Die französische Armée de Terre hat mit dem Bataillon de renseignement de réservistes spécialistes (B2RS) den bislang wohl konsequentesten Schritt Europas unternommen, offene Quellen (OSINT) fest in die militärische Führungs- und Entscheidungsarchitektur einzubetten. Das ausschließlich aus zivilen Reservistinnen und Reservisten bestehende Bataillon arbeitet unter dem Dach des Commandement des actions dans la profondeur et du renseignement (CAPR), eines seit September 2024 bestehenden „Commandement Alpha“, das Aufklärung, Cyber- und Kampfunterstützungsressourcen des Heeres bündelt.
Von der Idee zum Bataillon
Die Grundidee entstand im Sommer 2023 im damaligen Stab des künftigen CAPR; nur ein Jahr später – am 3. Juni 2024 – meldete die neu aufgestellte Kompanie in Strasbourg erste Kurzanalysen („fiches“) an den Chef des Heeres. In kaum zwölf Monaten wuchs die Einheit dort auf zweihundert Reservistinnen und Reservisten an – schneller als jede andere Spezialreserve der Armée de Terre.
Dass der Aufwuchs so rasch gelingt, liegt am Rekrutierungsmodell: Gesucht werden Studenten und Fachkräfte aus Bereichen wie Informatik, Datenanalyse, Geopolitik oder den Sprachwissenschaften. Nach einer dreitägigen militärischen Einführung folgen modulare Fachkurse zu Bild-Forensik, Geo-Verifikation oder automatisierter Textauswertung. Derzeit sind offene Stellen auf dem Reserveportal des Verteidigungsministeriums ausgeschrieben.
Struktur und Ausbaupfad
Der Grundstein in Strasbourg bildet die Kompanie Rhine. Noch 2025 soll in Paris die Kompanie Seine einsatzfähig werden; Toulouse folgt ab 2026. Alle Standorte liegen bewusst in Universitätsstädten mit starkem Digital- oder Luft- und Raumfahrtökosystem. Bis Ende 2027 sollen so 1.500 OSINT-Reservisten verfügbar sein.
Warum das Heer OSINT jetzt institutionalisiert
1. Stark wachsender Informationsbedarf
Frankreich rechnet – wie alle NATO-Staaten – mit kürzeren Entscheidungszyklen in künftigen, hochintensiven Lagen. Die Flut frei zugänglicher Daten aus Social-Media-Feeds, kommerzieller Erdbeobachtung und Netzwerkinfrastrukturen wächst exponentiell; allein die Terremag-Redaktion spricht von einem „rasenden Anstieg ministerieller Abfragen“ an das B2RS bereits im ersten Quartal 2024.
2. Analysefähigkeiten als knappste Ressource
Satelliten, Drohnen, Funkaufklärung – Sensorik besitzt das Heer in Fülle. Doch ohne qualifizierte Analysten bleibt der Nutzen begrenzt. Das B2RS schließt hier eine Lücke: Es liefert geprüfte OSINT-Produkte an das Centre du renseignement Terre (CRT), wo sie mit Signalen aus SIGINT, GEOINT und HUMINT kombiniert werden – ein echter All-Source-Ansatz (ASINT) aus einer Hand.
3. Beschleunigung der „Renseignement-Feu-Schleife“
Der CAPR-Auftrag lautet, Ziele in 30- bis 500-Kilometer-Tiefe schneller aufzuklären und noch während derselben Planungsphase bekämpfen zu können. Ohne OSINT-Frühwarnsystem, das sich aus offen zugänglichen Hinweisen auf Truppenverlegungen und Nachschubwege speist, wäre die angestrebte Verkürzung der Renseignement–Feu-Schleife (s. u.) nicht zu erreichen.
Einordnung
Mit dem B2RS macht Frankreich OSINT zu einem strukturell verankerten, personell breit aufgestellten Bestandteil seiner ASINT-Architektur. Das Modell kombiniert zivile Digitalkompetenz mit militärischer Führung und adressiert damit den entscheidenden Engpass moderner Streitkräfte: qualifizierte Analysekapazität. Ob die Zielmarke von 1.500 Reservisten bis 2027 erreichbar ist, hängt vom Wettbewerb um Fachkräfte ab – der Kurs ist jedoch klar: Ohne robuste OSINT-Fähigkeiten wird künftig keine Operationsplanung mehr auskommen.
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