Bundeswehr erhält Schweren Waffenträger Infanterie

Heute gab der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages die Mittel für die Beschaffung von 123 Boxern mit Lance-Turm aus australischer Produktion frei. Die Fahrzeuge gehen als Schwere Waffenträger Infanterie in die Bundeswehr. Damit ermöglichen die Parlamentarier einen wichtigen Schritt Richtung Aufstellung Mittlere Kräfte, auch wenn – wie cpm Defence Network erfahren konnte – das Verteidigungsministerium mittels eines Maßgabebeschlusses zu Nachverhandlungen aufgefordert wurde, die unter anderem Transportkosten und Preise für Nachrüstungen betreffen.

Er ist fertig, zertifiziert und fährt: Bei der Übung Talisman Sabre nutzen die australischen Streitkräfte im vergangenen Jahr das Gefechtsfahrzeug CRV Boxer, den zukünftigen deutschen Schweren Waffenträger Infanterie.
Er ist fertig, zertifiziert und fährt: Bei der Übung Talisman Sabre nutzen die australischen Streitkräfte im vergangenen Jahr das Gefechtsfahrzeug CRV Boxer, den zukünftigen deutschen Schweren Waffenträger Infanterie.
Foto: Bundeswehr/Mario Bähr

Der Boxer ist ein Erfolgsmodell. Das Fahrmodul lässt sich nicht nur mit verschiedensten Missionsmodulen ausstatten – wodurch er vom Radschützenpanzer über Artillerie bis zum Verwundetentransporter alles abbilden kann – es ist auch überaus performant. So performant, dass beispielsweise die Artillerie der Panzerhaubitze 2000 nicht von der PzH, wohl aber vom Boxer aus in der Fahrt schießen kann. So könnte der Boxer mit 100 km/h auf der Autobahn fahren und schießen, das Fahrgestellt würde dies tragen.

Die britischen Streitkräfte haben zudem weitere Fähigkeiten des Boxers auf ihrem Testgelände erprobt. Dort überquerte er Gräben von bis zu 2,20 Metern und war zudem das allererste Fahrzeug, das jemals das senkrechte Hindernis von einem Meter überwinden konnte.

Ein Boxer für alle

Ein großer Vorteil des Boxers ist zudem die Einheitlichkeit und Modularität. Die OCCAR – und deren Auftragnehmer ARTEC – erreichte einen einheitlichen Stand, von dem die beteiligten Nationen nicht abweichen können, da alle denselben Vertrag unterzeichneten. Änderungen betreffen ebenfalls alle Nationen. Es wurden also bewusst Nationalisierungsbestrebungen, welche in der Vergangenheit so manches gute Projekt zerstückelten (Eurofighter, Tiger), entgegengewirkt, damit Entwicklungen und Stückzahlen gemeinsam getragen werden. Ein Konzept, das sich beispielsweise auch beim Kampfpanzer Leopard und dessen Zusammenschluss der Nutzernationen als LeoBen bewährte.

Die Entwicklung des Boxers fiel schließlich genau in die Zeit der Friedensdividende – der erste Prototyp wurde 2001 vorgestellt, das Jägerbataillon 292 erhielt als erste Einheit der Bundeswehr die Fahrzeuge im Jahr 2011. Hierdurch ging niemand davon aus, dass irgendein europäisches Land Boxer im vierstelligen Bereich ordern würde. Durch die Vereinheitlichung und gemeinsame Beschaffung über die OCCAR kamen allerdings Stückzahlen zustande, die sich positiv auf die Beschaffungsgeschwindigkeit und den Preis der Fahrzeuge auswirkten. Gleichzeitig lässt sich die Wartung und Ausbildung von jedem der Nutzer durchführen. Durch den gleichen Aufbau könnten etwa deutsche Boxer durch litauische Instandsetzer gewartet werden, während die Ausbildung der Fahrer durch die Niederlande möglich ist.

Ein Beispiel, wie dies zu schnellen Verbesserungen führte, ist der Einstieg Großbritanniens in das Boxer-Programm. Da die technischen Papiere und Beschreibungen für Litauen auch in Englisch vorlagen, konnte Großbritannien diese direkt verwenden, statt erst aufwendig eigene erstellen zu müssen. Die Briten wurden schließlich an deutschen Boxern mit der litauischen Anleitung ausgebildet.

Dieses Konzept kommt nun wiederum der Bundeswehr zugute, da sie auf australische Boxer zurückgreifen kann, um den Schweren Waffenträger Infanterie zeitnah in die Truppe zu bekommen. Schließlich gibt es Prognosen, nach denen Russland sich in den kommenden fünf Jahren vollständig auf Kriegswirtschaft umstellt und dann aus eigener Produktion nicht nur den laufenden Krieg unterstützen, sondern auch die eigenen Lager wieder befüllen kann. Fünf Jahre sind in militärischen Beschaffungszeiträumen eine sehr kurze Zeit. Damit Russland dann eine tatsächlich verteidigungsfähige und dadurch abschreckende Bundeswehr gegenübersteht, braucht es Käufe im Ausland. Wie die Boxer aus Australien.

