Das Planungsamt hat seine Effizienz und Innovationskraft gesteigert, indem es ein Netzwerk aus internen und externen Akteuren aufgebaut hat, um zukunftsweisende Technologien schnell zu testen und in die Truppe zu integrieren. Schwerpunkte sind die Stärkung der Fähigkeiten für Multi-Domain Operations (MDO), die Digitalisierung durch das „Enterprise Architecture Management“ (EAM) sowie die Modernisierung der Führungs- und Einsatzbereitschaftsstrukturen. Trotz des 100-Milliarden-Euro-Sondervermögens steht die Bundeswehr vor der Herausforderung, die verfügbaren Ressourcen gezielt zu priorisieren, um die Einsatzfähigkeit langfristig zu sichern. Wie das gelingen kann, besprach Generalmajor Wolfgang Gäbelein, Amtschef Planungsamt der Bundeswehr, mit dem Chefredakteur des cpmFORUMS, Rainer Krug im Interview.
Herr General, die Bundeswehr befindet sich im dritten Jahr der sogenannten Zeitenwende. Was hat sich für Ihr Amt in den letzten beiden Jahren geändert und wo liegen die aktuellen Schwerpunkte Ihrer Arbeit?
Wir sind schneller und effektiver geworden. Das entspricht genau dem Auftrag, den wir von Herrn Staatssekretär Zimmer im April 2023 bekommen haben. Und wir haben als Serviceleister für die Bundeswehr an Bedeutung gewonnen, auch jenseits der Planung im engeren Sinn. Unverändert gilt: Als Teil der militärischen Entscheidungsfindung in einer sehr komplexen und sich ständig verändernden Welt steht der Schutz Deutschlands und unserer Bündnispartner, aber natürlich auch unserer Soldatinnen und Soldaten, an erster Stelle.
Unsere Streitkräfte können dabei nur bestehen, wenn wir technologisch Schritt halten. Oder besser noch: wenn es uns gelingt, einen Schritt voraus zu sein. Daher haben wir im Planungsamt der Bundeswehr (PlgABw) dem Thema Innovationsmanagement höhere Bedeutung verliehen.
Wir sind aktiver Bestandteil eines umfangreichen Innovationsökosystems, eines Netzwerks, das aus internen und externen Akteuren besteht. Unser Ziel ist es, aus der Bundeswehr, aus der Forschung, aus der Industrie, aber auch von Verbündeten und Partnern innovative Ideen aufzunehmen und diese zügig für die Bundeswehr nutzbar zu machen. Dazu haben wir unter anderem die Möglichkeit geschaffen, Ideen als Innovationsvorhaben schnell und unbürokratisch in und mit der Truppe zu testen. Mehrere Testungen mit marktverfügbaren Produkten finden noch in diesem Jahr statt. Das ist ein ganz konkreter Schritt, die Zeitenwende umzusetzen und auf eine kriegstüchtige Bundeswehr hinzuarbeiten.
Auch weiterhin bilden die Themen der Zukunftsentwicklung sowie die strategischen Vorgaben aus den entsprechenden Dokumenten des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) den Kernpunkt und die Grundlage künftiger Beschaffungsvorhaben. Hierbei gilt es, die Vorgaben für die Gesamtkonzeption aus den Verteidigungspolitischen Richtlinien in Verbindung mit der Konkretisierung der im Fähig keitsprofil der Bundeswehr (FPBw) enthaltenen Grundlagen in nachhaltige, weitere Maßnahmen umzusetzen. Als Mittler zwischen dem BMVg und den Organisationsbereichen ist das Planungsamt dabei wesentlich beteiligt.
Wesentliches Thema der letzten 15 Monate war die konzeptionelle Erschließung von Multi-Domain Operations (MDO) und der Weg, die Bundeswehr dafür zu befähigen. Dieses Thema wird die Arbeit der nächsten Jahre maßgeblich bestimmen. Das Kriegsbild der Zukunft fordert die umfassende und tiefgehende Transformation unserer Streitkräfte. Es geht um Informations-, Führungs- und Wirkungsüberlegenheit. Über Dimensionsgrenzen (Cyber- und Informationsraum, Land, Luft, See und Weltraum) hinweg reichende Effektorientierung und eine weitreichende Vernetzung von Sensoren, Führung und Effektoren sind dabei
Schlüsselelemente. Die Operationsführung wird stärker als in der Vergangenheit durch Flexibilisierung und temporäre Verlagerung von Kompetenzen auf niedrigere Ebenen gekennzeichnet sein. Unsere Führungsphilosophie „Führen mit Auftrag“ trägt dem Rechnung. Wir müssen uns auf deren Kern besinnen und sie zielgerichtet weiterentwickeln.
