Türkei will mehr NATO – aber nicht um jeden Preis

„Man kann von einem Staat wie der Türkei nicht erwarten, dass er bei strategischen Entscheidungen einfach ohne Verhandlungen zustimmt“, erklärt Dr. Yaşar Aydın von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) die lange ablehnende Haltung des Landes zu Schwedens NATO-Beitritt. „Das ist eine falsche Erwartungshaltung.“ Dennoch wolle sich das Land am Bosporus stärker in der NATO engagieren, meint Dr. Aydın. cpm Defence Network sprach mit ihm über das Verhältnis zwischen der Türkei und der NATO, gemeinsame Rüstungsprojekte und mögliche Auswirkungen auf das Bündnis im Falle eines Regierungswechsels in Ankara. Das Interview führte Navid Linnemann.

Dr. Yaşar Aydın von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) im Gespräch mit cpm über das Verhältnis der Türkei zur NATO.
Dr. Yaşar Aydın von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) im Gespräch mit cpm über das Verhältnis der Türkei zur NATO.
Foto: SWP / Leonardo.ai

Wie würden Sie das momentane Verhältnis zwischen der Türkei und der NATO beschreiben?

Es ist ein Verhältnis geprägt von Spannungen und auch Meinungsverschiedenheiten, vor allem in den letzten Jahren. Aber im Großen und Ganzen muss ich sagen, dass man in Ankara ein verlässlicher NATO-Partner ist. Verlässlich in dem Sinne, dass sie an allen Missionen teilnimmt. Seit dem Jahr 2000 haben sie die Beziehungen zudem vervielfacht und intensiviert.

Die Türkei gehört zu den vielleicht fünf NATO-Staaten mit der höchsten Beteiligung an NATO-Missionen. Die türkischen Streitkräften waren in Afghanistan aktiv, im Rahmen von ISAF und auch später bei Resolute Support. Das Land war im Rahmen von KFOR im Kosovo aktiv, das LandCom ist in der Türkei, in Izmir, und es gibt noch zahlreiche andere Beispiele, wie ein Kompetenzzentrum für Terrorismusbekämpfung. Ich würde daher sagen, das Land ist ein in militärischer Hinsicht ein verlässlicher Partner.

Auch in Afganistan war die Türkei sehr aktiv. Sie stellte Truppen im Rahmen von ISAF, später RF und beteiligte sich am Aufbau ziviler Infrastruktur.
Auch in Afganistan war die Türkei sehr aktiv. Sie stellte Truppen im Rahmen von ISAF, später RF und beteiligte sich am Aufbau ziviler Infrastruktur.
Foto: Landstreitkräftekommando der Türkei

Das hört sich nach einem recht konfliktfreien Verhältnis zwischen der NATO und der Türkei an. Bei der Aufnahme Schwedens in das Bündnis konnte man allerdings einen anderen Eindruck gewinnen.

Natürlich, es gibt auch Kritik an der Türkei, doch wenn man sich diese Kritik anschaut, dann entsteht da manchmal der Eindruck, es wird aus einer normativen Perspektive formuliert oder aus einem Bild der NATO als eine friedliche, einvernehmliche Community.

Die NATO war nie eine Allianz ohne Spannungen, ohne Meinungsverschiedenheiten.

Die NATO war jedoch nie in dieser Hinsicht eine Allianz ohne Spannungen, ohne Meinungsverschiedenheiten. Es hat sie immer gegeben. Denken wir nur an Frankreich, das sich mal aus dem militärischen Flügel der NATO zurückgezogen hat, inklusive der Unterstellung des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron, die NATO sei hirntot. Ein zweites Beispiel ist das Zögern Ungarns bei der Zustimmung zu Schwedens Mitgliedschaft. Es ist also nicht die Türkei allein.

Andererseits sind sich häufig auch viele NATO-Staaten schnell einig. Warum ist genau das bei der Türkei anders?

Vielleicht liegt es daran, dass das Verhältnis zwischen der türkischen Seite und den USA sehr asymmetrisch ist. Als sie in die NATO eintrat, war die Türkei ein Land, das auf militärische Hilfen angewiesen war, es gab eine einseitige Westorientierung.

