 Radfahrzeug Boxer mit unterschiedlichen Missionsmodulen ist. Angeboten werden für den Radschützenpanzer ein bemannter und ein unbemannter Turm.

Der Boxer mit Puma-Turm, auch PuBo oder RCT30 genannt, ist einer der Kandidaten für den neuen Radschützenpanzer der Bundeswehr.
Der Boxer mit Puma-Turm, auch PuBo oder RCT30 genannt, ist einer der Kandidaten für den neuen Radschützenpanzer der Bundeswehr.
Foto: KNDS Deutschland

Eine Lösung für die neuen Radschützenpanzer könnte der LaBo sein (wir berichteten), zudem wurde nach Informationen von cpm Defence Network auch KNDS Deutschland (ehemals KMW) zur Abgabe eines Angebots aufgefordert. Bei deren System handelt es sich um das Boxer Fahrmodul mit dem unbemannten Puma-Turm (PuBo). Damit wiederholt sich für die Mittleren Kräfte in Deutschland ein Wettbewerb, der weltweit bereits bei vielen Schützenpanzerprojekten eine wichtige Rolle spielte: Unbemannter (PuBo) gegen bemannter (LaBo) Turm.

Fähigkeiten des Puma-Turms auf Boxer-Fahrmodul

Der Turm des Schützenpanzers Pumas setzte bei seiner Einführung mit den Vorserienmodellen im Jahr 2010 Maßstäbe. Es war der erste 30mm-Panzerturm, der vollstabilisiert aus der Fahrt auf fahrende Ziele bei Tag und bei Nacht schießen konnte. Die Fernbedienbarkeit des unbemannten Turms war zudem ein erster Schritt in Richtung Remote Control.

Diese Eigenschaften würde durch den Puma-Turm auch auf den Puma-Boxer, auch RCT30 genannt, übertragen. Der PuBo ist statisch wie dynamisch gleichermaßen präzise in der Bekämpfung von Zielen. Andererseits nutzt der LaBo ebenfalls dieselbe Hauptwaffe wie der PuBo, wodurch die Vorteile der Hauptwaffe MK30 für beide Türme gelten.

Im PuBo sitzen der Kommandant und der Richtschütze gemeinsam mit den Bedienelementen neben bzw. unter dem Turm. Das BAAINBw fordert zudem eine Transportkapazität von sechs Infanteristen, welche auch der PuBo erfüllen kann.

Als der große Nachteil des unbemannten Turms gilt die Notwendigkeit, dass er von außen nachgeladen werden muss, während der bemannte Lance-Turm von innen nachladbar ist, wodurch sich etwa Munitionswechsel zu beispielsweise Nebel direkt realisieren lassen.

Der PuBo kann im Turm bis zu 200 Schuss Munition für die Hauptwaffe mitführen. Allerdings soll die 30mm-Maschinenkanone des Puma-Turms in der Lage sein, in der Einstellung für schnelles Serienfeuer bis zu 200 Schuss pro Minute abzugeben. Nach einer Minute müsste demnach ein Soldat den Schutz des PuBo verlassen, um von außen nachzuladen. Andererseits galten bei Großwaffensystemen in der Bundeswehr bereits 100 Schuss pro Tag als hochintensiver Einsatz, doch auch dies verschiebt sich durch die Erfahrungen aus dem Ukraine-Krieg, wo eine sehr viel höhere Anzahl an Munition pro Tag verschossen wird, als früheren deutschen Planungen zugrunde lag.

Es gilt allerdings in diesem Fall zu bedenken, dass der Radschützenpanzer eigentlich das Transportfahrzeug für die Infanteristen ist, während die Waffenwirkung vom Schweren Waffenträger Infanterie übernommen wird. Beide sind gemeinsam und in Verbindung zu betrachten.

Grundlagenentscheidung beim Radschützenpanzer

Für den PuBo als neuer Radschützenpanzer sprach bisher, dass der Puma-Turm bereits in der Bundeswehr eingeführt ist. Alle Punkte wie Abbildung in der auch simulierten Ausbildung, Wartung, Ersatzteile usw. sprachen für die Einführung nur eines 30mm-Panzerturms im Deutschen Heer. Dieses Argument wird jedoch durch den Vertrag für die 123 Boxer mit Lance-Turm als Schwerer Waffenträger Infanterie obsolet.

In der Erprobung durch den Hersteller war der PuBo ebenso präzise wie der Schützenpanzer Puma.
In der Erprobung durch den Hersteller war der PuBo ebenso präzise wie der Schützenpanzer Puma.

Das BAAINBw muss also in Abstimmung mit dem Deutschen Heer die Frage beantworten: Ist ein bemannter oder ein unbemannter Turm für den Radschützenpanzer der Mittleren Kräfte gewünscht? Da Waffensysteme eine überaus lange Stehzeit in der Bundeswehr haben können, die Entwicklung der Marder begann 1959 und sie fahren immer noch, muss diese Grundsatzentscheidung auch zukunftstauglich sein. Die Frage LaBo gegen PuBo sollte somit nicht einer Industriepolitik oder finanziellen Kriterien folgen, sondern tatsächlich technologisch und vor allem militärisch entschieden werden.

Entscheidung für die Mittleren Kräfte

Nach dem Vertrag zum Schweren Waffenträger Infanterie macht auch die Beschaffung der 150 Radschützenpanzer die tatsächliche Umstrukturierung des Deutschen Heeres deutlich. Bereits vor der jüngst durch Verteidigungsminister Boris Pistorius verkündeten Bundeswehrreform hatte der Inspekteur Heer, Generalleutnant Alfons Mais, die Grundlagen für die Zukunftsfähigkeit seiner Teilstreitkraft gelegt – in Zusammenarbeit mit dem BAAINBw.

Früh setzte das Kommando Heer die Weichen, um die wichtigste Lehre aus dem Ukraine-Krieg umsetzen: Geschwindigkeit ist der neue Schutz. Darauf aufbauend folgte die Entscheidung, nicht nur die kettenbasierten Schützenpanzer Marder durch Boxer zu ersetzen, sondern – wie cpm Defence Network aus üblicherweise gut unterrichteten Kreisen erfahren konnte – auch einen Teil der ursprünglich angedachten Schützenpanzer Puma. Für diesen Wechsel hin zu den Mittleren Kräften entscheidend ist der Boxer mit den enormen Fähigkeiten seines Fahrmoduls sowie der großen Flexibilität bei den Missionsmodulen. Das OCCAR-Programm Boxer ist ein europäisches Erfolgsmodell, Synergien lassen sich nicht nur in der Bundeswehr, sondern auch mit anderen Nationen schaffen.

Der Vertrag zu den 150 Radschützenpanzern soll n diesem Jahr unterzeichnet werden, die Entscheidung zum Modell wird sich also nicht – wie noch vor der Zeitenwende – über Jahre ziehen. Es weht tatsächlich ein neuer Wind in der Beschaffung, um die neue Ausrichtung des Heeres hin zu den Mittleren Kräften schnell und effizient zu unterstützen. Es bleibt nur zu hoffen, dass sich die Entscheidung für ein Modell tatsächlich an militärischen Anforderungen orientiert und nicht der reine Preis den Ausschlag gibt, der sich über die Lebenszeit eines Waffensystems zudem immer mehr relativiert.

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BoxerBundeswehrDeutsches HeerKMWKNDSMittlere KräftePUMARadschützenpanzer
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