Wir müssen technische Aspekte (Vernetzung, Datenmanagement, Künstliche Intelligenz etc.) genauso beachten, wie die Anpassung unserer Strukturen, Verfahren und Prozesse. Ein Leuchtturmprojekt, bei dem all das deutlich wird, ist das so genannte „Enterprise Architecture Management“, kurz „EAM“. Hier geht es darum, mit Modellen Transparenz zu schaffen, bestehende Bausteine zusammenzuführen und eine tragfähige Gesamtarchitektur zu entwickeln. Dieser
„Bauplan“ unterstützt die Anstrengungen zur Digitalisierung und sie bietet auch Andockpunkte für unsere Partnernationen und Akteure jenseits der Bundeswehr.
EAM und MDO sind daher Themen, die mir besonders wichtig sind und die ich entsprechend forciert habe. Weiterhin können die Angehörigen des PlgABw aber auch stolz darauf sein, an vielen weiteren hoch visiblen Projekten an zentraler Stelle mitgewirkt zu haben, wie z. B. mit der operationellen Architektur für die Führungsfähigkeit, der Vorbereitung für die Brigade in Litauen und der Task Force Drohnen.
Die Diskussionen der letzten Monate prägte das Wort des Erreichens der Kriegstüchtigkeit. In den Zielvorstellungen der Inspekteure sind die Forderungen der Inspekteure abgebildet, um kriegstüchtig zu werden. Daneben gibt es die verfügbaren Investitionsmittel. Wie managen Sie die trotz des 100 Mrd. Euro Sondervermögens vorhandene Differenz zwischen Wunsch und Wirklichkeit?
Kriegstüchtigkeit kann man entlang der beiden Begriffe „Einsatzfähigkeit“ und „Einsatzbereitschaft“ operationalisieren. Einsatzfähigkeit beschreibt das Vermögen, mit den personellen, materiellen, infrastrukturellen, aufbau- und ablauforganisatorischen sowie betrieblichen Gegebenheiten, einschließlich Leistungen Dritter, einen Auftrag erfüllen zu können. Einsatzbereitschaft ist der bewertete aktuelle Ist-Zustand der verfügbaren personellen und materiellen Ausstattung, der vorhandenen Infrastruktur und der gebilligten aufbau- und ablauforganisatorischen Strukturen zur Erfüllung konkreter, zugewiesener Aufgaben/Aufträge. Einsatzbereitschaft setzt das Vorhandensein von Einsatzfähigkeit voraus.
Einsatzfähigkeit benötigt die dazu notwendigen Ressourcen – deren Bereitstellung ist Aufgabe der Planungsorganisation der Bundeswehr. Diese steht damit in der Verantwortung, die Einsatzfähigkeit herzustellen und zu erhalten und wo notwendig zu verbessern. Die Zielvorstellungen der Inspekteure sind dabei die Forderungen aus operativer Sicht, die es gilt, im Integrierten Planungsprozess mit den notwendigen Ressourcen zu hinterlegen, auch wenn sich nicht alle notwendigen Maßnahmen gleichzeitig umsetzen lassen. Priorisieren hat heute ebenso wie morgen eine herausragende Bedeutung. In der Summe geht es um das Beplanen aller Planungskategorien (Material, Personal, Infrastruktur, Betrieb und Organisation). Mit Blick auf die o.a. Definition wird deutlich, dass Kriegstüchtigkeit primär durch eine effiziente Planung erreicht wird.
Die Zeitenwende bedeutet hinsichtlich der Beschaffung von Rüstungsmaterial, dass den Teilstreitkräften und den zugehörigen Unterstützungskräften möglichst bald das aus operativen Forderungen abgeleitete Material zur Verfügung steht.
Die Entscheidung des Bundestages, ein Sondervermögen (SVermBw) für die Bundeswehr zur Verfügung zu stellen, ist ein wesentlicher „Boost“, um die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr substantiell zu verbessern. Hier war in erster Linie die Abteilung Planung im BMVg gefordert.