Damals hat Ankara auch bei kritischen Entscheidungen Ja gesagt, also ohne große Diskussionen genickt. Zum Beispiel stimmte das Land bei der Rückkehr Griechenlands in die NATO 1980 ohne Verhandlungen zu. Das ist heute nicht mehr der Fall. Die Türkei ist jetzt eine Regionalmacht und wir haben nicht mehr die bipolare Welt des Kalten Krieges.

Heute haben wir eine multipolare Welt und in einer multipolaren Welt kann man von einem Staat wie der Türkei nicht erwarten, dass er bei strategischen Entscheidungen – wie zuletzt bei der Aufnahme von Schweden und Finnland – einfach ohne Verhandlungen zustimmt. Das ist eine falsche Erwartungshaltung, würde ich sagen.

Türkische McDonnell F-4 Phantom II mit Sonderlackierung anlässlich 70 Jahre NATO.
Türkische McDonnell F-4 Phantom II mit Sonderlackierung anlässlich 70 Jahre NATO.
Foto: Luftwaffenkommando der Türkei

Dabei ist die Türkei nicht gegen die Erweiterung der NATO, war sie nie. Als es darum ging, die osteuropäischen Länder in die NATO aufzunehmen, war das Land dafür. Auch letztes Jahr, als Selenskyj die Türkei im Sommer kurz vor dem Gipfel in Vilnius besuchte, hat die Türkei noch einmal dafür plädiert, die Ukraine in die NATO aufzunehmen.

Angenommen, es käme zu einem Machtwechsel in der Türkei, – beispielsweise indem der amtierende Bürgermeister von Istanbul, Ekrem İmamoğlu von der oppositionellen CHP, der nächste Präsident des Landes werden würde – hätte das Auswirkungen auf das Verhältnis zur NATO? Oder würde sich die Außenpolitik nicht wesentlich ändern?

Meiner Ansicht nach würde sich an dem Verhältnis Türkei-NATO vieles ändern, weil die Opposition nach meiner Prognose eine andere diplomatische Strategie fahren würde. Sie würde besser verhandeln und die aggressive Rhetorik von heute nicht fortsetzen. Insofern würde vieles einfacher.

Der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umerov (l.) bei seinem Besuch des türkischen Verteidigungsministers Yaşar Güler in Ankara.
Der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umerov (l.) bei seinem Besuch des türkischen Verteidigungsministers Yaşar Güler in Ankara.
Foto: Verteidigungsministerium der Türkei

Auch, weil die säkular eingestellten Menschen eine größere Rolle in der NATO übernehmen würden. Das sind diejenigen, die ein besseres Verhältnis zu Europa, zum Westen haben; diejenigen, die vielleicht eine bessere Sprachkenntnis haben, die keine oder zumindest weniger Ressentiments gegen Europa hegen. Das würde die Zusammenarbeit natürlich erleichtern.

Eine bedingungslose Westorientierung wird es nicht geben

Aber an der Staatsräson wird sich nicht viel ändern. Also die Rückkehr zu einer einseitigen, bedingungslosen Westorientierung wird es nicht geben. Warum auch? Es ist nicht nur die Türkei, der die heutige Multipolarität nutzt.

Wir haben unterschiedliche Großmächte – unterschiedliche Großmachtrivalitäten – und es gibt auch Mittelmächte, die das als Segen betrachten. Die versuchen natürlich, daraus Kapital zu schlagen, ihre Politik zu diversifizieren. Indien macht auch nicht viel anderes als die Türkei. Insofern wird es eine bedingungslose Westorientierung nicht geben. Auch ein Ekrem İmamoğlu – wenn er denn der nächste Staatspräsident werden sollte – wird nicht auf diese strategische Autonomie verzichten, weil die Sicherheitsinteressen und wirtschaftliche Abhängigkeiten der Türkei eine Politik des Multi-Alignment geradezu erfordern.

In einem Beitrag für das Online-Portal Qantara schrieben sie, dass die Türkei sich gerne mehr in der NATO engagieren würde. Woran machen Sie das fest und worin könnte diese aktivere Rolle bestehen?

Es gibt dafür unterschiedliche Indizien. Als im Sommer 2021 die NATO aus Afghanistan abgezogen ist, bot Ankara an, dass die türkische Armee die Sicherung des Flughafens von Kabul übernehmen könnte. Ankara hat auch mehrmals signalisiert, dass man im Falle einer multilateralen Vereinbarung im Ukraine-Krieg bzw. nach dem Krieg zusammen mit anderen NATO-Staaten als Garantiemacht für die Ukraine fungieren könnte. Ein ähnliches Angebot wurde zuletzt in Bezug auf den Gazastreifen gemacht.

