Die Wehrtechnik ist sexy geworden. Viele Akteure, die bisher im besten Fall nur gelindes Desinteresse für die deutschen Streitkräfte zeigten, versuchen sich mittlerweile in diesem Bereich zu profilieren. Doch die Zunahme an fachfremden Einmischungen führt nicht unbedingt zu einer Verbesserung der Lage für die Bundeswehr. So blockierte aktuell auch der Bundesrechnungshof die Beschaffung des Schweren Waffenträger Infanterie.
Aktuell befindet sich das Deutsche Heer vor der seltsam anmutenden Situation, dass zwar Mittlere Kräfte ausgeplant werden, diese aber – bisher – noch über keine Fahrzeuge verfügen. Die Hauptwaffe der Mittleren Kräfte soll schließlich der Schwere Waffenträger Infanterie werden, ein Boxer-Fahrmodul mit Lance-Turm, wie er ursprünglich für Australien produziert wurde. Doch die Zustimmung aus dem Parlament für die entsprechende 25-Mio-Vorlage verzögerte sich immer weiter, auch auf Betreiben des Bundesrechnungshofes. Ursprünglich war die bereits für eine Behandlung im November vorgesehen, nun steht sie auf dem Plan für die Sitzung des Haushaltsausschusses am 13. März.
Schwerer Waffenträger Infanterie: Je später desto teurer
In der aktuellen Lage, in der Europa, Nordamerika und Asien massiv aufrüsten, bedeutet jede Verzögerung automatisch eine Verteuerung. Schließlich waren fast überall die Produktionskapazitäten zurückgegangen. Steigende Nachfrage bei knappen Ressourcen und Industriekapazitäten steigern den Preis. Für die Hersteller der Panzermotoren und deren Zulieferer spielt es beispielsweise kaum eine Rolle, ob Polen nun europäische oder koreanische Kampfpanzer kauft, solange eine Produktionslinie in Europa entsteht. Dasselbe gilt für den Stahl, die Getriebe bis hin zu den Schrauben und Gewinden.
Alle Verzögerungen kosten den deutschen Steuerzahler also bares Geld. Wie viel, das hat der Bundesrechnungshof sogar ermittelt: Der Preis für die 123 Fahrzeuge ist demnach im gesamten Prozess um über 500 Millionen Euro gestiegen, also etwas über vier Millionen pro Fahrzeug. Nur anstatt die notwendige Schlussfolgerung zu ziehen und den Schweren Waffenträger Infanterie schnellstmöglich unter Vertrag zu nehmen, fordert der Bundesrechnungshof Nachverhandlungen.
Mit dieser Forderung versucht der Bundesrechnungshof, sich ein neues Gewicht im Rüstungsbeschaffungsprozess zu verleihen. Ein Schritt, der bereits mit der Kritik am zukünftigen Standard-Sturmgewehr der Bundeswehr G95A1 eingeleitet wurde (wir berichteten). Der Bundesrechnungshof hatte zwar bereits in der Vergangenheit das Recht, vom BMVg gewisse Maßnahmen zu fordern, dies bezog sich aber üblicherweise auf eine Dokumentationspflicht. Dass der Bundesrechnungshof Einfluss auf den Preis nehmen will und vom Verteidigungsministerium ein Drücken desselben fordert, ist neu. Ebenso neu ist, dass die Parlamentarier dem Bundesrechnungshof teilweise folgen und sich dies negativ auf den Zeitpunkt der Behandlung von 25-Mio-Vorlagen auswirkt.
Beschaffung Down Under
Kritik übt der Bundesrechnungshof außerdem noch an der Beschaffung aus Australien. Pro Boxer soll etwa der Seetransport mit 38.000 Euro zu Buche schlagen. Ein Betrag, der bei knapp 22 Millionen Euro pro Fahrzeug eigentlich zu wenig ins Gewicht fällt, als dass er die Beschaffung verhindern dürfte. Zudem könnte eine deutsche oder britische Produktion dank der in Europa höheren Lohnkosten durchaus um diesen Betrag und mehr teurer werden. Wenn sie denn überhaupt möglich wäre – was aktuell nicht der Fall ist. Deutschland ist ausgebucht, es müssten erst neue Kapazitäten aufgebaut werden. Und das dauert.
Was ebenfalls dauern würde, wäre die Zertifizierung eines anderen Boxers mit Mittelkaliberturm anstatt des australischen Modells. Schließlich musste der australische Boxer bereits eine auch von Deutschland anerkannte Qualifikation in einer Vielzahl von Tests in den australischen Streitkräfte durchlaufen. Ein anderen Turm müsste all dies erneut durch deutsche Prüfer durchstehen. Den Lance-Turm könnte Rheinmetall wiederum aktuell in der notwendigen Anzahl gar nicht in Deutschland produzieren, weil die industriellen Kapazitäten nicht vorhanden sind. Im Gegensatz zu Australien mit seiner laufenden Fertigungslinie an Lance-Türmen und den diese tragenden Boxer-Fahrmodulen. Ein Punkt, den der Bundesrechnungshof ebenfalls nicht beachtete, denn der Seetransport der Türme dürfte nur unwesentlich günstiger sein als der von dem Gesamtfahrzeug.
Der Faktor Verteidigungsfähigkeit
Es standen sich im Fall des Schweren Waffenträgers Infantierie also wieder einmal die Kriterien Zeit und Gründlichkeit gegenüber. Der Bundesrechnungshof bezieht hierbei erneut – wie bereits im Fall der Rüge des G95A1 – Stellung gegen eine schnelle Beschaffung. Zeit spielt für die Prüfer augenscheinlich keine Rolle, während das BMVg und die Bundeswehr eher auf dem Standpunkt stehen, dass die Zeit schon so gut wie abgelaufen ist. Es ist eigentlich bereits zu spät zum aufrüsten, das Deutsche Heer müsste bereits heute vollumfänglich einsatzfähig sein, um die Abschreckung gegen Russland wirksam zu demonstrieren.
Doch die Bundeswehr ist noch nicht bereit. Das Deutsche Heer steht weiterhin blank und ohne Schweren Waffenträger Infanterie da. Es ging bisher noch kein einziger zusätzlicher Boxer für die Mittleren Kräfte unter Vertrag, dabei fand die Einsatzplanung für die Schweren Waffenträger Infanterie bereits im vergangenen Herbst statt. Deutschland verliert sich in der Bürokratie und dessen Beschaffungsprozessen, in Profilierungen und Machtdemonstrationen, anstatt sich auf einen Krieg vorzubereiten, der jederzeit ausbrechen könnte – auch weil nicht jede Armee des Westens durchhalte- und verteidigungsfähig erscheint.
Nun steht die Vorlage für den Schweren Waffenträger Infanterie zumindest auf der Agenda der Sitzung des Haushaltsausschusses am 13. März. Es besteht also Hoffnung, dass die Mittleren Kräfte nicht mit den Wieseln statt mit Lance-Boxern ins Gefecht müssen. Denn die Wiesel wären schließlich aktuell die einzige Alternative.
Dorothee Frank
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