Im Kern besteht die Herausforderung, die in den Zielvorstellungen der Teilstreitkräfte formulierten Bedarfe zu einem kohärenten Fähigkeitsprofil der Bundeswehr zu verbinden und einen übergreifenden „Ertüchtigungsplan“ über der Zeitachse zu gestalten. Wesentliche Entscheidungen dazu fallen im strategischen Fähigkeitscontrolling auf der Grundlage der durch das PlgABw bereitgestellten Daten. Zusätzlich gilt es aber für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auch die kleinen Projekte jenseits der „Leuchttürme“ im Auge zu behalten, denn erst diese gestatten den Verbund zur vollen Wirkung zu bringen.
Aus dem Sondervermögen der Bundeswehr wird in großen Teilen Material beschafft, was sofort und dringend benötigt wird und schnell beschaffbar ist. Dies steht im Fokus des politisch-parlamentarischen Raums, hierzu kann man fast tagtäglich auch in den Medien etwas finden. Eine weitere anspruchsvolle planerische Leistung besteht aktuell darin, diese dringenden Bedarfe mit denen für die Sicherheit Deutschlands zukünftig wichtigen Bedarfe zu harmonisieren und bereits beim o. a. mittelfristigen „Ertüchtigungsplan“ auf der Zeitachse einzuplanen. Diese in die Zukunft gerichteten Bedarfe ergeben sich aus den Analysen der aktuellen Konflikte und den Arbeiten der Zukunftsanalyse und des Innovationsmanagements. Die beiden inhärenten Leitfragen sind dabei: „Wie müssen wir zukünftig kämpfen (können)“ und, leider meist nicht in der Öffentlichkeit beachtet: „Wie wollen wir in der Zukunft kämpfen?“.
In mehreren Stellungnahmen haben Bundesverteidigungsminister Pistorius und Generalinspekteur Breuer auf die „verfügbaren fünf bis acht Jahre“ hingewiesen, die für die Ertüchtigung der Bundeswehr noch zur Verfügung stehen. Was ist aus Ihrer Sicht notwendig, um dieses Zeitfenster möglichst zweckmäßig zu nutzen?
Nach drei Jahrzehnten ausgerichtet auf Internationales Krisenmanagement steht die Bundeswehr zweifellos vor einer ihrer größten Herausforderungen. Die anhaltende Bedrohung durch Russland, die politischen Vorgaben (u. a. in Form der verfügbaren Haushaltsmittel) sowie die zusätzlichen Belastungen durch die Abgabe von Großgerät und Munition an die Ukraine erfordern besondere Anstrengungen. Um diese Aufgabe zu bewältigen, bedarf es einer Vielzahl von abgestimmten Maßnahmen, die nur gemeinsam zu bewerkstelligen sind.
Dazu zählt die o.a. bereits angesprochene zielgerichtete Steuerung der verfügbaren Ressourcen – hier meine ich insbesondere Haushaltsmittel und Personal – mit dem Ziel, den Fokus wieder auf die Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) zu legen. Dies erfordert präzise Ableitungen und ein Synchronisieren mit den Operationsplänen der NATO und der deutschen gesamtstaatlichen Verteidigung. Angesichts der Vielzahl gleichzeitiger Projekte ist eine Priorisierung unerlässlich. Beispielsweise ermöglichen Bedarfe, abgeleitet aus Instrumenten wie dem NATO Force Model und der Operationellen Architektur der Bundeswehr, eine gemeinsame Priorisierung. Nur so wird die Bundeswehr in der Lage sein, perspektivisch die NATO-Zusagen und ihren Kernauftrag – LV/BV – erfüllen zu können.
Wichtig ist mir, dass uns dies nur gelingen kann, wenn die Zeitenwende überall angekommen und der Osnabrücker Erlass verinnerlicht ist. Zeit ist der bestimmende Faktor. Das Planungsamt hat seine Prozesse deutlich gestrafft und beschleunigt. Hier sind z. B. auch die Schritte zur zügigen Einsteuerung von Innovationsprojekten zu nennen. Unbeschadet davon sind die Prozessanteile der Bedarfsdeckung durch die Ressourcenämter konsequenter als bisher von Vorgaben von außen zu entlasten.
