Die große Neuerung der Ukraine in ihrem Verteidigungskrieg gegen Russland ist die Nutzung moderner Denkweisen und Technologien. Dazu gehört auch die neueste Methode zur Ausstattung der Einheiten, denn wer besser ist, wer mehr Abschüsse verzeichnen kann, der erhält mehr und bessere Ausrüstung. Mittels der Drohnenbilder, der automatisierten und manuellen Meldungen zu den zerstörten gegnerischen Zielen, erhalten die Einheiten sogenannte Exchange Points (E-Points). Diese können im Online-Marketplace gegen Drohnen eingetauscht werden. Gamification oder sinnvolle Ressourceneinteilung?
Die Ukraine musste neue Wege gehen, um sich wirksam gegen die Weltmacht Russland verteidigen zu können. Allein schon die Bevölkerungszahlen zeigen das Ungleichgewicht: Rund 144 Millionen russische Bürger gegen ca. 38 Millionen Ukrainer. Bei der Rüstungsproduktion unterstützen zwar die Demokratien der Welt die Ukraine, doch auch Russland kann auf Rückhalt durch Diktaturen setzen, die teilweise schneller liefern können als die demokratische Welt. Gleiches gilt für die Zahl der ausländischen Soldaten in den jeweiligen Streitkräften.
Doch während Russland, zumindest am Anfang, in klassischen Kriegsdoktrinen eingefahren war, stellten sich die ukrainischen Streitkräfte vollständig auf die neue Zeit ein. Die Nutzung von unbemannten Systemen, Open Source Intelligence, wirklich handelsüblichen Assets – besonders Handys – in Einsatz und Nutzung sowie die perfekte Vernetzung fast aller Sensoren und Systeme brachten der Ukraine den entscheidenden Vorteil.
Die Experten aus dem deutschen Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) – und damit notgedrungen auch die Bundeswehr – würden sicherlich einen Riegel vor viele dieser Lösungen setzen. Selbst Starlink bekam in Deutschland Probleme damit, taktisch-militärisch genutzt zu werden. Doch die Ukraine macht es und die schnell implementierte Software, kurzfristig zugelassenen, neu entwickelten oder handelsüblichen Systeme, also die ganzen mutmaßlich unsicheren – weil nicht genügend geprüften – Technologien funktionieren. Im Krieg gegen Russland.
Dass die ukrainischen Systeme – Soft- wie Hardware – dabei wirklich nicht gehackt wurden oder durch Russland eingesehen werden können, beweisen die vielen erfolgreichen Geheimoperationen, mit denen die Streitkräfte der Ukraine tief bis nach Russland hinein wirken.
Belohnung mit E-Points
Nun folgte also eine weitere Revolution in den ukrainischen Streitkräften: Die Ausstattung der Soldaten aufgrund ihrer Leistung. „Vernichte den Gegner – sammle Punkte. Tausche Punkte ein – erhalte neue Drohnen“, fasst der Innovationscluster der Ukraine, Brave1, das Prinzip zusammen. „Das E-Points-Programm revolutioniert die Kriegsführung, indem es das Prinzip ‚Je mehr du zerstörst, desto mehr bekommst du‘ in die militärische Versorgung eingeführt hat.“
Je strategisch wichtiger das gegnerische Ziel, desto mehr Punkte. So bringt beispielsweise ein zerstörter Panzer weniger Punkte als eine zerstörte Raketenartillerie. Bei einer reinen Beschädigung gibt es sogar nur die Hälfte der E-Points, welche die Einheit für eine vollständige Zerstörung erhalten würde.
Bereits über 90 Prozent der Kampfeinheiten der Ukraine sollen bereits in das System integriert sein. Die Meldung der erfolgreich zerstörten Ziele geschieht mittlerweile zum Großteil über die Army+ App. Die Sensoren der Drohnen, die für rund 70 Prozent der russischen Verluste verantwortlich sind, liefern verlässliche und auswertbare Daten. Im Zweifelsfall wird in Kiew die Datenlage ausgewertet.
Die Ukraine bewertet ihre Methoden
Der Start der Initiative war das Drone Army.Bonus-Programm, das nun zu den E-Points für den Marketplace ausgeweitet wurde. Die ersten Erfahrungen zeigen bereits eine positive Entwicklung. Es wird nicht nur der Wettbewerb zwischen den Einheiten gestärkt, sondern auch die an das Hauptquartier übermittelte Datenlage habe sich deutlich verbessert. Während die Meldung vorher eine reine Pflicht war, bringt sie nun direkten Gewinn. Die militärische Führung erhält dadurch bessere und mehr Daten, um den Nutzen von Methoden und Technologien zu bewerten.
Gleichzeitig entspricht diese Methode der Denkweise vieler junger Soldaten, die mit Computerspielen und den entsprechenden Belohnungssystemen großgeworden sind. Ein Orden oder ein finanzieller Anreiz sind natürlich weiterhin willkommen, aber für das eigene Team, die eigene Einheit Punkte zu sammeln, die dann für bessere oder mehr Drohnen eingetauscht werden, damit können viele junge Menschen mehr anfangen.
Gleichzeitig ist sichergestellt, dass die Wirkmittel vor allem in jene Hände gelangen, die sie am effektivsten einsetzen.
Es bietet also durchaus Vorteile, diese Gamification des Krieges. Doch dafür ist zugleich ein vollständiges Umdenken im Bereich der Beschaffung, der Vernetzung und der Auswertung von Daten notwendig, denn nur in einer wirklich modernen Armee lassen sich alle diese Faktoren zu einem Prinzip wie den E-Points verbinden. Viele europäische Streitkräfte könnten noch nicht einmal einen dieser Bereiche auf dem Niveau der Ukraine durchführen. Nur Russland scheint schneller zu lernen.
Mit WhatsApp immer auf dem neuesten Stand bleiben!
Abonnieren Sie unseren WhatsApp-Kanal, um die Neuigkeiten direkt auf Ihr Handy zu erhalten. Einfach den QR-Code auf Ihrem Smartphone einscannen oder – sollten Sie hier bereits mit Ihrem Mobile lesen – diesem Link folgen:
