„Angesichts all der Unsicherheiten – erneute Amtseinführung von Donald Trump heute Abend, Bundestagswahl und Regierungsfindung in Deutschland, Technologiesprünge in China – schaffen wir da die Kriegstüchtigkeit 2029?“, fragte heute Morgen Generalleutnant a. D. Ansgar Rieks die über 300 Anwesenden auf dem DWT-Symposium „Perspektiven der Verteidigungswirtschaft“ in Bonn. Nicht einmal ein Dutzend Hände hoben sich bei der offenen Abstimmung. Die Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit ist zwingend nötig, der fehlende Glaube an den eigenen Erfolg unter den Vertretern von Bundeswehr, Ministerialbeamten und Industrievertretern ist jedoch erschreckend.
Doch ganz so pessimistisch müsse man bei der Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit gar nicht sein. Denn eine wesentliche Erkenntnis gleich im ersten Vortrag von Ministerialdirektor Karl Henning Bald, Abteilungsleiter Haushalt im BMVg, lautete: Es geht weiter! Möglich macht das Artikel 111 im Grundgesetz, der – anders als beispielsweise in den USA – trotz vorläufigem Haushalt die Finanzierung aller bereits abgeschlossenen Verträge ermöglicht, um etwaige Investitionsruinen zu vermeiden.
Dennoch sei die Vorläufigkeit des bundesdeutschen Haushalts eine Herausforderung bei der Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit. Zwar habe das Ministerium in regelmäßigen Abständen mit dieser Unsicherheit zu kämpfen, erläuterte die stellvertretende Abteilungsleiterin Rüstung im BMVg, Ministerialdirigentin Anke Meyer, doch das sei jedes Mal machbar. Kritisch sei aktuell, dass das durch einen Koalitionspartner frühzeitig herbeigeführte Ende der Legislaturperiode einige Verträge mit enormen Zeitdruck und mit einer auf das Nötigste reduzierten Qualitätssicherung noch Ende 2024 zum Abschluss gebracht werden mussten.
Dabei sind weder im Einzelplan 14 noch im Sondervermögen alle Gelder abgerufen worden, wie CPM Defence Network heute berichtete. Daraus ergeben sich Rüstungsrücklagen aus 2024, die in fünf weiteren 25-Millionen-Euro-Vorlagen noch im aktuellen Bundestag zur Abstimmung gebracht werden können. Geplant ist für diese Maßnahme zur Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit die fünfte Kalenderwoche 2025 als letzte Möglichkeit vor der Bundestagswahl am 23. Februar, erklärte Meyer weiter.
NATO-Forderungen werden „deutlich“ steigen
Während national noch mit spürbarem Zeitdruck an der Erlangung der Kriegsfähigkeit gearbeitet wird, prüft das Ministerium bereits die neuen Fähigkeitsziele der NATO. Ministerialdirigent Eckart Meyer-Höper, stellvertretender Abteilungsleiter Planung im BMVg, skizzierte den Ablauf: Die NATO gibt Ziele vor, die auf die Staaten aufgeteilt werden; die Staaten prüfen diese und setzen um oder verhandeln mit Partnerstaaten um die Übernahme der Ziele. „Die Bedarfe, die die NATO an Deutschland hat“, prophezeit Meyer-Höper allerdings, „werden deutlich über das hinausgehen, was wir bislang gesehen haben.“
Diese Erhöhung beträfe alle Bereiche und ziele insbesondere auf eine Steigerung der „Readiness“. Demnach müssten nicht nur mehr Fähigkeiten für den eventuellen Ernstfall zur Verfügung stehen, sondern müssten diese Fähigkeiten auch deutlich schneller zum Einsatz kommen können.
In seiner Perspektive auf die Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit spricht auch Meyer-Höper davon, bis 2029 kriegstüchtig zu sein. Dazu müsse in allen Bereichen „das Soll deutlich größer werden“. Für die Bundeswehr hieße das nicht nur eine Beschleunigung der Beschaffung, sondern auch andere Formen der Rekrutierung. Auch das wurde heute in Bonn angesprochen. Die Ungewissheit einer neuen deutschen Regierung werfe demnach weniger die Frage auf, ob eine Wehrpflicht komme, sondern in welcher Form.
Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit – bis zu fünf Prozent vom BIP
Derzeit erhofft wird in Fachkreisen ein Haushalt von 80 Milliarden Euro im Einzelplan 14 ab 2028. „Nur, so recht daran glauben will niemand“, fasst Ministerialdirektor Bald die Riege der Pessimisten zusammen. Dabei werfen die am Horizont wachsenden Forderungen der NATO längst lange Schatten.
Unabhängig vom Personal stellt sich auch die Frage nach der Finanzierung. Noch erreichen nicht alle NATO-Staaten die geforderten zwei Prozent des eigenen BIP, da denkt der morgige US-Präsident sehr laut über eine Anhebung auf fünf Prozent nach. In Deutschland nehmen Kanzlerkandidaten die Zahlen Drei und 3,5 in den Mund.
Mehr Geld für die Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit ist sicherlich hilfreich. Das Nachbarland Schweiz macht allerdings vor, dass neben mehr Geld auch Effizienzsteigerungen und Sparmaßnahmen auf dem Weg der schnellen Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit hilfreich sind.
Der 25-Millionen-Vorlage fehlt eine Null
Ein anderes Problem sehen viele Teilnehmer in Bonn, wie General a. D. Eberhard Zorn, in der Beschränkung durch den Haushaltsausschuss. Die Grenze von 25 Millionen Euro bei Beschaffungsvorlagen stamme noch aus den 80er-Jahren und sei nicht mehr zeitgemäß. Hier liege deutlicher Reformbedarf, waren sich alle Panelisten einig. Auch darin, dass eine Anhebung auf 50 oder 75 Millionen Euro keineswegs ausreichend wäre. „250-Millionen-Euro-Vorlage“ sei eine Größenordnung, „die vieles vereinfachen“ würde.
Zurück an das von Generalleutnant a. D. Rieks abgefragte Stimmungsbild erinnert, stellt sich die Frage, ob das Zögerliche, das Pessimistische auch in anderen europäischen NATO-Staaten zu beobachten gewesen wäre. Eigentlich kaum vorstellbar, dass bei derselben Fragestellung nach einer Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit in Frankreich oder Großbritannien Zweifel an den eigenen Fähigkeiten erkennbar würden. Immerhin: Deutlich mehr Hände – ein gutes Drittel – hoben sich bei der Frage, ob wir in den am Vormittag besprochenen Punkten mehr Europa wagen müssten. Aber das ist wieder ein anderes Thema.
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