Dazu müssen wir zum Beispiel vorgesehene Ausnahmetatbestände häufiger anwenden oder marktverfügbare Produkte vermehrt im Sinne schneller verfügbarer und auf das Gefecht ausgerichtete Fähigkeiten nutzen. Gleichwohl werden auch in Zukunft Vertragsgestaltungen, rechtliche Prüfungen, politische Beteiligungsverfahren sowie gesetzlich vorgeschriebene Fristen für Ausschreibungen und anderes eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Beschaffung „über Nacht“ kann es nicht geben, da die Bundeswehr mit den ihr zur Verfügung gestellten Mitteln verantwortungsvoll umgeht.
Neben der Stärkung grundlegender Fähigkeiten der Bundeswehr ist es darüber hinaus besonders wichtig, kontinuierlich Erkenntnisse aus dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine in die Arbeit einfließen zu lassen, insbesondere in Bezug auf Themen wie z. B. der Einsatz von Drohnen auch in Verbindung mit Künstlicher Intelligenz (KI) und Elektronischer Kampfführung. Durch diese konsequente Auswertung dieser Erfahrungen, die auf operativer Ebene zusammengeführt werden, können bestehende Fähigkeiten verbessert und frühzeitig neue Fähigkeiten identifiziert und entwickelt werden.
Wir müssen aber auch lernen, Experimente mit neuen Technologien und Erfahrungen konsequent aufzunehmen und bei Erfolg
schnell umzusetzen. Dies wird derzeit durch neue Formate schrittweise eingeführt. Für viele Projekte erfolgt zudem ein sukzessiver Fähigkeitsaufbau, wobei das Planungsamt mit diesem Ansatz darauf abzielt, erste Fähigkeiten schnellstmöglich in der Truppe wirksam werden zu lassen. Dazu wird regelmäßig in Form einer Anfangs-, Grundund Zielausstattung gedacht, um Projekte zielgerichteter und flexibler in den Haushalt einbringen zu können. Der Schlüssel für eine zügige Beschaffung wird es sein, die einzelnen Schritte bei der Planung und Beschaffung eng miteinander zu verzahnen und bis zur Vertragsgestaltung von Beginn an durchzuplanen.
Im Rahmen der Neuordnung des Beschaffungswesens wurde eine engere Einbindung und Zusammenarbeit zwischen Planer und Beschaffer festgelegt. Worin kommt diese konkret zum Ausdruck und haben Sie bereits Beispiele, bei denen sich diese Festlegung bewährt hat?
Wir haben traditionell enge Arbeitsbeziehungen mit dem BAAINBw, die sich über die Zusammenarbeit in Integrierten Projektteams hinaus in gemeinsamen Gremien und
Austauschformaten ausdrücken. Es gibt regelmäßige Jour Fixe auf Ebene der jeweiligen Amtsführungen sowie gemeinsame Arbeitsgruppen. Eine kümmert sich z. B. um die Möglichkeiten der Prozessoptimierung, während eine zweite sich u. a. mit der kapazitätsübergreifenden Steuerung von Projekten befasst.
Die Aktivitäten der Task Force Beschaffungswesen hat das Planungsamt der Bundeswehr aktiv mitgestaltet. Bei der Auswahl, Analyse und Begleitung der Pilotprojekte war es Ziel, konkrete Handlungsbedarfe zu identifizieren sowie notwendige Anpassungen von Grundlagendokumenten und Prozessschritten unter Einbindung der zuständigen Fachreferate zu initiieren.
Im Projekt „Ferngeführtes Aufklärungssystem, luftgestützt, kurze Entfernung – FALKE“ wurde beispielsweise die Begleitung mit dem Zuschlag für den Rahmenvertrag abgeschlossen. Durch die Realisierung über ein bereits laufendes Projekt konnte der Beginn der Realisierung für die Fallschirmjäger-/Gebirgsjägertruppe um mindestens drei Jahre vorgezogen werden.