Die Bewaffnung mit Lance-Turm

Der Schwere Waffenträger Infanterie (sWaTr Inf) basiert auf dem Boxer CRV, der in und für Australien produzierten Version. Dabei handelt es sich um das 8×8-Fahrmodul mit einem Radspähpanzer-Missionsmodul einschließlich des Lance Zwei-Mann-Turms. Als Hauptwaffe dient die Rheinmetall-Maschinenkanone MK30-2/ABM, die auch im Schützenpanzer Puma verbaut ist, dort allerdings in einem besatzungslosen, ferngesteuerten Turm.

Vom Lance-Turm sind mittlerweile ebenfalls zwei Versionen möglich, in der Konfiguration Zwei-Mann-Turm oder als fernbedienbarer Turm. Die Hauptwaffe des Lance-Turms ist anteilig von innen nachladbar.

Eine Entwicklung zeichnet sich allerdings auch beim Boxer ab: Die einzelnen Versionen werden immer größer und schwerer. So fing der Boxer ursprünglich bei 33 Tonnen an, mittlerweile ist er im Durchschnitt bei über 36 Tonnen, die australischen Boxer CRV liegen bei rund 38 Tonnen.

Der Schwere Waffenträger Infanterie in der Bundeswehr

Die neuen Boxer sollen als Ersatz für das Kettenfahrzeug Wiesel der direkten taktischen Feuerunterstützung der Infanterieverbände der Bundeswehr dienen, genauer gesagt in den Jägerkompanien, die zum Teil die neuen Mittleren Kräften bilden.

Zur künftigen Verortung des Schweren Waffenträger Infanterie schrieb das Deutsche Heer in seiner Informationsbroschüre „Zeitenwende Ukraine-Krieg – Modernisierung der Landstreitkräfte“ Ende 2022: „Die mit GTK Boxer ausgestatteten Verbände (alle JgBtl und GebJgBtl 231) sind in ihren schweren Kompanien mit dem Waffenträger Wiesel, der sein Nutzungsdauerende in 2030 erreicht und dessen Bestand ab 2027 abnimmt, aus- gestattet. Hauptaufgaben sind die unmittelbare taktische Feuerunterstützung und weitreichende Panzerabwehr. Die Ablösung ist durch den schweren Waffenträger Infanterie (sWaTrg Inf) ab Mitte der Zwanzigerjahre geplant. Damit können die Fähigkeiten des Wiesels aufrechterhalten/ausgebaut und ein wesentlicher Beitrag zur Überlebensfähigkeit und Durchsetzungsfähigkeit der abgesessen kämpfenden Infanterie erbracht werden. Mit Zeichnung der AWE in diesem Jahr ist der Weg zur Realisierung des Projektes sWaTrg Inf auf der Plattform GTK Boxer geebnet. Basis für die eigene Rüstung ist das bereits in Realisierung befindliche australische Combat Reconnaissance Vehicle, das ebenfalls auf der Plattform des GTK Boxer aufbaut und dessen 30-mm-Maschinenkanone baugleich mit der des SPz Puma ist. Dies minimiert Entwicklungsrisiken und steigert die logistische Durchhaltefähigkeit. Der Schwere Waffenträger Infanterie verfügt über die Fähigkeit, den Panzerabwehrlenkflugkörper MELLS abzufeuern und soll zudem mit Loitering Munition ausgerüstet werden.“

Der damalige Plan sah bis 2027 den Zulauf von 43 sWaTrg Inf für drei Jägerbataillone (JgBtl) einschließlich Ausbildung vor. In Folgelosen war dann die Beschaffung von weiteren 54 Fahrzeuge bis Ende 2031 geplant. Diese ursprünglichen 97 Fahrzeuge sind nun auf 123 Boxer angewachsen, sicherlich auch der geplanten Bundeswehrreform und neuen Erkenntnissen aus dem Ukraine-Krieg geschuldet. Mit der heutigen Entscheidung hat der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages – allen Verlangsamungsbemühungen zum Trotz – die Weichen gestellt, damit das Deutsche Heer schnell die Mittleren Kräfte kampfkräftig aufbauen kann.

Auch wenn durch die Bundeswehrreform noch Anpassungen in der Heeresstruktur zu erwarten sind, Wirkmittel sind immer erforderlich. Diese erhält die Bundeswehr nun zum Teil aus Australien. Die ersten 19 Fahrzeuge sollen bereits 2025 in die Truppe gelangen, die Lieferung aller 123 Fahrzeuge bis 2030 abgeschlossen sein. Die Flexibilität der Plattform Boxer macht diesen Zeitplan möglich und die Zeitenwende macht es notwendig. Zum Schutz der Bürger in Deutschland.

Dorothee Frank

Abonnieren Sie unseren WhatsApp-Kanal, um die Neuigkeiten direkt auf Ihr Handy zu erhalten. Einfach den QR-Code auf Ihrem Smartphone einscannen oder – sollten Sie hier bereits mit Ihrem Mobile lesen – diesem Link folgen:

Beitrag teilen

Das könnte Sie auch interessieren

Anzeige

Verwendete Schlagwörter

BundeswehrDeutsches HeerHeerMittlere KräfteOCCARRheinmetallSchwerer Waffenträger Infanterie
Index