Die Fregatten TCG GEMLİK und TCG GÖKÇEADA üben auf See
Die Fregatten TCG GEMLİK und TCG GÖKÇEADA üben auf See.
Foto: Marinekommando der Türkei

Dazu kommt, dass die Türkei mittlerweile stark in ihre Marine investiert. Sie verfügt jetzt über einen Drohnen- und Kampfhubschrauberträger, die TCG Anadolu.

Dieses Flaggschiff möchte die Türkei jetzt in die NATO-Strukturen einbinden und war mit ihm auch beim Seemanöver Neptune Strike dabei. In NATO-Kreisen wurde sie dafür gelobt. Es hieß, dieses Debüt würde der NATO einen weiteren Energieschub geben, fördere die regionale Stabilität. Auch da sehen wir, dass die Türkei willens ist, eine stärkere Rolle in der NATO oder mit der NATO zu übernehmen.

Dazu kommt der Wunsch, die Rüstungskooperation zu vertiefen. Die Türkei will wieder zurück in das F-35-Projekt und möchte auch mit anderen NATO-Staaten im Bereich der Rüstungsindustrie Kooperationen eingehen.

Der türkische Verteidigungsminister erklärte vor einem Monat, wenn es zu einer Europaarmee käme, dann sollte die Türkei unbedingt Teil dieser Europaarmee werden.

Dasselbe gilt auch für die europäische Sicherheitsarchitektur. Der türkische Verteidigungsminister erklärte vor einem Monat, wenn es zu einer Europaarmee käme, dann sollte die Türkei unbedingt Teil dieser Europaarmee werden. Das Land ist bereits Teil der European Sky Shield Initiative. Das sind die Beispiele, die zeigen, dass die Türkei da sehr bestrebt ist, eine größere Rolle in der NATO zu übernehmen.

Wenn wir an aktuelle militärische Konflikte denken, in welche die Türkei verwickelt ist – zum Beispiel in Syrien, Irak und Libyen – welche Auswirkungen haben diese Konflikte auf das Verhältnis zur NATO?

Im Beispiel Syrien war die Vorgehensweise der Türkei zunächst einvernehmlich mit den USA und auch Großbritannien, als es um Waffenlieferungen an Regimegegner ging. Dann aber, als in Libyen der amerikanischen Botschafter ermordet wurde, änderte Amerika auch seine Syrien-Politik. Es ging nicht mehr primär darum, Baschar al-Assad abzusetzen, weil man befürchtete, dass dann Islamisten oder Dschihadisten an die Macht kämen.

Ab diesem Zeitpunkt lag die Priorität auf der Terrorismusbekämpfung und das hat die Türkei und USA auseinandergebracht.

Das Flaggschiff der türksichen Marine ist die TCG Anadolu (L 400), ein leichter Drohnen- und Hubschrauberträger
Das Flaggschiff der türksichen Marine ist die TCG Anadolu (L 400), ein leichter Drohnen- und Hubschrauberträger.
Foto: Marinekommando der Türkei

Die Türkei setzte weiterhin auf die Absetzung von Assad, was teilweise zu Recht von anderen NATO-Staaten als Alleingang der Türkei wahrgenommen wurde. Als dann Barack Obama rote Linie beim Einsatz chemischer Waffen zog und dennoch nicht eingriff, als es dazu kam, folgte ein noch stärkerer Bruch.

Daraufhin wurde in Kooperation mit Russland versucht, die eigenen Agenda durchzusetzen. Das hat die Türkei-NATO-Beziehungen stark belastet – nicht nur zu den USA, sondern auch zu anderen Ländern wie Deutschland, die den türkischen Einmarsch in Syrien als problematisch ansahen.

Hätte sich Russland in Libyen durchgesetzt, dann säßen die Russen bei Flüchtlingsverhandlungen mit der EU heute mit am Tisch.

Eine andere Situation hatten wir in Libyen. Dort stand Frankreich auf der Seite Russlands und gegen die Zentralregierung, die jedoch von der UN, aber auch von der EU und den USA unterstützt wurde. Das türkische Engagement führte in meinen Augen dazu, dass die Türkei demonstrieren konnte, dass sie im östlichen Mittelmeer eine ernst zu nehmende Veto-Macht ist.