Im Rahmen der Umsetzung des Beschleunigungserlasses wurden in enger Abstimmung mit dem BAAINBw über 100 Bestandsprojekte hinsichtlich ihrer Eignung für das neue Standardverfahren in Verbindung mit der schnellen Beschaffung von marktverfügbarem Gerät geprüft. Mit der Zusammenlegung der Analysephase 1 und 2 zur Analysephase gelingt es dem BAAINBw und PlgABw innerhalb von sechs Monaten bedarfs- und haushaltsbegründende Dokumente, die sogenannte „Fähigkeitslücke und Funktionale Forderung mit Lösungsvorschlag“, zu erarbeiten und zur Auswahlentscheidung erheben.
Die Aktivitäten haben sich bewährt und werden mit der Intensivierung der Arbeiten in den gemeinsamen Arbeitsgruppen fortgesetzt. Damit diese Maßnahmen effektiv greifen, müssen weitere Beschleunigungs- und Flexibilisierungsmöglichkeiten bei der Finanzplanung und Haushaltsbewirtschaftung ministeriell angewiesen werden.
Im gleichen Zusammenhang wurde die besondere Bedeutung des Fähigkeitscontrollings festgeschrieben. Welche Rolle spielt hier Ihr Amt? Können Sie uns anhand eines Beispiels das Vorgehen hierbei erläutern?
Wir sind Bedarfsträger für die Bundeswehr, d. h. wir formulieren und artikulieren den Bedarf der Bundeswehr zur Auftragserfüllung in Form von bedarfs- und haushaltsbegründenden Dokumenten und dem Planungsvorschlag als ersten Schritt für die Haushaltsaufstellung. Dabei ist es kein Geheimnis, dass eben dieser Bedarf – ungeachtet des Sondervermögens – immer noch deutlich größer ist, als die zur Verfügung gestellten Finanzmittel. Es können also regelmäßig nur Teile realisiert werden. Steuerungsmöglichkeiten ergeben sich über Quantität, Qualität oder Zeit. Dabei gestalten wir eigenständig oder liefern unseren Beitrag zur ministeriellen Entscheidung.
Um eine ausgewogene und der Lage angepasste Bedarfsdeckung sicherzustellen, gibt es im Planungsamt das Portfoliomanagement. Dieses führt übergreifend Forderungen, Finanzbedarf und Bearbeitungskapazitäten zusammen und zielt darauf, Transparenz zu schaffen und eine effiziente Steuerung hinsichtlich Planung und Beschaffung zu gewährleisten. Mit dem Fähigkeitscontrolling achten wir sowohl auf eine zielgerichtete und ausgewogene, finanzierbare Fähigkeitsentwicklung, als auch darauf, nur die Projekte an den Start zu bringen, die aufgrund der erforderlichen Bearbeitungskapazitäten realistisch umgesetzt werden können. Bei den Forderungen achten wir u. a. darauf, dass nicht alle Aspekte gleich gewichtet sind, sondern eine projektspezifische Differenzierung vorliegt.
Es kann eine Reduzierung einer operationellen Forderung erforderlich werden, um z. B. den Kostenrahmen einzuhalten. Oder es bedarf einer oder mehrerer Ausnahmegenehmigungen. Darüber hinaus geht es um den richtigen Zeitpunkt. Es ist zum Beispiel wenig sinnvoll, ein Projekt im aktuellen Zyklus aufzusetzen, wenn die in den Ämtern verantwortlichen Integrierten Planungsteams bzw. Projektleiter bereits durch bestehende bzw. im letzten Zyklus gebilligte Maßnahmen absehbar voll ausgelastet sind und weitere fachliche Expertise zur Umsetzung nicht zur Verfügung steht. Eine solche Planung würde zwangsläufig ins Leere laufen und Finanzmittel blockieren, die für umsetzbare Projekte genauso dringend gebraucht würden.
Blicken wir in die Zukunft. Zwar sind unsere Gedanken aktuell mit dem Konflikt in der Ukraine beschäftigt, dennoch muss die Bundeswehr sich mit dem Kriegsbild der Zukunft auseinandersetzen. Welche Fragestellungen stehen da für Sie im Vordergrund und welche Beiträge liefern Sie mit Ihrem Amt in diesem Bereich?
