Air Defender 23 – Es wird wieder geflogen!

Das, was momentan über Deutschland stattfindet, ist wichtig! Beeinträchtigungen im Reiseverkehr, Fluglärm über Wohngebieten – wo früher Gras wuchs, finden sich heute Plane-Spotter. Aber das, was momentan über Deutschland stattfindet, ist wichtig.
Wird bei Hannover Shield üben: Der Eurofighter.
EUROFIGHTER der Luftwaffe im Einsatz.
Foto: Carsten Vennemann (2021)

Vielfach sprachen und sprechen unsere Medien in den vergangenen Monaten über die mangelnde Ausrüstung der Streitkräfte. Immer wieder kommen Themen wie mangelnde Flugpraxis und -stunden auf. Air Defender 23 ist mehr als nur eine Chance zur Übung. Es ist eine komplexe Übung, in der unterschiedliche Nationen das Zusammenwirken verschiedener Systeme und ihrer Fähigkeiten zusammenbringen, um in einem Einsatzfall auf mögliche Situationen vorbereitet zu sein. Doch was heißt das konkret?

Eurofighter Typhoon

Das allwetterfähige Mehrzweckkampflugzeug Eurofighter bildet das Rückgrat der deutschen Kampfflugzeugflotte. Es verfügt über Fähigkeiten im Bereich sowohl des Luft/Luft-, als auch des Luft/Bodenkampfes und ist somit in unterschiedlichen Rollen einsetzbar. Das Luftfahrzeug kann dank dieser Vielseitigkeit sowohl für den Luftkampf mit anderen Luftfahrzeugen als auch als Luftunterstützung für beispielsweise Landoperationen dienen. Mit der Tranche 4, der sogenannten Quadriga, sollen aktuell die deutschen Eurofighter der Tranche 1 ersetzt werden. In Zukunft könnte der Eurofighter auch eine Rolle im elektronischen Kampf übernehmen. Hierfür haben sich bereits unterschiedliche Unternehmen mit einer möglichen Integration beschäftigt. Aktuelle Meldungen unterschiedlicher Medien heben ein Konsortium aus Saab und Helsing als mögliche Integratoren hervor.

Airbus A-400M

Als Lastentier der deutschen Luftstreitkräfte kann der A400M bezeichnet werden. Das Transportflugzeug verfügt über vier Propeller-Motoren und kann über ein Heckfrachttor beladen werden. Der A400M kann sowohl im strategischen als auch im taktischen Einsatz als Transport- oder Tankflugzeug die Streitkräfte unterstützen. Besonders die Luftbetankung hat in längeren Einsätzen oder bei Verlegungen von Luftfahrzeugen eine besondere Bedeutung, da sie sowohl die Luftverweildauer beispielsweise von Eurofightern aber natürlich auch ihre Reichweite signifikant erhöhen kann. Die Frachtraumkapazität des A400M und seine maximale Beladungsgrenze ermöglichen sogar den Transport des Schützenpanzers PUMA. Der A400M löste die bis 2021 eingesetzte C-160 TRANSALL ab und gilt inzwischen als zuverlässiges System. Große Bekanntheit erlangte der A400M nicht zuletzt während der äußerst komplexen militärischen Evakuierungsoperation in Kabul.

Zwei Airbus A-400M im Anflug auf das Flugfeld in Wunstorf
Foto: Carsten Vennemann

PA-200 Tornado

Das Waffensystems TORNADO ist bereits seit 1981 in der deutschen Luftwaffe im Einsatz. Er gilt als zuverlässiges und allwetterfähiges Kampfflugzeug. In den deutschen Luftstreitkräften finden sich drei Versionen des, sich inzwischen in der Nutzungsdauerverlängerung befindlichen, PA-300 TORNADOs. In der IDS (Interdiction Strike) Version dient der TORNADO als Jagdbomber und kann beispielsweise mit einer GBU 54 (Guided Bomb Unit) präzise auf kurze Reichweite gegen unterschiedliche Bodenziele wirken. Mit einer deutlich massiveren Wirkung kann der TORNADO ebenfalls die TAUSRUS KEPD 350 verbringen, welche auf viele 100 Kilometer präzise gegen Hochwertziele (selbst komplexe Bunkeranlagen) wirken kann.