Also man kann sagen: Aus türkischer Sicht hat sich der Einsatz in Libyen geopolitisch, militärisch und auch wirtschaftlich gelohnt. Und das war auch ein Stück weit im Interesse der Europäischen Union, denn hätte sich Russland durchgesetzt in Libyen mit seiner Unterstützung von Haftar, dann säßen die Russen bei Flüchtlingsverhandlungen mit der EU heute mit am Tisch.

Türkische Soldaten üben die Luftlandung mit Hubschraubern.
Türkische Soldaten üben die Luftlandung mit Hubschraubern.
Foto: Landstreitkräftekommando der Türkei

Sie sagten gerade, in Libyen seien die Türkei und Russland Gegner, in Syrien würde das Land jedoch in Kooperation mit Russland handeln? Wie passt das zusammen, wenn Russland doch die Schutzmacht Assads ist?

Es stimmt, beide Staaten stehen in Syrien auf gegenüberliegende Seiten, doch ohne das Wohlwollen, ohne die Erlaubnis Russlands hätte die Türkei ihren Einmarsch in Syrien nicht realisieren können. Warum hat Russland das erlaubt? Es gibt unterschiedliche Erklärungen dazu.

Zum einen versucht Russland dadurch, die türkische Regierung an sich zu binden, die Spaltung innerhalb der NATO zu vertiefen. Und es war auch für Russland von Vorteil, die Türkei dort im Norden Syriens zu haben, weil damit die Spannungen zwischen der Türkei und USA sich verschärfen.

Aus russischer Perspektive ist auch vorteilhaft, dass die Türkei in Syrien als eine Art Gegenmacht zu Iran auftritt. Russland und Iran kooperieren, aber auch bei einer solchen Kooperation geht es ja auch um Machtausgleich. Dazu kommt der Verkauf des S-400-Raketenabwehrsystems an die Türkei, der sowohl wirtschaftliche Vorteile für Russland gebracht hat als auch als gute Werbung für die russische Rüstungsindustrie zu sehen ist.

Wenn wir vor diesem Hintergrund an Ihre These eines größeren Engagements der Türkei innerhalb der NATO denken, wie passt das dann zusammen? Hat sich das Land durch Russland vorführen lassen? Oder würden Sie eher sagen, die Türkei versucht schlicht die eigenen Interessen vor Bündnisbefindlichkeiten zu berücksichtigen?

Ja, das muss man sagen. Für die Türkei war die Zusammenarbeit mit Russland ein Stück weit auch eine Verhandlungstaktik mit dem Westen. So nach dem Motto: „Ich bin nicht auf euch angewiesen. Ich habe auch andere Optionen.“ Das hat auch gut funktioniert.

Die Türkei hat in Libyen Russland herausgefordert.

Ich denke nicht, dass die Türkei sich von Russland hat vorführen lassen, weil es damals immer hieß, das Land und seine Regierung geriete immer mehr in die Abhängigkeit Russlands. Das ist aber nicht eingetreten. Wenn das der Fall wäre, dann hätte Libyen nicht sein dürfen. Die Türkei hat in Libyen Russland herausgefordert – erfolgreich.

Ein zweites Beispiel ist der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan. Hier unterstützt die Türkei Aserbaidschan, hat zum Teil auch dafür gesorgt, dass die russische Unterstützung für Armenien ausblieb oder nur symbolisch war. Die Türkei hat auch die Annexion der Krim nicht anerkannt. Ich sehe da keine Instrumentalisierung durch Russland.

Der Staatspräsident der Türkei, Recep Tayyip Erdoğan (l.) trifft sich mit dem russischen Machthaber Wladimir Putin.
Der Staatspräsident der Türkei, Recep Tayyip Erdoğan (l.) trifft sich mit dem russischen Machthaber Wladimir Putin.
Foto: Präsidialamt der Türkei

Die türkische Teilnahme einer Rüstungskooperation bzw. der Ausschluss davon sorgte international für Schlagzeilen: die F-35-Kampfflugzeuge. Sie erwähnten vorhin, die Türkei würde gerne wieder Teil des Projekts werden. Welche Chancen sehen Sie, dass es dazu kommt?

