Der heutige 1. Oktober 2024 markiert für die Bundeswehr einen bedeutenden Schritt in Richtung Neuausrichtung auf Landes- und Bündnisverteidigung. Dieser „systemische Stichtag“ ermöglicht es der Truppe, jenen Weg anzutreten, an dessen Ende die neue Struktur stehen soll. Die heute administrativ erfolgte Aufstellung des Operativen Führungskommandos (OpFüKdo) und des Unterstützungskommandos der Bundeswehr (UstgKdoBw) sind elementare Bestandteile dieses Prozesses.
Die veränderte Sicherheitslage in Europa erfordert eine konsequente Anpassung der Bundeswehr. „Unser gemeinsames Ziel ist es, die Bundeswehr in ihren Strukturen so umzubauen, dass sie selbst für den Ernstfall, den Verteidigungsfall, den Kriegsfall optimal aufgestellt ist“, betonte Verteidigungsminister Boris Pistorius bezüglich der anstehenden Neuausrichtung.
Anhand dieses Maßstabes orientiere sich die geplante Umstrukturierung der Bundeswehr. Der heutige Tag sei nach Angaben des Verteidigungsministeriums ein „systemischer Stichtag“, der es der Bundeswehr beispielsweise ermögliche, Stellen und Dienstposten zu schaffen und mit Personal zu befüllen. Damit ist der Startschuss für die Aufstellung der neuen Kommandos gegeben.
Am 1. April 2025 – so die Vorgabe des Ministers – soll die neue Struktur dann eingenommen sein und bisherige Strukturen, wie zum Beispiel die Streitkräftebasis, abgebaut werden. Die neuen Kommandos sollen die Reaktionsfähigkeit der Streitkräfte erhöhen und eine effiziente Führung sowohl im Inland als auch bei Auslandseinsätzen gewährleisten. Andere Bereiche der Bundeswehr werden im Kern zwar nicht verändert, jedoch anderen Teilen unterstellt.
Wesentliche Veränderungen im Überblick
- Operatives Führungskommando der Bundeswehr: Dieses neue Kommando übernimmt schrittweise die Aufgaben des bisherigen Territorialen Führungskommandos und des Einsatzführungskommandos. Ab dem 1. April 2025 soll es vollständig einsatzbereit sein und die operative Führung aus einer Hand sicherstellen.
- Unterstützungskommando der Bundeswehr: Hier werden die Streitkräftebasis und der Zentrale Sanitätsdienst zusammengeführt. Ziel ist es, Unterstützungsfunktionen für alle Truppengattungen zu bündeln und effektiver zu gestalten.
- Unterstellungswechsel für die Neuausrichtung: Das Wachbataillon beim Bundesministerium der Verteidigung wird dem Kommando Feldjäger unterstellt, behält jedoch seinen Kernauftrag bei. Es bleibt das repräsentative Aushängeschild der Bundeswehr und schützt im Ernstfall wichtige Einrichtungen der Bundesregierung. Außerdem wird der Heimatschutz dem Kommando Heer und das bundeswehreigene Luftfahrtamt der Luftwaffe untergeordnet. Das Planungsamt der Bundeswehr wird hingegen in das Unterstützungskommando eingegliedert.
- Neuordnung weiterer Einheiten: Das Multinationale Kommando Operative Führung und der deutsche Anteil des Joint Support and Enabling Command der NATO werden zunächst dem Kommando Streitkräftebasis unterstellt und gehen dann im Unterstützungskommando auf.
- Anpassungen bei den Landeskommandos: Teile der Landeskommandos, darunter Jugendoffiziere und Familienbetreuungsorganisationen, werden dem Streitkräfteamt zugeordnet. Die Landeskommandos selbst unterstehen zukünftig dem Operativen Führungskommando.
Hintergrund der Neuausrichtung
Die Fokussierung auf die Landes- und Bündnisverteidigung erfordert eine effizientere Struktur und eine Reduzierung von Verwaltungsaufgaben. Durch die Straffung der Führungsebenen und die Bündelung von Kompetenzen soll die Einsatzbereitschaft erhöht und die Truppe entlastet werden. Der heutige Tag bildet den symbolischen Beginn eben jenes Prozesses.
Mit der Neuausrichtung stellt die Bundeswehr nach eigenen Angaben die Weichen für eine zukunftsfähige Verteidigungsstrategie. Die Anpassungen sind notwendig, um den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen gerecht zu werden und die Sicherheit Deutschlands sowie seiner Bündnispartner zu gewährleisten. Ein Stück weit bedeutet die neue Struktur auch eine Umkehr des Wandels zu einer Einsatzarmee, wie er in den frühen 2000er-Jahren unternommen wurde – wenngleich die Bundeswehr weiterhin für Auslandseinsätze gerüstet sein will.
Kritische Betrachtung der neuen Struktur der Bundeswehr
Auch wenn dem zentralen Ziel der Erreichung der – je nach Vorliebe – Verteidigungsfähigkeit respektive Kriegstüchtigkeit der deutschen Bundeswehr wenig widersprochen wird, gab und gibt es Kritik bezüglich der Umsetzung der Neuausrichtung.
Ein zentraler Kritikpunkt der Neuausrichtung ist die Zusammenlegung der Streitkräftebasis und des Zentralen Sanitätsdienstes. Einige Experten befürchten, dass durch diese Zentralisierung die Eigenständigkeit und Effektivität des Sanitätsdienstes beeinträchtigt wird. Es wird bemängelt, dass der neue Chief Medical Officer nicht den gleichen Handlungsspielraum wie ein eigenständiger Inspekteur haben wird. Diese Bedenken werden insbesondere im Hinblick auf die medizinische Versorgung im Verteidigungsfall geäußert.
Auch die Einführung des Cyber- und Informationsraums (CIR) als neue eigenständige Teilstreitkraft stößt auf Skepsis. Kritiker argumentieren, dass die Vermischung von Cyber- und Informationsoperationen in einer einzigen Organisation nicht sinnvoll sei, da es sich um zwei sehr unterschiedliche Aufgabenbereiche handelt. Zudem gibt es Stimmen, die der Meinung sind, dass einige Elemente von CIR – wie die elektronische Kampfführung (EloKa) – besser im Unterstützungsbereich oder im Heer angesiedelt wären.
Auch wird an der Neuausrichtung kritisiert, dass Heimatschutz und Feldjäger jetzt unterschiedlichen Kommandos unterstellt werden, was mehr Verwirrung stiften könnte, als Klarheit schafft, da beide Bereiche im Verteidigungsfall eng zusammenarbeiten müssen. Die genannten Punkte zeigen, dass die Reformen noch zahlreiche ungelöste Probleme und potenzielle Schwachstellen aufweisen. Ob sie rechtzeitig bis zum 1. April gelöst werden können, ist wünschenswert – aber fraglich.
Immerhin zeigte sich das Ministerium bei der bisherigen Umsetzung der Neuausrichtung durchaus kritikfähig. Noch im Eckpunktepapier der Umstrukturierung war vorgesehen, taktische Sanitätskräfte auf die Teilstreitkräfte aufzuteilen. Das wurde im Sinne der Idee eines Fähigkeitskommandos verworfen. Der Organisationsbereich geht demnach als neues und großes Kommando ohne Ressourcen- oder Fähigkeitsverlust in den Unterstützungsbereich. Die Sanität verliert zwar formal den Posten eines Inspekteurs, erhält dafür aber einen Chief Medical Officer direkt im BMVg.
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