Aufbauend auf der IDS Version wurde der sogenannte TORNADO ECR (Electronic Combat and Reconnaissance) entwickelt, welcher in seiner Anwendung besonders in der Bekämpfung von Radaranlagen und radargesteuerten Luftverteidigungssystemen hervorsticht. Wie diese Fähigkeit nach Außerdienststellung des Systems in den Luftstreitkräften erhalten bleibt, bleibt vorerst abzuwarten.

Mit der Integration eines digitalen Aufklärungssystems „RecceLite“ verfügt der TORNADO in der montierten RECCELITE Version seit 2009 über ein bewährtes Aufklärungssystem. Das hochauflösende digitale Bildmaterial ermöglicht eine detaillierte Auswertung und trägt dank seiner Echtzeitübertragung zu qualitativ außergewöhnlichen Aufklärungsergebnissen bei. Das System erlangte mediale Bekanntheit beispielsweise während des COUNTER DAESH Einsatzes.

TORNADOS ECR des TLG 51 leisten bei AIR DEFENDRER 23 einen wichtigen Beitrag.
Foto: Carsten Vennemann (2021)

Luft ist nicht gleich Luft

Unschwer lässt sich anhand dieser drei vorgestellten Systeme erkennen: Luft ist nicht gleich Luft. Die Eingesetzten Luftfahrzeuge während der anhaltenden Großübung AIR DEFENDER 23 lassen sich weder vergleichen, noch sind sie zu vereinheitlichen. Über diese Systeme hinaus nehmen noch weitere auch ausländische Luftfahrzeuge teil, die in ihren unterschiedlichen Missionen teils autark, teils gemeinsam operieren und wirken müssen. Ein Herunterbrechen dieser Großübung auf ein „spaßiges Flugstundensammeln“ entspricht in keiner Weise dem Hintergrund dieser Übung. Interoperabilität, Zusammenwirken von Fähigkeiten und Kräften, multinationale Zusammenarbeit und die Übung von möglicher Interaktion im Bündnis steht im Vordergrund. Wer im Ernstfall Leistung bringen soll, muss trainieren und üben – das gilt im Job, wie im Sport und eben auch im Militär.

Carsten Vennemann für uns unterwegs

Als passionierter Plane-Spotter ist Carsten Vennemann für uns unterwegs. Nach vielen Jahren in den Diensten der Streitkräfte kann er in den kommenden Tagen für uns quasi „vom Rollfeld“ berichten.

Carsten, Du bist heute den zweiten Tag am Rollfeld und hast sicherlich einiges erlebt. Wo warst Du heute und was konntest du beobachten?

Ich habe mich kurzfristig entschieden, einen weiteren Tag in Jagel und Hohn zu verbringen. Auf diesen beiden Flugplätzen ist der Hauptanteil der nach Deutschland verlegten multinationalen Luftflotte, so will ich es einmal nennen, stationiert und von hier aus startet sie in die jeweiligen Missionen. Der Flugbetrieb war in Jagel den ganzen Tag über sehr hoch. Im Morgenumlauf starteten mit acht F-16 der US Air National Guard, zwei weiteren F-16 der türkischen Luftwaffe, vier A-10 Thunderbolt und vier Tornados des TLG 51 insgesamt 18 Jets. Ebenso beeindruckend die Nachmittagsrunde in Hohn. Hier gingen zwei britische Eurofighter, zwei EA-18G Growler und zwei F/A-18E Super Hornet der US Navy, zehn F-15 der US Air National Guard und drei Learjet der GFD als Flugzieldarstellung in die Luft. Besonderes Highlight für mich persönlich waren erneut die A-10 Thunderbolts in der Luft, der Einsatz der beiden Growler sowie jeder einzelne Start der F-15. Die große Anzahl eingesetzter Flugzeuge in beiden Umläufen ließ auf eine jeweils komplexe Mission schließen, in der durch den Einsatz von ECR-Tornados bzw. Growler auch der Aspekt Niederhalten gegnerischer Luftabwehr eine wichtige Rolle spielte.