Kurzfristig ist das schwierig. Das braucht Zeit. Auch im Hinblick auf den Konflikt mit Israel. Wenn der 7. Oktober nicht gewesen wäre, wenn die Annäherung zwischen Israel und der Türkei fortgesetzt worden wäre, dann wären die Chancen viel besser.

Die Türkei wird zurecht – das muss man klar und deutlich sagen – als ein Land wahrgenommen, das sich über normative Werte, denen sich auch die NATO verpflichtet fühlt, hinwegsetzt.

Das Image des Landes ist immer noch problematisch. Es gab eine partielle Annäherung der Türkei, sie darf beispielsweise aus den USA die Modernisierungskits für die F-16 erwerben, aber es sind längst nicht alle Zweifel ausgeräumt. Auch solche, die aus der türkischen Innenpolitik herrühren.

Die Türkei wird zurecht – das muss man klar und deutlich sagen – als ein Land wahrgenommen, das sich über normative Werte, denen sich auch die NATO verpflichtet fühlt, hinwegsetzt. Damit meine ich den Demokratieabbau in der Türkei, die Aushebelung der Rechtsstaatlichkeit, die Zunahme von Menschenrechtsverletzungen usw.

Dann haben wir auch den Konflikt mit Griechenland, der ist auch nicht überwunden. Es gibt Gespräche, die finde ich sehr wichtig, auch unter der Regie Deutschlands. Aber der Konflikt ist noch nicht überwunden. Und klar, die türkische Position gegen Griechenland ist nicht per se falsch. Da gibt es auch tatsächlich viele Argumente, die für die türkische Seite sprechen.

Aber Recep Tayyip Erdoğans aggressive Rhetorik gegen Griechenland hat in Europa und in NATO-Kreisen zu einer Empörung geführt. Staatspräsident Erdoğan hat mit seiner Rhetorik der Position seines Landes geschadet, viel Porzellan zerschlagen und die Zweifel gegenüber der Türkei gestärkt.

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan geht mit der NATO gelegentlich auf Konfrontationskurs.
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan geht mit der NATO gelegentlich auf Konfrontationskurs.
Foto: NATO

Aus diesen Gründen erwarte ich keinen Durchbruch in der Frage, ob der Türkei wieder in das F-35-Projekt aufgenommen werden soll. Ich bin da nicht sehr optimistisch in der Kurzperspektive.

Abschließend würde ich den Bogen gerne noch zu einem anderen Thema spannen, bei dem die Türkei in letzter Zeit ebenfalls häufiger genannt wird: das türkische Engagement in Afrika. Welches Interesse verfolgt die Regierung auf dem Kontinent und gibt es möglicherweise eine „Afrika-Strategie“ der türkischen Regierung?

Ich denke, die Hauptsäule der türkischen Strategie liegt in der Wirtschaft. Die Türkei möchte ihre Märkte erweitern, neue Absatzmärkte finden und da stößt man in Afrika auf Interesse und auch auf Kooperationsmöglichkeiten, zum Beispiel mit Spanien. Die türkischen Exporte nach Afrika stiegen von 1,37 Milliarden US-Dollar im Jahr 2000 auf 21,21 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021, das Handelsvolumen mit Afrika stieg von 4,09 Milliarden US-Dollar auf 29,45 Milliarden US-Dollar.

Es ist eine willkommene Gelegenheit, auch militärisch Fuß in Afrika zu fassen, vor allem in Sudan, Libyen und auch Somalia.

Heute spielt auch die Sicherung der Rohstoffversorgung eine wichtige Rolle. Die Türkei hat mit insgesamt 45 Staaten in Afrika Handels- und Wirtschaftskooperations-Abkommen. Also die Geoökonomie ist eine weitere tragende Säule. Andererseits ist diese Afrika-Strategie nicht frei von Geopolitik.

Es ist eine willkommene Gelegenheit, auch militärisch Fuß in Afrika zu fassen, vor allem in Libyen und Somalia, wo sie Militärbasen besitzt. Insgesamt 15 Afrika-Staaten operieren mit türkischen Kampfdrohnen. Das sind strategisch wichtige Regionen wie das Rote Meer als Handelsroute. Da ein Stützpunkt zu haben, ist natürlich wichtig für die Türkei, die ja Regionalmachtambitionen hat. Dennoch ist die Wirtschaft in meinen Augen die Hauptsäule bei diesen Aktivitäten.

Vielen Dank für das Gespräch.

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