Ich verweise nochmals auf die beiden wesentlichen Fragestellungen in diesem Zusammenhang: „Wie müssen wir zukünftig kämpfen (können)“ und „Wie wollen wir in der
Zukunft kämpfen?“. Wir müssen vermeiden, uns darauf zu konzentrieren, den letzten Konflikt noch besser meistern zu wollen. Der Krieg in der Ukraine zeigt zwar in Teilen schon, wie bewaffnete Konflikte der Zukunft ablaufen könnten – aber er ist keine Blaupause für den Krieg der Zukunft. Was auf jeden Fall bemerkenswert ist, ist die Gleichzeitigkeit von modernster Technologie – wie Elektronischer Kampfführung, unbemannten Systemen, ein beinahe schon gläsernes Gefechtsfeld – und Dingen, die wir eigentlich in der „Mottenkiste der Kriegsgeschichte“ vermuteten: Stellungskämpfe in Grabensystemen wie zu Zeiten des Ersten Weltkriegs beispielsweise.
Man muss also viele altbekannte militärische Prinzipien wie Tarnen und Täuschen, individuelles Verhalten des Soldaten auf dem Gefechtsfeld und Ausbildungsstand weiter im Hinterkopf behalten, aber um moderne und innovative Technik ergänzen. Die Kriege der Zukunft werden schneller, dynamischer und vielschichtiger. Eine Antwort darauf wird, wie bereits erwähnt, die Befähigung zur Durchführung von MDO. Die technologische Entwicklung liefert Grundlagen, wir werden aber wie bereits gesagt, eine umfassende Transformation der Bundeswehr benötigen.
Herr General, wenn Sie auf die Jahre Ihres Dienstes in der Bundeswehr zurückblicken, was waren für Sie die größten Veränderungen und mit Blick in die Zukunft: Was darf die Bundeswehr aus Ihrer Sicht nicht außer Acht lassen, um eine „nachhaltige Kriegstüchtigkeit“ zu erreichen?
Wir müssen mit Bedauern feststellen, dass aufgrund der aktuellen sicherheitspolitischen Lage der Krieg als Treiber für Innovation wieder eine Rolle spielt. Schon seit einiger Zeit wurde Innovation primär in der zivilen Wirtschaft „produziert“, und das Militär war in irgendeiner Form dann Nutznießer von solchen zivil getriebenen Entwicklungen. Zumindest für die Rüstung könnte sich das in Teilen aber jetzt wieder umkehren – die Erfahrungen aus dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine werden aktuell in militärische Innovationen umgewandelt. Hier hat sich eine große Dynamik entwickelt. Diese Entwicklungen müssen wir als Bundeswehr aktiv aufnehmen und mitgestalten, sonst verlieren wir den Anschluss! Das bedeutet aus meiner Sicht, dass sich der Dialog zwischen Gesellschaft, Wirtschaft und Streitkräften weiter intensivieren muss. Das betrifft aber nicht nur die technische Seite der „Kriegstüchtigkeit“.
Wir brauchen auch eine veränderte Einstellung innerhalb der Gesellschaft und teilweise auch der Bundeswehr, um überhaupt wieder in der Kategorie „Kriegstüchtigkeit“ denken und handeln zu können. Das gilt auch für die Beschaffung. Hier ist vieles noch zu sehr auf Friedensbetrieb ausgerichtet, mit Zeitlinien, die der derzeitigen Krisensituation nur bedingt Rechnung tragen. Aus diesem Grund haben wir auch unseren Anteil an dem Beschaffungsprozess kritisch hinterfragt und hausintern Anpassungen vorgenommen.
Wir müssen als Organisation mutiger, kreativer werden und uns von der Absicherungsmentalität lösen, die sich vielerorts eingeschlichen hat. Dem würde auch eine viel stärkere Delegation von Kompetenzen aus dem BMVg in den nachgeordneten Bereich beitragen. Wir müssen uns weiterhin fragen, inwieweit wir tatsächlich das umfassende Regelwerk brauchen, das aus dem Bestreben heraus erwachsen ist, alles perfekt machen zu wollen.
Wir müssen die Gesellschaft mitnehmen, wenn es darum geht, sich für die Zukunft zu rüsten. Hier ist jeder einzelne gefragt, auch jeder Soldat und jede Soldatin, unseren Auftrag zur Landes- und Bündnisverteidigung in der Öffentlichkeit zu erklären. Wir rüsten nicht auf, wir sichern unsere Zukunft und den Frieden und die Sicherheit im Bündnis!
Herr General, herzlichen Dank für die Einblicke und Ihnen und dem Amt für die Zukunft weiterhin alles Gute.
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