Es ist sicherlich schwierig, vom Boden aus, die unterschiedlichen Übungen einzuordnen. Bekommt ihr irgendwelche offiziellen Informationen und wieviel bekommt ihr von der Belastung dieser Übung für die übenden Kräfte mit?

Ich bin leider auf keine offiziellen Informationen gestoßen, die Aufschluss zu einer Mission an den beiden Tagen hätten liefern können. Das wäre sicher recht interessant gewesen, denn so hätte man das Zusammenspiel der einzelnen Nationen etwas besser nachvollziehen können. So muss man anhand der eingesetzten Flugzeuge versuchen, sich selbst ein Bild zu machen, was im Luftraum passiert. Ab und zu erhält man über die Flugzeugtracker (Flightradar, ads-b exchange) einen Hinweis, was gerade passiert. Zum Beispiel, dass sich im Luftraum über Schwerin mehrere Maschinen der Allianz zur Luftbetankung aufhalten, oder zwei A-10 gerade auf dem Weg nach Estland sind. Vom Zaun aus lassen sich die Belastungen der übenden Kräfte nur erahnen. Die hohen Temperaturen der letzten Tage sind aber gerade für das Bodenpersonal ganz sicher eine Belastung, besonders dann, wenn auch noch die heißen Abgase aus den laufenden Triebwerken hinzukommen. Ganz sicher sind auch die Piloten stark gefordert. Unbekannte Lufträume, das Zusammenwirken mit Piloten anderer Nationen in vermutlich täglich anderen Einsätzen, Arbeit nach gemeinsamen taktischen Grundsätzen, das ist sicher gerade in den Anfangstagen eine große Herausforderung.

Du wirst die Übung leider schon morgen wieder verlassen müssen. Wie ist dein Eindruck von AIR DEFENDER 23 und wie nimmst du als Außenstehender die Rolle der Drehscheibe Deutschland wahr?

Air Defender 23 ist zweifellos eine ganz große Nummer. Nach einem eher lauen ersten Übungstag hat Air Defender 23 in den vergangenen zwei Tagen mächtig Fahrt aufgenommen. Was ich als Außenstehender bislang wahrnehmen konnte war, dass gerade die Amerikaner in kurzer Zeit sehr viel Personal und Material in der Woche vor Übungsbeginn nach Deutschland gebracht haben und dass in sehr kurzer Zeit sehr viele Flugzeuge koordiniert nach Deutschland verlegt wurden. Es stellt sich als glücklicher Umstand dar, dass mit Hohn und Lechfeld zwei freie Flugplätze zur Verfügung standen, um die Kräfte aufzunehmen. Das zeigt die Notwendigkeit und Verpflichtung für Deutschland in der Rolle als Drehscheibe, auch in der Zukunft entsprechende Infrastruktur vorzuhalten. Am Beispiel Wunstorf als Logistikdrehscheibe und zentrales Tanklager sehe ich auch, dass die Luftwaffe kein Einzelspieler ist, sondern die Bundeswehr als Ganzes in so einem Vorhaben gefordert ist. Gerade die Streitkräftebasis als Dienstleister hat mit dieser Übung eine gute Gelegenheit, sich in allen Dingen des Host Nation Supports zu beüben und aufgrund der gewonnenen Erfahrungen weiterzuentwickeln.

 

 

Autoren: Matthias Wunsch und Carsten Vennemann

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Verwendete Schlagwörter

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